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«Es ist faktisch ein Teilbeitritt zur Europäischen Union»

An einer Podiumsdiskussion in Luzern werden staatspolitische und wirtschaftliche Aspekte der neuen EU-Verträge gegeneinander abgewogen.

«Es ist faktisch ein Teilbeitritt zur Europäischen Union»
Bild: Lukas Leuzinger

Bringen die neuen Verträge mit der EU der Schweizer Wirtschaft mehr oder weniger Rechtssicherheit? Bringen sie wirtschaftlich unter dem Strich Vorteile? Und falls ja, wiegen diese die staatspolitischen Nachteile des Pakets auf?

Über diese Fragen diskutierten am Mittwochabend an der Universität Luzern der Staatsrechtler Paul Richli, die Ökonomin und Unternehmerin Alexandra Janssen sowie Stefan Brupbacher, Direktor des Industrieverbands Swissmem. Eingeladen hatte das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP).

In seinem einleitendenden Vortrag fokussierte Paul Richli auf die staatsrechtlichen Aspekte, über die er auch im Interview mit dem Schweizer Monat schon gesprochen hat. Die neuen Verträge würden laut Richli den Prozess, wer wie Recht für die Schweiz erlässt, grundlegend verändern. Am Beispiel des Agrarrechts erklärte er, dass Rechtsakte der EU künftig automatisch ins Schweizer Recht integriert würden. «Das europäische Recht wird als solches Teil der Schweizer Rechtsordnung.» Dann sei auch kein Vernehmlassungsverfahren mehr möglich.

Richli betonte, er begrüsse es, «dass ein Austausch stattfindet zwischen realer Wirtschaft und Recht». Diesen Austausch gab es dann in der folgenden Podiumsdiskussion. Stefan Brupbacher betonte die wirtschaftlichen Vorteile der Verträge. Diese würden zu einem «massiven Bürokratieabbau» führen. Zugleich relativierte er die staatspolitischen Bedenken. «Wir haben hier eine extrem theoretische Diskussion», sagte er. Diese sei zwar intellektuell spannend. «Aber reden wir auch darüber, was in unserem realen Leben relevant ist.» Das Vernehmlassungsverfahren werde überschätzt: Die Schweizer Unternehmen würden sich schon heute über europäische Verbände in den EU-Gesetzgebungsprozess einbringen.

Alexandra Janssen hielt Brupbacher entgegen, er überhöhe die wirtschaftliche Bedeutung der Verträge. Selbst der Schweizer Medtech-Verband, der das Paket befürworte, beziffere den Produktivitätsgewinn auf lediglich 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Grund, warum es der Schweiz wirtschaftlich gut gehe, seien eher helvetische Institutionen wie Föderalismus und Subsidiarität. «Langfristig wird unser Wohlstand verloren gehen, wenn wir uns zu stark an die EU ketten.»

Brupbacher führte zudem die Rechtssicherheit ins Feld und erinnerte daran, dass die Schweiz das Bankgeheimnis aufgebe musste, weil sie von der OECD auf eine schwarze Liste gesetzt worden war. «Da ist mir ein Streitschlichtungsmechanismus viel lieber als das reine Faustrecht.»

Paul Richli entgegnete, man müsse auch darüber nachdenken, wie die EU in fünfzig Jahren aussehen werde. «Die Rechtsunsicherheit würde mit den Verträgen zwar für jetzt beseitigt. Aber sie wird nicht beseitigt in Bezug auf die Entwicklung der EU.» Er erklärte zwar, er habe noch nicht entschieden, wie er abstimmen werde; seine Skepsis war dennoch unüberhörbar. Das Paket sei «faktisch ein Teilbeitritt zur Europäischen Union». (Lukas Leuzinger)

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