Zur Schicksalsanalyse Leopold Szondis
Die Schicksalsanalyse Leopold Szondis gilt als dritte tiefenpsychologische Schule, neben der Psychoanalyse Sigmund Freuds und der Analytischen Psychologie Carl Gustavs Jungs. Szondi wollte die familiären Zwangsschicksale und Wiederholungszwänge bewusst machen, damit der einzelne Mensch sein Leben freier und humanisierter gestalten könne.
Leopold Szondi wurde 1893 als Lipót Sonnenschein in
der ehemals ungarischen Stadt Nyitra, heute slowakisch
Nitra, geboren. Existenznot zwang die Familie mit neun
Kindern 1898 zum Umzug nach Budapest. Hier ging Szondi
zur Schule, bestand 1911 die Matura, absolvierte sein
Medizinstudium, das er wegen Sanitätsdiensten an vorderster
Kriegsfront unterbrechen musste, und war von 1919
bis 1926 wissenschaftlicher Mitarbeiter des renommierten
Experimentalpsychologen, Arztes und Heilpädagogen Pál
Ranschburg. Aufgrund umfangreicher Familienforschungen
und erbstatistischer Untersuchungen erarbeitete Szondi
eine neue Th eorie der Krankheits- und Partnerwahl sowie
eine eigene Triebpsychologie und führte 1937 mit seiner
Veröff entlichung «Analysis of Marriages. An attempt at a
theory of choice in love» eine neue Th eorie der menschlichen
Wahlhandlungen in die Psychologie ein. Sie lässt die
schicksalprägenden Wahlen des Menschen, wie die Wahl
von Partnern, Freunden, des Berufes, der Krankheit und
selbst der Todesart in einem völlig neuen Licht erscheinen.
Hochangesehen wirkte Szondi von 1927 bis 1941 als
Professor und Leiter des eigens für ihn geschaff enen Königlich-
Ungarischen Staatlichen Heilpädagogischen Forschungs-
Laboratoriums für Psychopathologie und Psychotherapie
an der Hochschule für Heilpädagogik in Budapest.
1926 heiratete er Lili (Ilona) Radványi. 1928 wurde seine
Tochter Vera geboren, 1929 sein Sohn Peter, der später international
bekannte Literaturwissenschafter.
1941 führten die antijüdischen Berufsverbote dazu, dass
Szondi alle staatlichen Stellen und alle Titel in Lehre und
Forschung verlor. Mit seiner Familie wurde er am 29. Juni
1944 in das Lager Bergen-Belsen deportiert. Am 6. Dezember
1944 wurde er mit seiner Familie befreit und konnte in
die Schweiz einreisen. Ab 1946 hatte er seinen Wohnsitz in
Zürich und erhielt 1959 das Schweizer Bürgerrecht. Hier
eröff nete er 1970 das Lehr- und Forschungsinstitut für Allgemeine
Tiefenpsychologie und speziell für Schicksalspsychologie.
Am 24. Januar 1986 verstarb Leopold Szondi.
Die Wahltheorie Szondis bereitete ein neues wissenschaftliches
Paradigma vor, das die Bildung einer neuen Disziplin
innerhalb der Tiefenpsychologie, nämlich der Schicksalsanalyse
(fate analysis), einläuten sollte. Ein zentraler Begriff ist
der «Genotropismus». Szondi versteht darunter eine von den
Genen ausgehende Kraft, die Menschen mit gleichen oder
verwandten Erbanlagen zueinander zieht und ihre wechselseitige
Bindung in Liebe und Freundschaft bewirkt und aufrechterhält.
Die Anziehung genverwandter Menschen wurzelt
letztlich im Bestreben einzelner Gene, sich im Wettstreit
mit anderen Genen durchzusetzen und generationenübergreifend
Einfl uss auf familiäre Lebensmuster zu nehmen.
Erst mit der Soziobiologie Edward Osborne Wilsons trat
in den späten siebziger Jahren eine Wissenschaftsrichtung
auf, deren Perspektive die Genotropismus-Hypothese auch
ausserhalb der Tiefenpsychologie als sinnvoll erscheinen lässt.
