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Die Schweiz und die internationalen Wirtschaftsorganisationen

Richard Senti und Andreas Ziegler (Hg.)
Die Schweiz und die internationalen Wirtschafts-organisationen
Zürich: Schulthess Verlag 2005

Mit dem Verhältnis der Schweiz zu den wichtigsten internationalen Wirtschaftsorganisationen befassen sich im vorliegenden Sammelband zehn Autoren, die von ihrer beruflichen Tätigkeit her allesamt über beste Voraussetzungen verfügen, um das Thema sachlich und gründlich zu bearbeiten. Bundesrat Joseph Deiss weist in seinem Vorwort auf die Bedeutung der im Buch behandelten Institutionen für unser Land und letztlich für jeden Bürger hin – auf eine Bedeutung, die durch die zunehmende Verflechtung der Staatenwelt in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen habe.

Andreas R. Ziegler schreibt über die Schweiz und ihre Stellung zur europäischen Wirtschaftsintegration, indem er die Entwicklung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Gründungen der Europäischen Gemeinschaft (EG) und der Europäischen Freihandelszone (EFTA) darstellt. Das Verhältnis der Schweiz zur EG und zur Europäischen Union (EU) wird aufgrund der historischen Entwicklung Schritt für Schritt dargelegt: zuletzt die Ablehnung des Eintritts in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) durch das Schweizervolk und die Stände im Jahr 1992, der autonome Nachvollzug des Gemeinschaftsrechts bis zu den mit der EU abgeschlossenen sektoriellen Abkommen 1999 und 2004. Eingehend legt der Autor die Entstehung und die Bedeutung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) dar, deren Gründungsvertrag 1960 von Grossbritannien, Dänemark, Norwegen, Schweden, Schweiz, Österreich und Portugal unterzeichnet wurde. Abschliessend weist er auf die Tatsache hin, dass angesichts der Grössenverhältnisse in Europa und der Koordination Schweiz/EU ein Automatismus im Entstehen ist, der die souveräne Ausschöpfung des Spielraums stärker einschränkt – ein Prozess, «an dessen Ende aufgrund faktischer Gegebenheiten ein Beitritt der Schweiz zur EU erneut zur Diskussion stehen wird».

Marino Baldi und Lukas Beglinger befassen sich mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der die Schweiz 1960 beigetreten ist. Auf wenigen Seiten geben sie einen konzisen Überblick über die Entwicklung dieser Organisation, ihre Rechtsgrundlagen, Strukturen und Arbeitsmethoden. Die wichtigsten Funktionen werden leichtfasslich dargelegt, insbesondere auch die Bedeutung der OECD als wirtschaftspolitisches Informations- und Dialogforum: «Zu den weltweit bekannten und anerkannten Kernkompetenzen der OECD zählen deren internationale Vergleichsstatistiken und die darauf basierenden Analysen.» Länderberichte mit Analysen der Wirtschaftssektoren werden periodisch publiziert und die festgestellten Strukturprobleme erläutert. Die OECD will mit ihren Empfehlungen den Ländern helfen, über das Tagesgeschehen hinaus die längerfristigen Herausforderungen, etwa im Bereich der Umweltproblematik, zu erkennen und – was oft unterbleibt – Massnahmen einzuleiten. Im Kontext von «Global Governance» hat sie ihre Bemühungen verstärkt, den durch die Globalisierung freigesetzten beziehungsweise freizusetzenden Marktkräften einen ordnungspolitischen Rahmen zu geben.

Richard Senti analysiert die Bedeutung der Welthandelsorganisation (WTO) für die Schweiz. Die WTO ist insofern die Fortsetzung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), als sie dessen Grundregeln übernommen hat und institutionelles Dach für alte wie neue sektorielle Abkommen bleibt. Anderseits kann sie als Erweiterung des GATT gelten, weil die neue Ordnung der WTO neben dem Güterhandel auch den Handel mit Dienstleistungen und handelsrelevanten Eigentumsrechten umfasst. Senti vermittelt dem Leser einen guten Einblick in die Bedeutung der WTO für die Weltwirtschaft und legt die Rechte und Pflichten der Mitglieder dar – insbesondere jene, die die Schweiz betreffen, wobei er die historische Entwicklung einbaut mit dem Ziel, die Gegenwart und zukünftige Herausforderungen verstehen zu können. Ein klarer Vorteil für die Mitgliedstaaten liegt hier darin, dass sie unverzüglich und bedingungslos von jenen Zugeständnissen mitprofitieren, die einem Land gewährt werden. Dieser Vorteil verpflichtet anderseits auch die Schweiz, einem anderen Land gemachte Zugeständnisse im Güter- und Dienstleistungshandel und im Bereich der geistigen Eigentumsrechte unverzüglich und bedingungslos allen WTO-Staaten zu gewähren. Senti hält fest, dass die Öffnung der internationalen Dienstleistungsmärkte sowie Schutz vor Piraterie für die Schweiz ohne WTO kaum erreichbar wären. Eine eigentliche Hypothek für unser Land ortet er im allzu störrischen Festhalten am Agrarprotektionismus: «Die Agrarexportländer und die wirtschaftlich erstarkenden Entwicklungsländer werden kaum bereit sein, der Schweiz Handelskonzessionen zuzugestehen, wenn die Schweiz nicht willens ist, den für diese Länder interessanten Agrarmarkt zu öffnen.»

