Zum Beispiel Lori Dinkel
Wie Dachstiftungen die Hemmschwellen des philanthropischen Engagements senken. Erfahrungen aus der Praxis.
Lori Dinkel wurde 1923 in eine einfache Basler Handwerkerfamilie hineingeboren. Der wissbegierigen Vielleserin blieb ein Studium aus ökonomischen Gründen verwehrt, im damaligen Pharmaunternehmen Sandoz arbeitete sie sich von der Sekretärin zur Dokumentationschefin empor und erhielt als erste Frau des Konzerns die Prokura. Die Heirat mit dem Chemiker Karl Lutz ging sie erst im reifen Alter ein. Andere Menschen darin zu unterstützen, was sie sich hatte hart erkämpfen müssen, war während ihres ganzen Lebens das Leitmotiv von Lori Lutz-Dinkel.
Im Jahr 2005 weckte ein Artikel in dieser Zeitschrift ihr Interesse: Die meisten gemeinnützigen Stiftungen seien zu klein, um ihre Förderziele wirksam umzusetzen, hiess es dort. Da das Ehepaar Lutz schon seit etlichen Jahren darüber nachgedacht hatte, wie sie mit ihrem eigenen Vermögen eine Stiftung gründen könnten, nahmen sie umgehend Kontakt mit dem Autor des besagten Artikels auf. Während vieler Gespräche nahm die Idee Gestalt an, nicht nur eine Stiftung, sondern eine vorbildliche, unabhängige Schweizer Dachstiftung zu gründen. Schliesslich gründete das Ehepaar Lutz im März 2007 die Fondation des Fondateurs und errichtete darin als erste «Stiftung in der Stiftung», den «Lori & Karl Lutz-Fonds für Ausbildungsprojekte von benachteiligten Frauen». Als Gründungsmitglied des Stiftungsrates widmete sich Lori Lutz-Dinkel energisch dem weiteren Aufbau der Dachstiftung. Sie verstarb – mitten in ihrer Arbeit – im Jahr 2011 in ihrem 88. Lebensjahr.
Entwicklung einer Dachstiftung
Seit der Gründung war es dem Stiftungsrat ein Anliegen, dass die Fondation des Fondateurs unternehmerisch geführt wird, dass sie unabhängig von Banken und anderen Finanzdienstleistern operiert, politisch, ideologisch sowie konfessionell neutral ist und schliesslich keinerlei Partikularinteressen verfolgt. Der jeweilige Stifterwille steht stattdessen im Zentrum der Arbeit: Mit Beratung und sachgerechter Unterstützung versucht die Geschäftsleitung, bereits vor einer Gründung die Vorstellungen und Wünsche von Stifterinnen und Stiftern zu verstehen und ihnen bei der Konkretisierung ihrer Stiftungsidee behilflich zu sein. Ist diese Vorarbeit geleistet, kann eine unselbständige Stiftung errichtet und die eigentliche Förderarbeit rasch in Angriff genommen werden. Da die Dachstiftung steuerbefreit ist, sind dies ihre Unterstiftungen automatisch auch, was nicht zuletzt eine bürokratische Hemmschwelle für philanthropisches Handeln senkt: das bei selbständigen Stiftungen oft langwierige Gesuch um Steuerbefreiung fällt automatisch weg. Die Dachstiftung kümmert sich auch um alle weiteren Verwaltungs- und Administrationsaufgaben. Dadurch ermöglicht sie den Stiftern, sich voll und ganz auf die Fördertätigkeit zu konzentrieren.
Die Fondation des Fondateurs ist deshalb seit 2007 stark gewachsen. Das kumulierte Fördervolumen bis 2016 beläuft sich auf rund 55 Millionen Schweizer Franken. Gegenwärtig betreut die Dachstiftung rund 40 unselbständige Stiftungen sowie einen Allgemeinen Fonds für sporadische Zuwendungen. Vor kurzer Zeit hat sie ausserdem die Geschäftsführung einer selbständigen Stiftung übernommen. Mit diesem breiten Angebot gehört sie zu den grössten Dachstiftungen in der Schweiz; sie vereint eine Vielfalt von thematisch, geographisch und organisatorisch unterschiedlichen Stiftungen.
