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Zwischen Gebern, Gesellschaft und Staat

Zur Entmystifizierung des Stiftungswesens

Gemeinnützige Stiftungen (und wohl auch Mäzene) sind Projektionsflächen für viele Menschen. Was wird nicht alles in sie hineininterpretiert! Reich sind sie. Geheimnisumwoben sind sie. Alles fördern sie. Stiftungsratsmandate sind Sinekuren. Und war da nicht noch das Thema der Steueroptimierung? Gewiss, einige dieser Vorurteile sind den Stiftungen selber anzulasten, bekunden doch viele von ihnen immer noch Mühe, die Methodiken ihrer Arbeit publikzumachen – oder ihre Eckdaten öffentlich. Was steckt aber wirklich hinter den Unterstellungen?

Als erstes wäre mit dem Mythos aufzuräumen, eine Stiftung eigne sich als Steuersparvehikel für den Stifter. Einmal eingelegte Finanzmittel oder Sachwerte bleiben als nicht rückübertragbares Kapital für immer in der Stiftung. Oftmals erfolgt die substantielle Dotierung einer Stiftung auch erst beim Ableben des Stifters, was dann direkte Auswirkungen auf die Fliessrichtung seiner Erbmasse hat: weg von den gesetzlichen Erben, hin zur gemeinnützig orientierten Stiftung. Diese Einschätzungen bestätigen seit Jahren Stifterstudien1 aus Deutschland und der Schweiz: Beide attestieren Steueraspekten bei der Stiftungsgründung durch natürliche Personen eine nur sehr untergeordnete Bedeutung.

Oft wird Stiftern auch vorgehalten, dass ihre «eigene» Stiftung bloss der Selbstprofilierung diene. Abgesehen davon, dass der mit dem Stifter verbundene Stiftungsname zur Transparenz der Mittelherkunft beiträgt, scheint mir dieser Gedanke wichtig: Stiften bedeutet seit jeher nicht nur, Ideen für die Zukunft zu denken, sondern auch persönliche Lebensspuren zu hinterlassen. Eine Stiftung kann kraftvoll arbeiten, wenn sie die Persönlichkeit des Stifters spiegelt, vielleicht auch seine eigenen Werte und Interessen, vor allem aber wenn sie ihre Tätigkeit ganz in den Dienst ihres formulierten Förderthemas stellt und den damit verbundenen Anspruchsgruppen widmet. Ohne gründliche Strategiediskussionen – vor der Gründung und auch danach – findet eine Stiftung kaum auf die Strasse des Erfolgs. Und dieser misst sich natürlich an ihren Resultaten, nämlich an den mit Stiftungsmitteln erreichten Veränderungen.

Ein zentrales Anliegen vieler Stifter ist gemäss den erwähnten Stifterstudien das Verfolgen von Anliegen, die die öffentliche Hand als nicht prioritär erachtet. Auch die Überzeugung, eine Stiftung könne bestimmte Probleme effizienter und effektiver lösen als ein staatlicher Akteur, ist für viele ein Antreiber zur Gründung einer Stiftung. Dabei muss man sich freilich bewusst sein, dass in der Schweiz «der Staat» in quasi allen Förderbereichen und -themen bereits präsent ist. Für viele Stiftungen mit starren Reglementierungen ist es deshalb gar nicht so einfach, zu einer Förderstrategie zu finden, die eigenständig ist und nicht bloss komplementär zum Handeln des Staates. Dies hängt auch mit den Prinzipien der Subsidiarität und der direkten Demokratie unseres Landes zusammen.

Wohl deshalb existieren hierzulande auch keine «Bürgerstiftungen», wie sie in Deutschland verbreitet sind. Ebenso wenig gibt es in unserem Land überregionale Grossprojekte im engen Zusammenspiel von Förderstiftungen, Bürgerstiftungen, Sponsoren und Privatspendern respektive von öffentlichen Instanzen auf allen Staatsebenen. Als Privatstiftung staatlichen Stellen (oder öffentlich finanzierten Grossinstituten) auf Augenhöhe begegnen zu können, ist in der Schweiz deshalb gar nicht so selbstverständlich. Der Leidensdruck für Exponenten der öffentlichen Hand, der die Bereitschaft zur Kooperation mit privaten Förderern bringen würde, ist offenbar noch nicht gross genug.

Glücklich also das Land, das seinem grossen dritten Sektor nur die Fördernischen überlassen will. Herausfordernd für die Stiftungen, dabei relevante Handlungsfelder gleichwohl zu besetzen. Dringend für die Politik, die Rahmenbedingungen für unsere Stifter und Stiftungen liberal zu belassen.


Benno Schubiger
war Direktor der Sophie und Karl Binding Stiftung und Gründungspräsident von SwissFoundations. Heute ist er Partner von Schubiger arts’n’funds, Beratungen und Projekte.


1 Vgl. Karsten Timmer: Stiften in Deutschland. Gütersloh: Bertelsmann-Stiftung, 2005. / Bernd Helmig und Beat Hunziker: Stiften in der Schweiz. Basel: Gebert-Rüf-Stiftung, 2006.

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