Wissenschaftshistorisch gewürdigt, zählt Szondi zu den Vordenkern
der modernen Soziobiologie. Seine heute fast schon
vergessenen Ausführungen über den genischen Fahrplan des
Menschen, der bereits vor der Zeugung beginnt, sowie die
Konzeption vom Kampf und Wettstreit zwischen den Genen
rücken in erstaunliche Nähe zu Analogien und Sprachfi guren,
die der Soziobiologe Richard Dawkins in seinem Buch
«Das egoistische Gen» (1976) verwendet. Szondi verstand,
ähnlich wie die Soziobiologie Jahrzehnte später, das Leben
des einzelnen Menschen in einem letztursächlichen, evolutionsmässigen
Sinn, da er die Menschen als unbewusste Mitspieler
des reproduktiven Eigennutzes der Gene betrachtet.
«Viele Menschen sagen: ‹Ich› wähle; die Schicksalsanalyse ist zu
einer anderen Formulierung gekommen: Nicht ‹ich› wähle, sondern
die latenten Gene wählen in mir.»
Der gametale Genotropismus soll bewirken, dass sich
künftige Eltern als Genverwandte erkennen und Erzeuger
und Erzeugerin zusammenfi nden. Ebenso sollen auch genotrope
Kräfte darüber entscheiden, zu welchem unserer
Kinder wir uns als Eltern und zu welchen Elternteilen wir
uns als Kinder am meisten hingezogen fühlen. Die schicksalprägenden
Wahlen in Freundschaft und Liebe, die Wahl von
Beruf, Erkrankungs- und Todesart sind nach Szondi weitere
Stationen des genischen Fahrplanes eines Menschenlebens.
Bei der Frage, wie Menschen bzw. Gene es schaff en,
Genverwandte zu identifi zieren, war Szondi der Meinung,
dass sich die Genverwandtschaft im Gesichtsausdruck niederschlägt
und sich deshalb Genverwandte vor allem über
die Physiognomie erkennen. Er entwickelte zwischen 1937
und 1939 einen sogenannten Geno-Test, später bekannter
unter dem Namen «Experimentelle Triebdiagnostik» oder
«Szondi-Test». Bei der Testuntersuchung werden Personen
eingeladen, aus insgesamt 48 Bildern von triebkranken Menschen
jeweils die zwei sympathischsten und die zwei unsympathischsten
zu wählen. Szondi war nach vielen Jahren des
Experimentierens überzeugt, dass Gesichtsporträts von Menschen,
die in bestimmten Triebbereichen eine extreme Triebdynamik
aufweisen, auf gesunde oder kranke genverwandte
Testpersonen einen starken Auff orderungscharakter ausüben
und die Wahl der Bilder massgebend beeinfl ussen.
Im Genotropismus erkannte Szondi das Funktions- und
Gestaltungsprinzip des von ihm ab 1942 postulierten familiären
Unbewussten, das er dem unbewussten menschlichen
Schicksalsplan zuordnete. Damit gelang es ihm, seine
Schicksalsanalyse an die Psychoanalyse von Sigmund Freud
mit ihrem persönlichen Unbewussten und an die Analytische
Psychologie des Zürcher Forschers Carl Gustav Jung
mit ihrem kollektiven Unbewussten anzuschliessen. Mit der
Konzeption des familiären Unbewussten verbindet sich das
therapeutische Anliegen des lenkbaren Fatalismus. Diese
Lenkbarkeit wird möglich, wenn die unbewussten Schicksalspläne
bewusst gemacht werden und wenn nach Spielräumen
gesucht wird, innerhalb derer das individuelle Schicksal
frei gestaltet werden kann.
Ab 1946 entwickelte Szondi in Zürich, als Privatgelehrter
vom hiesigen universitären Forschungsbetrieb schmerzlich
isoliert, sein Triebsystem und die experimentelle Triebdiagnostik
weiter. 1954 diff erenzierte er seinen bisherigen, in
Budapest konzipierten Schicksalsbegriff , um der bio-psychosozialen
und geistigen Ganzheit des Menschen gerechter zu
werden.
Szondi unterschied jetzt neu zwischen Zwangs- und Freiheitsschicksal.
Ichloses, blindes Ausagieren von erbgelenkten
Lebensmustern, von verinnerlichten, erstarrten sozialen
Normen und Überzeugungen führt zum Zwangsschicksal.
Überdies verfallen Menschen allzuleicht dann einem
Zwangsschicksal, wenn sie ihre Seinsansprüche (Seinsmacht)
völlig auf ihre eigene Person, auf ihr Selbst, versammeln
und konzentrieren. Solche Menschen blasen sich auf und
zerbrechen ob ihrer eigenen Seinsmacht. Auch eine einseitige
Übertragung des eigenen Seinsanspruches auf andere
Menschen führt allzuoft dazu, dass diese die empfangene
Seinsmacht nicht ertragen und ebenso ein Zwangsschicksal
erleiden.
