Zurück zum «guten Geld»
Das heutige Geldsystem enteigne den kleinen Mann und verschärfe die Ungleichheit, kritisiert Benjamin Mudlack. Er fordert eine Rückkehr der Stabilität vergangener Tage.
Vor einem knappen Jahr schien sich kaum jemand Gedanken über die Wertstabilität des Geldes zu machen. An breitflächige Teuerungsschübe erinnerten sich – zumindest in westlichen Staaten — höchstens noch ältere Semester. Kritik am staatlichen Papiergeld gab es kaum.
Das hat sich in den letzten Monaten geändert: Mit der Rückkehr der Inflation sind sich viele plötzlich nicht mehr ganz sicher, welchen Wert ihr Papiergeld eigentlich hat. Auch Benjamin Mudlack nicht: Der gelernte Bankkaufmann und Wirtschaftsinformatiker hat mit seinem Buch «Geldzeitenwende» (Lichtschlag-Buchverlag, 2021) eine Fundamentalkritik am heutigen Geldsystem verfasst. Er kommt zu einem vernichtenden Urteil: Die Zeiten des «guten Geldes» seien vorbei – stattdessen zementiere das moderne Geldsystem bestehende Machtverhältnisse und verschärfe wirtschaftliche Ungleichheiten. Mit Grafiken zeigt Mudlack, dass der Kaufkraftverlust nicht erst nach der Coronapandemie einsetzte, sondern bereits 1971 nach der formalen Aufhebung der Golddeckung des US-Dollars Fahrt aufnahm. Mudlack behandelt das Jahr 1971 als einen Epochenwechsel: Seither hätten sich in den USA die Einkommen der unteren 90 Prozent der Einkommensverteilung rückläufig entwickelt, jene des obersten Prozents hingegen seien um fast 250 Prozent gewachsen. Es sei ein grosses Versagen der Gewerkschaften und Sozialpolitiker, dass sie den schädlichen Einfluss des ungedeckten Papiergelds bis heute nie thematisiert hätten.
Zum Schluss des Buches präsentiert Mudlack Lösungsvorschläge, wie eine Rückkehr zum «guten Geld» aussehen könnte. Er wünscht sich ein Währungssystem, das wieder auf einer Volldeckung, beispielsweise durch Gold, beruht. Unterschiedliche Geldsysteme sollen im freien Wettbewerb miteinander konkurrieren, Zentralbanken sollen abgeschafft werden. Über wirtschaftspolitische Implikationen, die solche Massnahmen mit sich bringen würden, hält sich Mudlack kurz. Es ist strittig, ob Mudlack dem Goldstandard nicht allzu blauäugig nachtrauert: Der Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen etwa beschreibt in seinem Werk «Golden Fetters» (Oxford University Press, 1996), wie die starre Bindung des Geldes an das Gold eine geldpolitische Antwort auf eine Rezession blockierte und so die grosse Depression der frühen 1930ern entscheidend mitverursachte. Wie sähe in einer modernen, globalisierten und krisenanfälligen Welt eine stabilisierende Wirtschaftspolitik aus, wenn auf die Mittel der Geldpolitik verzichtet würde? Eine ausführlichere Klärung dieser Frage in einem Folgewerk wäre von Interesse. (jb)