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Zum Rücktritt von Petra Gössi

Petra Gössi ist als FDP-Parteipräsidentin gescheitert. Sie hat Fragen gestellt statt Antworten geliefert, die Flügel auseinanderdriften lassen und den Nachwuchs demotiviert.

Zum Rücktritt von Petra Gössi
Cover des «Schweizer Monats» 1076, Mai 2020.

Eine Parteipräsidentin hat drei Aufgaben.

Erstens muss sie die Partei steuern, also die Richtung vorgeben, in die es gehen soll. Sie prägt, wie sich die Partei in gewissen Sachfragen aufstellt. Zweitens muss sie die beiden Flügel der Partei zusammenhalten: Ein Vogel kann nur fliegen, wenn ihn beide Flügel tragen. Und drittens sollte sie den Nachwuchs nicht vergessen: Nur eine Partei, die Nachwuchs nachzieht und begeistert, wird eine Zukunft haben.

Petra Gössi ist in allen drei Punkten gescheitert.

Statt den Liberalen aufzuzeigen und vorzugeben, was eine bürgerlich-liberale Politik ist, hat sie die Basis befragt. Vor Corona, als die meisten Medien den Klimawandel zum grössten Weltproblem erklärten, stimmte ihr diese Basis in der Theorie zu. Der Wandel brachte Petra Gössi den parteiinternen Spitznamen Greta Gössi ein. Nach Corona, als die tatsächlichen Kosten aufs Tapet kamen, lehnten die FDP-Wähler das konkrete CO2-Gesetz ab.

Die Flügel der FDP haben sich nicht nur in der Klimafrage voneinander entfernt. Auch das von urbanen, europhilen Kreisen befürworte Rahmenabkommen ist am Rest der FDP-Basis und an den vermuteten Mehrheitsverhältnissen einer Volksabstimmung gescheitert; wer einen urliberalen Schweizer Trumpf wie Selbstbestimmung nicht an den EuGH abgeben will, muss kein SVPler sein.

Das folgenschwerste Versagen der FDP betrifft aber ihren Nachwuchs. Als ich 2016 von Berlin nach Zürich kam, traf ich auf haufenweise dynamische, freiheitlich gesinnte Jungliberale, die aktiv darüber stritten, ob die No-Billag-Initiative nicht vielleicht doch etwas zu extrem aufgestellt war (sie war es, stellte sich am Ende heraus). Es waren junge Bürgerliche, die sich politisch beim Jungfreisinn engagierten, weil sie sich den liberalen Grundsätzen verbunden fühlten.

Die Führung der FDP hat es geschafft, den Nachwuchs soweit zu demotivieren, dass er sich verabschiedete – ein Teil ging zu den Grünliberalen, ein Teil zur SVP, ein Teil zur Libertären Partei, und vielleicht der grösste Teil zu den Untätigen, Brachliegenden – mit Parteimitgliedschaft oder ohne.

Dieser fehlende Nachwuchs zeigt sich nun bei der Frage, wer zu Gössis Nachfolger werden soll: Dass es mit dem politisch anpassungsfähigen Andri Silberschmidt gerademal einen einzigen jüngeren Namen gibt, der gehandelt wird (von Peter Hossli in der «NZZ am Sonntag»), zeigt, wie sehr der Nachwuchs vernachlässigt wurde.

Während ein Cédric Wermuth noch wenige Schritte von einer Bundesratskandidatur entfernt zu sein scheint und junge Linke in Scharen nachfolgen, muss man junge Liberale, denen die alt, satt und träge gewordene FDP Verantwortung überträgt, lange gesucht werden. Wer wird das undankbare Amt das Parteipräsidenten auf sich nehmen? Man sollte jemanden suchen, der in der Lage ist, die drei Punkte umzusetzen.

Petra Gössi hat mit ihrem heutigen Rücktritt auf spätestens Ende Jahr das einzig Richtige getan; die Partei sollte ihr für ihren grossen Einsatz danken. Ich bin davon überzeugt, dass sie sich in der Privatwirtschaft bewähren wird. Und es würde mich nicht überraschen, wenn sie bei den nächsten Nationalratswahlen mit einem guten Resultat wiedergewählt wird.

Lesen Sie dazu auch das Editorial von Ronnie Grob in der Ausgabe 1087, Juni 2021. 

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