In der angeborenen Fähigkeit des Menschen, mit einer
geistigen, transpersonalen Seinsdimension eine partizipative
Verbindung aufzunehmen, erblickte Szondi den Schlüssel
für das Freiheitsschicksal. Aufgrund seiner psychotherapeutischen
und zeitgeschichtlichen Erfahrungen war er zu der
Einsicht gelangt, dass letztlich nur ein geistiges, transpersonales
Partizipationsobjekt für Menschen zuträglich ist. Szondi
zeigte keine Scheu, dieses geistige Partizipationsobjekt
Gott zu nennen. Nur geistige Instanzen von hoher integrativer,
selbst Polaritäten überbrückender Kapazität, ertragen
auf die Dauer die auf sie projizierten Seinsmacht-Ansprüche
des Menschen. An der auf sie übertragenen Seinsmacht und
Seinsfülle kann der Mensch durch die Fähigkeit zur Partizipation
wiederum teilhaben. Nur eine proportionale, dem
einzelnen angemessene Verteilung der Seinsmacht auf leib
und triebnahe, materielle, menschliche und geistige Übertragungsobjekte
führt nach Szondi zu einem Freiheitsschicksal.
1956 entstand sein Hauptwerk «Ich-Analyse». Darin
fi nden sich neue Zugänge zum Verständnis psychotherapeutisch
relevanter Phänomene, wie des Schlaftraumes, des
Wahns und von Übertragungsformen, die alle auf dem Bedürfnis
nach Partizipation und Einssein beruhen. Weiter
beschreibt Szondi das sogenannte Pontifex-Ich (übersetzt
Brückenbauer-Ich), die Idealform eines Menschen mit
hohen integrativen, partizipatorischen und transzendierenden
Fähigkeiten. Auf seinem Weg zur Mensch-Werdung
(Humanisation) wandelt sich das Bewusstsein eines
integrierten Menschen von einer dualisierenden Entweder-
oder-Haltung zu einer Sowohl-als-auch-Orientierung,
die einseitige und dogmatisierende Identifi zierungen mit
Meinungspositionen, Schul- und Lehrmeinungen meidet.
Ein Mensch, der wenigstens zeitweise zur integrativen Reife
eines Pontifex-Ichs gelangt, hält das stete Unterwegssein
zwischen seelischen Polen aus und transzendiert zu guter
Letzt seelische Polaritäten in eine sie überbrückende Einheit.
Die beim Übersteigen und Überbrücken von Polaritäten
und Dualismen gewonnene und erfahrene Freiheit
ist nach Szondi Inbegriff des Freiheitsschicksals und der
Humanität.
In der Idee des Pontifex-Ichs wurzelt das zentrale Anliegen
der Ich-Analyse, die verschiedenen tiefenpsychologischen
Schulen und Richtungen in eine Allgemeine Tiefenpsychologie
zu integrieren, ohne die Unterschiede der
Denkrichtungen zu verwischen. Szondi wünschte sich deshalb
an seinem Ausbildungsinstitut in Zürich eine multidimensionale
Ausbildung, in der Vertreter der Psychoanalyse,
der Analytischen Psychologie nach C.G. Jung und
der Schicksalsanalyse integrativ zusammenarbeiten. Szondi
wollte die Vielfalt psychotherapeutischer Perspektiven als
Manifestationen des einen, jedoch polyglotten Unbewussten
belassen.
Szondi verstand die einzelnen tiefenpsychologischen
Richtungen als eigentliche Sprachschulen, die auf die verschiedenen
Ausdrucks- und Kommunikationsformen der
menschlichen Seele spezialisiert sind. So ordnete er der Psychoanalyse
die Sprache der Symptome, der Analytischen Psychologie
nach C.G. Jung die Sprache der Symbole und der
Schicksalsanalyse die Sprache der Wahl zu.
Im Werk «Ich-Analyse» entfaltet sich das bereits in Budapest
erarbeitete Triebsystem zu einem komplexen Strukturschema
des menschlichen Trieblebens. Das Triebschema
ist geprägt durch die Zahl Vier. Es besteht aus vier Trieben,
acht Triebbedürfnissen mit je zwei Triebstrebungen. Der
Sexualtrieb besteht im Zusammenwirken der Bedürfnisse
nach sinnlicher und sublimierter Zärtlichkeit sowie nach
Aktivität und Hingabe. Der Überraschungstrieb wird von
Bedürfnissen und Strebungen des menschlichen Aff ektlebens
geprägt, die sich als Impulsivität, Wut, Angst und Gerechtigkeitssinn
sowie als Scham und Geltungsdrang manifestieren.
