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Briefe zur Zeitenwende
Michael Miersch: Einmal Freiheit und zurück: Mein schönes Leben zwischen Kaltem Krieg und Klimakatastrophe. Berlin: Edition Tiamat, 2023.

Briefe zur Zeitenwende

Michael Miersch: Einmal Freiheit und zurück: Mein schönes Leben zwischen Kaltem Krieg und Klimakatastrophe. Berlin: Edition Tiamat, 2023.

Der Publizist und Dokumentarfilmer Michael Miersch hat väterliche Briefpost verfasst. In «Einmal Freiheit und zurück» schickt er Tochter Amelie und Sohn Moritz zeitkritische Briefe zu verschiedenen Themen.

Miersch, der Jahrgang 1956 ist, versucht nicht, seinen Sprösslingen vorzuschreiben, wie sie sich in der Welt zu verhalten haben. Vielmehr berichtet er ihnen aus seiner eigenen Jugend und zeigt so auf, was sich seither gesellschaftlich getan hat. Wie hat sich das Verständnis von Essen, Sex, die Rolle der Frauen, Kapitalismus und die Einstellung zu Arbeit, Freiheit und Kindheit seit dem Ende des 20. Jahrhunderts verändert? Die persönliche Auskunft fängt die Aufbruchstimmung jener Epoche ein, in der Miersch jung war, und konturiert damit den kulturellen Übergang zum Jetzt.

Es scheint, dass dieses Buch für jüngere Leser besonders nützlich sein dürfte, da es einen tiefen Einblick in die Lebenserfahrung eines älteren deutschen Herrn gewährt, der recht aufmerksam und fair urteilt, wie sich die Zeiten geändert haben. Wenn es um Sex geht, räumt er beispielsweise mit dem Mythos auf, dass die sexuelle Revolution so frei von Vorurteilen und Prüderie war, wie oft behauptet wird. Gleichzeitig betont Miersch, dass die heutige übersexualisierte Kultur paradoxerweise mit einer gezüchtigten Körperkontaktscheu koexistiere.

Wie anders es damals zu und her ging, zeigt sich vielleicht am besten beim Konsum bestimmter Drogen. «Überall und bei jeder Gelegenheit wurden Zigaretten geraucht», berichtet Miersch aus seiner Jugend, «zwischen Gängen beim Essen, im Flugzeug und im Auto (auch mit Kindern auf dem Rücksitz)». Die seither erfolgten Änderungen im Sinne illiberaler Genusseinschränkungen scheinen Miersch nicht zu stören.

In den Briefen wird jedenfalls deutlich, dass die Ängste von Teenagern selbige manchmal noch ins Erwachsenenalter hinein verfolgen. Als Bericht wechselnder Gefühle, Zeugnis von Überlegungen und Empfindungen über historische Veränderungen ergibt das eine erfrischende und kurzweilige Lektüre. Und vielleicht bewirkt die Einsicht, dass früher manches besser war, sogar einige positive Verhaltensänderungen.

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