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Warum ich als hoher Militär mit Anarchisten sympathisiere

Die Anarchie wird mit Gewalt und Chaos in Verbindung gebracht. Das ist jedoch ein Missverständnis: Tatsächlich ist sie der Pfad zur Freiheit.

Warum ich als hoher Militär mit Anarchisten sympathisiere
Bild: reddit/@r/pics.

Anarchie steht im allgemeinen Verständnis für Chaos, Gewalt, Plünderungen und das Recht des Stärkeren. Wenn wir «Anarchie» hören, sehen wir vor unserem inneren Auge brennende Häuser und denken an eine dystopische Zukunft wie in Filmen wie «Mad Max». Aber das ist völlig falsch.

Etymologisch leitet sich der Begriff Anarchie vom griechischen αναρχία (anarchia) ab; «an» bedeutet «ohne» und «archia» «Herrschaft». Anarchie ist also grundsätzlich durch die Abwesenheit von Herrschaft definiert, nicht durch die Absenz von Regeln. Was ist so schlimm daran, keine Herrscher zu haben? Brauchen Sie wirklich jemanden, der Ihnen sagt, was Sie tun und wie Sie Ihr Leben leben sollen? Wenn Sie Ja sagen – was ich bezweifle –, geben Sie zu, dass Sie sich selbst für eine unzuverlässige Person halten, die nicht in der Lage ist, gute Entscheidungen zu treffen, und deshalb einen Herrscher braucht. Interessant ist, dass kaum jemand der Meinung ist, dass er einen Herrscher braucht, die meisten glauben aber, dass die anderen Menschen einen solchen brauchen. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen Überlegenheitsillusion.

Viele fragen mich, warum ich mich als Oberst in der Schweizer Armee für anarchistische Ideen interessiere und für minimale Regierung eintrete. Vielleicht liegt es daran, dass ich in Biel aufgewachsen bin, zwischen Saint-Imier und Bern. Saint-Imier war im späten 19. Jahrhundert eine Hochburg des europäischen Anarchismus, insbesondere während des Kongresses von Saint-Imier 1872, als Michail Bakunin und andere Anarchisten die Anarchistische Internationale gründeten. Bern hingegen ist der Sitz der Schweizer Regierung. Als Bieler befinde ich mich geografisch und philosophisch zwischen diesen beiden Welten – ich sympathisiere mit den Idealen des Anarchismus und bin gleichzeitig dem Schutz eines Landes verpflichtet, das bei genauer Betrachtung einige anarchistische Prinzipien in seiner dezentralisierten, von Bürgern kontrollierten Regierung verkörpert.

«Ich sympathisiere mit den Idealen des Anarchismus und bin gleichzeitig dem Schutz eines Landes verpflichtet, das bei genauer Betrachtung einige anarchistische Prinzipien in seiner dezentralisierten,

von Bürgern kontrollierten Regierung verkörpert.»

Unsere Armee besteht aus einer Miliz, was bedeutet, dass sie aus Bürgersoldaten besteht. Die Schweizer Armee ist somit kein Berufsheer. Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass wir eine reine Verteidigungsarmee haben und sich unser Land der Neutralität verpflichtet hat, garantieren, dass unsere Armee vom Volk für das Volk ist und nicht als Instrument der Machtpolitik dient.

Anarchie neu zu denken bedeutet, über Missverständnisse von Chaos und Gewalt hinauszugehen und ihre wahre Philosophie zu verstehen. Anarchie bedeutet, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Individuen frei ohne zentrale Autorität leben, Freiwilligkeit, gegenseitige Hilfe und Selbstverwaltung fördern. Diese Ideologie steht den Prinzipien des klassischen Liberalismus und des freien Marktkapitalismus nahe und bietet einen potenziellen Weg zu einer gerechteren und wohlhabenderen Welt.

Der kapitalistische Weg zur Anarchie

Eine faszinierende Idee ist, dass eine rein kapitalistische Gesellschaft, die von den Prinzipien des freien Marktes und freiwilligen Austauschs geleitet wird, sich zu einer anarchistischen Gesellschaft entwickeln könnte. In einem freien Markt erkennen echte Kapitalisten, dass ihr langfristiger Erfolg von einer florierenden Gesellschaft abhängt. Profitables Wirtschaften ist nur in einer Gesellschaft möglich, in der es den Menschen gut geht. In einer Gesellschaft, in der die Menschen arm sind, können sie nicht konsumieren, und die Wirtschaft kann nicht gedeihen. Das Bild des gierigen Kapitalisten ist eine sozialistische Mär.

«Eine faszinierende Idee ist, dass eine rein kapitalistische Gesellschaft, die von den Prinzipien des freien Marktes und freiwilligen

Austauschs geleitet wird, sich zu einer anarchistischen

Gesellschaft entwickeln könnte.»

Wahre Kapitalisten sind nicht an Monopolen interessiert. Adam Smith warnte in seinem Werk «Der Wohlstand der Nationen» vor Monopolen: «Die Monopolisten, indem sie den Markt ständig unterversorgen, (…) verkaufen ihre Waren weit über dem natürlichen Preis.» Echter Wettbewerb und ein florierender Markt sind wesentliche Grundlagen für die Gesundheit des Kapitalismus.

Ein wahrer Kapitalist versteht, dass ein nachhaltiges, profitables Geschäft erfordert, in das Wohl der Gesellschaft zu investieren. Wie John Mackey, Mitgründer der Supermarktkette Whole Foods, sagte: «Das aufgeklärte Unternehmen sollte versuchen, für alle seine Interessengruppen Wert zu schaffen.» Diese Perspektive steht im Einklang mit dem anarchistischen Prinzip der gegenseitigen Hilfe.

Historische Missverständnisse

Historisch wurden Anarchisten oft zu Unrecht beschuldigt. Ein prominentes Beispiel ist der Haymarket-Aufruhr 1886 in Chicago, als ein friedlicher Protest in Gewalt umschlug. Trotz mangelnder Beweise wurden acht Anarchisten verhaftet und vier von ihnen hingerichtet. Dieses Ereignis zeigt, wie anarchistische Bewegungen oft missverstanden und ungerecht behandelt wurden, was das Bild von Anarchie als chaotisch und gewalttätig festigte.

Es ist Zeit, unsere Vorstellungen von Anarchie zu überdenken. Anarchie bietet eine Vision einer freien und kooperativen Gesellschaft. Durch freiwillige Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe können wir eine Gesellschaft schaffen, in der jeder ohne unterdrückende Strukturen gedeihen kann. Nutzen wir das Potenzial der Anarchie, um eine gerechtere und wohlhabendere Welt zu schaffen.

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