Der Ichtrieb beinhaltet die beiden Bedürfnisse nach Sein
und Haben, ebenso die Strebungen nach Ichausdehnung
(Infl ation), Teilhabe (Partizipation), nach seelischer Einverleibung
(Introjektion) und Verneinung (Negation). Der
Kontakttrieb umfasst die Bedürfnisse und Strebungen nach
Bindung, Ablösung, nach Verändern und Verharren. Für einen
Trieb ergeben sich 16, für alle vier Triebe insgesamt 64
Triebkonstellationen. Sie bilden nach Szondi die genetisch
verankerten Bausteine der menschlichen Schicksalspläne und
Existenzformen, die in den Triebprofi len der Experimentellen
Triebdiagnostik visualisiert und deutbar werden. Alle Bedürfnisse
und Strebungen stehen in einer polar-komplementären
Beziehung. In und zwischen den vier Trieben fi ndet
ein dialektisches Zusammenspiel der Triebbedürfnisse und
Triebstrebungen statt. Zu jedem sichtbar Vordergründigen
einer Person, dem Vordergänger, gehört polar ein unsichtbar
Hintergründiges, der Hintergänger. Vordergänger und
Hintergänger gehören als Aspekte der seelischen Ganzheit
untrennbar zusammen. Szondis Wirklichkeitsschau ist durch
die Erfahrung geprägt, dass in jedem komplementären Gegensatzpaar
(Polarität) die Pole dynamisch und untrennbar
aufeinander bezogen sind und eine Einheit bilden. So gilt es
nicht einseitig nach dem Guten zu streben und das Böse zu
bekämpfen, sondern vielmehr das Gute und Böse als zwei
Seiten der eigenen Ganzheit wahrzunehmen und sie in einem
dynamischen Gleichgewicht zu halten.
Das schicksalsanalytische Triebsystem erwies sich seit
seinen Anfängen als ausserordentlich integrativ. Szondi vermochte
nicht nur die Trieblehre, Bedürfnispsychologie und
Krankheitslehre der Psychoanalyse voll einzugliedern, sondern
brachte triebpsychologische Diff erenzierungen ein, die
sich gegenüber dem Triebsystem der frühen Psychoanalyse als
diff erenzierter und als der therapeutischen Praxis angemessener
erwiesen. So unterschied er, neben libidinös-sexuellen, auf
dem Sexualtrieb basierenden Bindungsformen, eigenständige,
dem Ichtrieb zugehörige partizipativ-verschmelzende Formen
der Bindung, in denen die Bedürfnisse nach Einssein und
Verwandtsein gelebt werden. Ebenso ordnete Szondi neu dem
eigenständigen Kontakttrieb Beziehungsformen zu, die geprägt
werden von den Bedürfnissen nach Angenommensein,
Anklammern, Halt, Sicherheit und Ernährtwerden.
Damit gelang es Szondi, neben den von Sigmund Freud
beschriebenen libidinösen Übertragungsbeziehungen auch
zahlreiche nichtlibidinöse Übertragungsbindungen zu unterscheiden,
die in den psychoanalytischen Selbstpsychologien
und Narzissmustheorien erst Jahrzehnte später als Selbstobjekt-
Übertragungen (Spiegelübertragung, Zwillingsübertragung,
idealisierende Verschmelzungsübertragung nach
Heinz Kohut) begriff en wurden.
Erst ab 1956 trat Szondi als Begründer einer eigenen
Schicksalsanalytischen Psychotherapie auf. Im Lehrbuch
«Schicksalsanalytische Th erapie» veröff entlichte er 1963 ein
breites Band von Methoden und Interventionsformen, die
er teilweise bereits in Budapest praktiziert hatte. Zentraler
Ausgangspunkt einer Schicksalstherapie ist die Mehrgenerationenperspektive.
Das familiäre Unbewusste bildet ein
unsichtbares Band, das alle Familienmitglieder vertikal,
über Generationen hinweg, an den Stromkreis der Ahnen
anschliesst. Es verbindet aber auch horizontal die noch lebenden
Mitglieder einer Familie. Durch die vertikalen und
horizontalen Verbindungen bilden die Familienmitglieder
ein aff ektiv hochbesetztes Netzwerk. Die Schicksalsanalyse
betrachtet den einzelnen Menschen nicht als isoliertes
Individuum, sondern eingebettet in den sichtbaren und
unsichtbaren, das ganze Leben begleitenden Kontext von
Herkunftsfamilie und Anverwandtschaft. In der Mehrgenerationenperspektive
Szondis werden Verstrickungen, Erwartungen,
Verdienste, Schulden, Loyalitätsverpfl ichtungen,
aber auch Ressourcen und Stärken erkennbar, die sich über
Generationen hinziehen.
