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Der Friedensgipfel droht zur
Rüstungskonferenz zu werden

Der Friedensgipfel droht zur  Rüstungskonferenz zu werden
Bild: Postkarte Grand Hotel Bürgenstock, 1946 (Public Domain).

«Verhandlungen mit Russland sind keine Lösung», lautete der Titel in der NZZ-Printausgabe vom 19. Februar 2024. Der Autor des Artikels, Ulrich Speck – er schreibt unter dem Label «Pro Global» regelmässig für die NZZ – arbeitete von 2018 bis 2023 für den German Marshall Fund of the United States. Man kann diese Haltung durchaus vertreten; mit ihr wird der Krieg noch lange weitergehen.

Mehr als zwei Jahre nach dem Einmarsch russischer Truppen in den Donbass zeichnet sich keine militärische Lösung des Konflikts ab; eine rasche Niederlage von Putins Russland, wie sie die NZZ im ersten Jahr des Kriegs x-fach in Aussicht gestellt hat, ist nicht eingetreten.

Und eine diplomatische Lösung soll es auch keine geben? Die Opfer des militärischen und diplomatischen Patts sind die jungen ukrainischen und russischen Männer an der Front, die ihr Leben im Krieg vergeuden und verwirken. Auf russischer Seite seien über 465 000 Personen verwundet oder getötet worden, meldete das britische Aussenministerium letzte Woche. Das ukrainische Verteidigungsministerium spricht von über einer halben Million Opfer.

Und die Opfer auf ukrainischer Seite? Der abtretende russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu nannte die Zahl von einer halben Million. Eine Angabe, die Jeffrey Sachs für glaubhaft hält. Befragt vor einigen Tagen von Tucker Carlson – sehenswerte 2:25 Stunden auf YouTube –, geht der amerikanische Ökonom ausführlich auf die Ursprünge des Konflikts ein. Sachs widerspricht vehement der von der US-Regierung und den meisten westlichen Medien verbreitenen Version, dass der Angriff Russlands «unprovoked», also sozusagen aus dem Nichts und ohne Vorgeschichte erfolgt sei. Sachs sagt auch, dass die US-Regierung den Konflikt innerhalb eines Tages beenden könnte, wenn sie denn wollte – aber eben: Verhandlungen mit Russland sollen offenbar keine Lösung sein.

Tatsache ist jedenfalls, dass der Krieg zwischen den beiden Staaten die Leben von vielen Tausenden unschuldigen Menschen gefordert hat. Wer weitere Opfer vermeiden will, muss die Konfliktparteien an einen Tisch bringen, um Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zu führen. Und natürlich wäre das eine Aufgabe, die sich für eine neutrale Schweiz anbieten würde.

«Die Schweiz organisiert die Konferenz auf Wunsch der Ukraine» und «Auf Wunsch der Ukraine hat die Schweiz möglichst viele Länder eingeladen», ist im NZZ-Artikel über die Konferenz zu lesen. Wenn man es buchstäblich in der Zeitung lesen kann, dass sich die Schweizer Regierung von einer der beiden Seiten so klar instrumentalisieren lässt, muss man sich nicht nur fragen, ob die Schweiz noch ein neutraler Staat ist, sondern auch, ob sie noch ein souveräner ist.

Wäre die Schweiz souverän und neutral, hätte sie die US/EU-Sanktionen nicht übernommen (wie viele andere Länder auch nicht). Sie würde die Konferenz ohne Einflussnahme der Ukraine planen. Und sie würde mit Nachdruck darauf drängen, dass die vom Konflikt belasteten russichen und ukrainischen Bürger möglichst bald ohne Krieg leben dürfen. Warum sagt die neutrale Schweiz nicht öffentlich, dass ein möglichst baldiger Frieden angestrebt werden muss, und dass eine Lösung dafür ein neutraler Status der Ukraine sein könnte?

Werden an der grossen Konferenz auf dem Bürgenstock Mitte Juni 2024 Vertreter aus Dutzenden von Nationen teilnehmen, nicht aber Russland, und auch nicht China, scheitert die Schweizer Friedenspolitik mit Ansage. Im schlimmsten Fall wird aus dem geplanten Friedensgipfel eine Rüstungskonferenz für die Ukraine. «Eine Friedenskonferenz ohne die Kriegsparteien ist ziemlich überflüssig. Sie dient der Imagepflege des Gastgebers», schrieb dazu NZZ-Chefredaktor Eric Gujer.

Imagepflege? Der einzigartige, über lange Zeit hinweg erarbeitete Ruf der Schweiz als Friedensstifterin droht zu zerfallen, wenn aller Welt offensichtlich wird, dass sie nicht mehr neutral auftritt, sondern einseitig die Interessen der ukrainischen Regierung vertritt.

Noch sind fast zwei Wochen Zeit. Wenn die Konferenz auf dem Bürgenstock mehr sein soll als Geplauder unter Gleichgesinnten, muss die offizielle Schweiz alles daran setzen, um eine namhafte Delegation aus Russland und China mit an den Tisch zu bringen.

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