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Angriffskrieg ist nicht gleich Angriffskrieg

Angriffskrieg ist nicht gleich Angriffskrieg
US-Präsident Donald Trump kündigt in einer «Address to the Nation» am 21. Juni 2025 den kurz darauf folgenden Angriff auf vermutete iranische Atomanlagen an. Bild: Videostill x.com/WhiteHouse.

Hier zwei kleine Randnotizen zum Thema «Angriffskrieg» aus den Schweizer Zeitungen von gestern und heute zur Bombardierung des Irans durch die USA am Sonntagmorgen, 22. Juni 2025:

Fabian Fellmann schreibt heute im Tages-Anzeiger über US-Verteidigungsminister Hegseth: «Zu Erwägungen über das Völkerrecht, wonach der präventive Angriffskrieg kaum zulässig war, äusserte er sich nicht.»

Frank A. Meyer schrieb gestern im Sonntagsblick: «Ja, der Oberbefehlshaber des jüdischen Staates hat das Völkerrecht verletzt. Was hätte er anderes tun sollen? Warten, bis Irans Herrscher Ayatollah Ali Chamenei die Atomrakete auf ihrem Flug nach Tel Aviv mit einem Gebet begleiten kann?»

Diese beiden Erwähnungen von «Angriffskrieg» sind nur 2 von bisher insgesamt 91 Erwähnungen des Worts «Angriffskrieg» am 22. und 23. Juni in der Schweizer Mediendatenbank (SMD). Die grosse Mehrheit der Einträge der letzten zwei Tage bezieht sich auf den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine. Dieser Angriff liegt nun aber nicht erst einen Tag zurück, sondern schon ganze 3 Jahre und 4 Monate. Direkt verknüpft mit dem Wort «Angriffskrieg» werden etwa viele Meldungen zum Wechsel von Fussballtrainer Fabio Celestini zum ZSKA Moskau, so auch in der NZZ.

Kurzes Innehalten: Ist das Vorgehen von Israel und USA gegen den Iran denn nun überhaupt ein «völkerrechtswidriger Angriffskrieg», den die um Völkerrecht und Menschenrechte besorgten Journalisten thematisieren, ja geisseln müssten? Gemäss Artikel 2, Absatz 4 sowie Artikel 51 der UN-Charta ist ein militärischer Angriff auf ein anderes Land ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats oder ohne unmittelbare Notwehr untersagt. Da weder eine Zustimmung des UN-Sicherheitsrats erfolgt ist, noch unmittelbar Notwehr geleistet werden muss, lautet die Antwort klar und eindeutig Ja: Das Vorgehen von Israel und USA gegen den Iran ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.

Doch die Journalisten schreiben und sagen das nicht. Über Russland jedenfalls hat ein Frank A. Meyer noch nie geschrieben: «Ja, der Oberbefehlshaber des russischen Staates hat das Völkerrecht verletzt. Was hätte er anderes tun sollen? Warten, bis die Ukraine der Nato beitritt und die Nato unter der Führung der USA Atomraketen an der Landesgrenze stationiert?» Ganz im Gegenteil: Hätte Meyer jemals so etwas geschrieben, wäre er öffentlich angegriffen und als «Russlandversteher» gebrandmarkt worden.

Mir geht es hier weder um Wortklauberei noch um eine Beschönigung der hässlichen Regimes in Russland, Iran oder anderen autokratischen Staaten. Wir sollten uns schlicht und einfach bewusst sein, wie sehr die Mainstream-Medien manifestieren, wie wir über Krieg denken und reden. Propaganda funktioniert, und wer nicht versteht, wie, kann ja mal etwas über den Hashtag #PeaceThroughStrength nachdenken, der mutmasslich direkt aus dem Weissen Haus kommt.

Ein Menschenleben ist ein Menschenleben, im Iran, in Russland, in Israel, in den USA, in der Ukraine. Und ein Angriffskrieg ist ein Angriffskrieg. Egal, wer ihn startet, und egal, ob ein Präventivschlag oder ein Verstoss gegen das Völkerrecht Sinn macht oder nicht.

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