Szondi verstand den einzelnen Menschen als Träger und
Teilhaber einer familiären Ko-evolution, als Verwalter eines
generationenübergreifenden Ideenerbes (mentales Schicksal).
Für dessen Erhaltung, Entfaltung und Weitergabe sind wir
nach Szondi verantwortlich. Eine bewusste, vom Ich gewählte
Übernahme dieser Verantwortung vermittelt Lebenssinn,
familiäre Identität und Solidarität und führt nach Szondi zu
einem Wahl- oder Freiheitsschicksal. Werden die familiären
Aufträge und Erwartungen jedoch unbewusst übernommen
und in blindem Zwang ausgelebt, behindern, ja unterbinden
sie allzu leicht die Selbstentfaltung des einzelnen Familienmitgliedes.
Damit verfällt ein Familienmitglied dem familiären
Wiederholungszwang und einem familiären Zwangsschicksal,
das mit dem Erleben einhergeht, nicht das eigene
Leben zu führen.
Angebracht erscheint eine Schicksalstherapie bei Menschen,
die sich gezwungen fühlen, Lebensmuster von Vorfahren
und Ahnen ungefragt zu wiederholen. In einer Schicksalstherapie
gilt es deshalb, sich den folgenden Fragen zu stellen:
Was ist mein familiäres Zwangsschicksal? Was will ich vom
Familienerbe und von den Anliegen meiner Familie weiterführen
(familiäre Identifi zierung)? Was will ich auf keinen
Fall weiterreichen (familiäre Negation)? Was will ich von den
Einseitigkeiten und Übertreibungen in meiner Familie verändern?
Wie will ich im Kontext des familiären Erbes mein individuelles
Leben selbstbestimmend gestalten (Wahlschicksal)?
Das Szondi-Institut an der Krähbühlstrasse 30 in Zürich ist
weltweit das einzige Institut mit diesem Namen (www.szondi.
ch). Es versteht sich als Zentrum der Schicksalsanalytiker.
Kontakte reichen nach Belgien, wo sich an der Universität Löwen
ein Lehrstuhl für Schicksalsanalyse befi ndet, weiter nach
Deutschland, Finnland, Frankreich, Japan, Mexiko, Polen,
Portugal, Schweden, Rumänien, Russland, in die Slowakei,
nach Ungarn und in die USA. Schicksalsanalytiker sind in
der «Internationalen Szondi-Gesellschaft» (ISG) und in der
«Schweizerischen Gesellschaft für Schicksalsanalytische Th erapie
» (SGST) organisiert. Als Ausbildungsinstitut vermittelt
das Institut Ausbildungsgänge für Schicksalsanalytische Psychotherapie
und Angewandte Schicksalspsychologische Beratung.
Das Szondi-Institut ist Mitglied der Schweizer Charta
für Psychotherapie. Voraussetzung einer psychotherapeutischen
Spezialausbildung ist ein Hochschulabschluss, in der
Regel im Hauptfach Psychologie. Das schicksalsanalytische
Ausbildungscurriculum entspricht den von den Kantonen
verlangten Anforderungen an die Ausbildung von Psychotherapeuten.
Die Ausbildung in Schicksalspsychologischer Beratung
richtet sich an Fachleute im Sozial- und Gesundheitswesen,
in seelsorgerischen Berufen und in Beratungsfunktionen
sowie an weitere Interessierte. Die starke Konkurrenz durch
nichttiefenpsychologische Th erapieausbildungen sowie die
Marginalisierung der Tiefenpsychologie im akademischen
Wissenschaftsbetrieb wirken sich mindernd auf die Nachfrage
und daher auch das Angebot aus.
Weiterführende Informationen über Leben und Werk Leopold Szondis
finden sich unter www.leopold-szondi.ch.
Karl Bürgi-Meyer, geboren 1942, promovierte in Psychologie, war
von 1971 bis 1986 enger Mitarbeiter Leopold Szondis und von 1977 bis 1991 Studienleiter des Szondi-Instituts in Zürich. Seit 1974 führt er in Luzern (Ebikon) eine psychotherapeutische Praxis. 2000 erschien vom ihm eine Biographie über Szondi im Szondi-Verlag, Zürich.