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Fleiss wird heute mit Argwohn betrachtet – dabei ist er der Schlüssel zu einem besseren Leben

Wer sich anstrengt, sollte belohnt werden. Doch oft passiert das Gegenteil.

Fleiss wird heute mit Argwohn betrachtet – dabei ist er der Schlüssel zu einem besseren Leben
Illustration von Illustrateuse (Christina Baeriswyl), illustrateuse.ch.

«Ohne Fleiss kein Preis!», besagt ein altes Sprichwort. Hat es auch heute noch Gültigkeit, um im Beruf, in der Schule, in der Ausbildung, im Kulturellen, in der Politik und nicht zuletzt auch im Privaten Erfolg zu haben? Ja!

Ein fleissiger Mensch setzt sich mit voller Kraft und Engagement für etwas Bestimmtes ein, um sein Ziel zu erreichen. Oft angetrieben von einer Passion, kennt er für seinen Einsatz keine Grenzen.

«Nichts ist gratis im Leben», besagt ein anderes Sprichwort. Das gilt auch für Fleiss. Wer leidenschaftlich arbeitet, bezahlt mit Verzicht und Erbringung von Opfern. Das kann heissen: weniger Zeit für Freundschaften, weniger Zeit für Kinder und Familie, auch weniger Zeit, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Weshalb tut es der fleissige Mensch trotzdem? Weil er davon ausgeht, dass sein Ziel mit einem Nutzen verbunden ist: ein besseres Leben, mehr Wohlstand, mehr Anerkennung, mehr Unabhängigkeit, mehr Freiheit und, was oft vergessen wird, eine persönliche innere Befriedigung, dass sich sein Einsatz ­gelohnt hat. Davon profitiert auf Dauer auch das private und gesellschaftliche Umfeld.

Fleiss wird heute meist negativ konnotiert. «Er ist halt ein Streber!», heisst es oft. Wer möchte schon als Ehrgeizling, Aufsteiger und Musterschüler betitelt werden? Darf man heute noch «schuften» und sich für eine Sache dauerhaft richtig ins Zeug legen? Entspricht dies noch den Bedürfnissen eines jungen Menschen oder eines modernen, berufstätigen Ehepaars? Das Zauberwort heute heisst «Work-Life-Balance». Eine solche können wir uns aber nur erlauben, weil wir in einer westlichen Wohlstandsgesellschaft leben und immer mehr Aufgaben und Ausgaben dem Staat übertragen werden.

Der Mainstream tendiert immer stärker zu diesem «Work-Life-Balance»-Denken; auch Arbeitgeber geraten immer mehr unter Druck. Ich habe grundsätzlich Mühe mit dem Mainstream­. Denn meist möchte eine kleine Gruppe über die Mehrheit ­bestimmen. Mit dankbarer Unterstützung der meisten Medien erhält diese Minderheit eine unüberhörbar grosse Stimme. Ihre Argumente sind von Angst geprägt und moralisch aufgeladen. Diejenigen jedoch, die sich mutig aus der Ecke trauen und dagegen aussprechen, erhalten entweder kein Gehör oder werden als altbacken, unmodern und unmoralisch abgestempelt und nicht zuletzt in eine politische Ecke gestellt oder sogar «gecancelt».

Zurück zum Fleiss. Ich möchte keineswegs den Eindruck ­erwecken, dass sich sämtliche jungen Menschen einem Mainstream unterwerfen und sich nur einer «Work-Life-Balance» ­zugetan fühlen. Ich kenne viele junge Menschen, die fleissig ­arbeiten, ein Studium abgeschlossen haben und eine Karriere anstreben. Sie sind sich bewusst, dass die Konkurrenz nicht schläft. Das wissen vor allem jene, die im Ausland studiert haben und mit Kulturen vertraut sind, welche die Leute auf Fleiss trimmen und ihnen eintrichtern, dass im Fleiss der Schlüssel für ein erfolgreiches Leben liege. Dazu gehören vor allem die asiatischen Staaten mit China an der Spitze. Oft füllen diese Menschen das Vakuum im westlichen Wirtschaftssystem, das durch eigene Bürger nicht mehr gefüllt werden kann. Auch in der Schweiz sind Führungspositionen je länger, je mehr von ausländischen Managern besetzt. Das sollte uns allen zu denken geben.

Jeder Mensch, in welcher Lebensphase auch immer, kann sich für sein eigenes Lebensmodell freiwillig und selbst­bestimmt entscheiden. Nur dürfen diejenigen, die weniger fleissig sind und beispielsweise lieber mehr Hobbys und Freizeit geniessen möchten, nicht dieselben Ansprüche stellen wie diejenigen, die dank Fleiss und Strebsamkeit ein materiell «besseres» Leben führen können. Es darf auch nicht sein, dass die Fleissigen stärker besteuert werden und letztlich diejenigen ­finanziell unterstützen müssen, die freiwillig ein anderes ­Lebensmodell gewählt haben. Ich bin geneigt zu behaupten, dass in der Stadt Zürich, die über ein riesiges Steuersubstrat verfügt, dies bereits der Fall ist.

Auf die Gefahr hin, vom Mainstream «gecancelt» zu werden, stehe ich zu meiner Überzeugung: Ohne Fleiss kein Preis!

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