Heinz Hauser und Martin Gedult von Jungenfeld beschreiben auf wenigen Seiten die Bedeutung, und in einem Aufriss die Geschichte, des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank), die 1944 in Bretton Woods (New Hampshire, USA) gegründet wurden. Beide Institutionen ergänzen sich in ihrer Tätigkeit. Während der IMF sich vornehmlich für weltweit stabile Währungsverhältnisse, freien Handel und Zahlungsverkehr einsetzt, hat die Weltbankgruppe mit ihren fünf Teilorganisationen ihre Hauptaufgabe in der Armutsbekämpfung und Entwicklungsförderung. Der IMF gewährt Ländern in Zahlungsbilanzschwierig-keiten Kredite. Seit Mitte der 90er Jahre mussten diese Zuschüsse infolge krisenhafter Entwicklungen vor allem in Schwellenländern massiv erhöht werden. Wie nicht anders zu erwarten war, haben die Modalitäten dieser Hilfestellung zu starker Kritik am IMF geführt.

Im Lauf der Jahre hat sich die Zusammenarbeit zwischen IMF und der Weltbank-Gruppe wesentlich verstärkt, wobei die Zuständigkeit für makro-ökonomische und strukturelle Probleme grundsätzlich beim IMF liegt, während sich die Weltbank vor allem für die Armutsverringerung in wirtschaftlich schwachen Regionen einsetzt. Dazu hat sie ein Modell entwickelt, das die Schuldnerstaaten sowohl in die Programmverantwortung als auch in die langfristig wirkende, ganzheitliche Strategie der Armutsbekämpfung einbezieht. – In einem speziellen Kapitel beleuchten Hauser und Jungenfeld das Verhältnis der Schweiz zu den Bretton-Woods-Institutionen. Es lässt sich auf eine kurze Formel bringen: «Frühe Kooperation, später Beitritt» (im Jahre 1992).

Martin Rohner und Roy Suter befassen sich einerseits mit internationalen Entwicklungsorganisationen, anderseits mit der Mitgliedschaft und aktiven Mitarbeit unseres Landes in diesen Strukturen, die naturgemäss in engem Bezug zur schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit stehen: Rund ein Drittel unseres Entwicklungshilfebudgets von rund 450 Millionen Franken wird über diese Organisationen abgewickelt. Grundsätzlich liessen sich Weltbank und regionale Entwicklungsbanken (Afrikanische, Asiatische und Inter-Amerikanische Entwicklungsbank sowie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) unter einem Dach zusammenführen; neben dem IMF sind sie die wichtigsten Pfeiler der internationalen Finanzarchitektur. Gegen einen Zusammenschluss spricht indes die Tatsache, dass die regionalen Entwicklungsbanken stärker als die Weltbank auf die länderspezifischen Unterschiede eingehen und Reformen damit besser unterstützen können.

Mario Giovanoli widmet seine Ausführungen der einzigen internationalen Finanzinstitution mit Sitz in der Schweiz, nämlich der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Die BIZ war von Anfang an als Bank der Zentralbanken und als Forum für die Zusammenarbeit der Währungsbehörden gedacht. Sie ist überdies Treuhänderin und Agentin für internationale Finanzgeschäfte und wirkt als Zentrum für Währungs- und Wirtschaftsforschung. Nur Zentralbanken und Währungsbehörden können Mitglied werden, nicht aber Regierungen – ein Prinzip, das auf der (zumindest theoretisch) weltweit anerkannten Unabhängigkeit der Zentralbanken beruht. Die Schweizerische Nationalbank ist seit der Gründung 1930 Mitglied und nimmt an der Tätigkeit der BIZ teil – einer Tätigkeit, die aber nicht der Schweizerischen Bankengesetzgebung oder Bankenaufsicht untersteht. Durch die Zuteilung von Überbrückungskrediten hilft die BIZ finanziell gefährdeten Staaten, fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen. In diesem Sinne (und zugleich beratend) half sie bei der Umschuldung der Auslandsverbindlichkeiten u. a. von Brasilien (1993), Peru (1997) und der Elfenbeinküste (1998). Jeden zweiten Monat und an den Jahresversammlungen treffen sich die Präsidenten und weitere Vertreter von mehr als 100 Zentralbanken, um über Währungspolitik und die Stabilität der internationalen Finanzmärkte zu debattieren. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht dient diesen Repräsentanten als Diskussionsforum.

Christine Breining-Kaufmann schlies-slich diskutiert in ihrem Beitrag jene Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die nach dem Ersten Weltkrieg ins Leben gerufen worden war, um international gültige Arbeitsstandards zu schaffen und die sich heute als Schnittstelle zwischen Menschenrechten und internationalem Wirtschaftsrecht versteht. Die Delegationen der Mitgliedstaaten setzen sich aus Vertretern von Regierungen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen zusammen. Alle Menschen sollten, so eines der Ziele, ungeachtet ihrer Rasse, ihres Glaubens und ihres Geschlechts das Recht haben, «materiellen Wohlstand und geistige Freiheit in Würde, in wirtschaftlicher Sicherheit und unter gleich günstigen Bedingungen zu erstreben».

Fazit: Wer sich über Gründung, Aufgaben und Struktur dieser für die Schweiz wichtigen internationalen Organisationen ins Bild setzen will, greift mit diesem Buch zur zweckdienlichen Lektüre.

besprochen von WALTER BÜSCH. Der Ökonom lehrt und forscht im Bereich der Volks- und Betriebswissenschaftslehre.

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