So fördert die CHAR-Foundation Projekte zur Entwicklung neuer Technologien im Sinne einer translationalen Rhythmologie, wohingegen die digitalswitzerland Foundation die Schweiz als führenden digitalen Hub positionieren möchte, indem sie Innovation und Unternehmertum in der Schweiz mit einem Fokus auf die digitale Transformation fördert. Oder die Fondation SapoCycle: sie hat es sich zum Ziel gemacht, benutzte Seifen aus Hotels einzusammeln, mit Hilfe eines sozialen Integrationsprogramms zu rezyklieren und diese Seifen Kindern und Familien in Not zur Verfügung zu stellen und damit einen Beitrag zur Verbesserung der Hygiene zu leisten. Auch die unselbständige Stiftung StrategieDialog21 wurde 2013 bei der Fondation des Fondateurs errichtet: Die Dialogplattform mit dem Fokus auf freiheitliche Werte, die den öffentlichen Diskurs mit Blick auf langfristige Innovationspotenziale und strategische Optionen in unserem Land positiv bereichern möchte, hatte ein so starkes Wachstum erreicht, dass sie im Jahre 2016 als Stiftungsfonds in die Larix Foundation übertragen werden konnte.
Diese Flexibilität ist ein grosser Vorteil einer unselbständigen Stiftung: Im Gegensatz zu einer selbständigen Stiftung kann bei Bedarf sowohl der Zweck wie auch der Name auf Wunsch der Stifter – im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten – geändert werden. Ebenso kann auf Wunsch des Stifters eine unselbständige Stiftung in eine selbständige überführt werden. Sollte sich der Stiftungszweck erfüllt haben, kann die unselbständige Stiftung auch unbürokratisch geschlossen werden. Ein allfälliges Restvermögen kann jedoch nie an den Stifter zurückfallen, sondern muss an eine gemeinnützige Organisation mit ähnlichem Zweck überwiesen werden.
Hemmschwellen des Stiftens senken
Durch das sogenannte Pooling, das Zusammenlegen von Verwaltung, Administration und auf Wunsch auch der Vermögensverwaltung innerhalb der Dachstiftung, können Synergien genutzt und die Kosten für die Stifter tiefer gehalten werden als bei einer selbständigen Stiftung. Somit stehen den einzelnen Stiftungen mehr finanzielle Mittel für die Fördertätigkeit zur Verfügung – also für jene Dinge, auf die es dem Stifter oder der Stifterin ankommt.
Die Kosteneffizienz wird in der Philanthropie auch ganz grundsätzlich immer entscheidender: Wenn man den Errichtungsprozess einer selbständigen mit jenem einer unselbständigen Stiftung vergleicht, werden bei kleineren oder mittleren Vermögen die Vor- und Nachteile rasch deutlich. Eine Stiftung unter dem Dach einer Dachstiftung kann auch darüber hinaus weitgehend das Gleiche wie eine selbständige Stiftung leisten. Allerdings fallen deren Nachteile wie teure Errichtung, aufwendiger Steuerbefreiungsprozess, hohe laufende Administrations- und Verwaltungskosten sowie Interessenkonflikte weg. Mit ihren Angeboten ermöglicht es die Dachstiftung, dass auch mit kleineren Stiftungsvermögen ein ähnlich hoher Wirkungsgrad wie jener einer grossen Förderstiftung erreicht werden kann, was schliesslich auch die Effizienz des Gebens steigert. Die Dachstiftung darf durchaus als eine erfolgreiche soziale Innovation beschrieben werden, deren Möglichkeiten angesichts der demographischen Entwicklung der Schweiz und der erwarteten weiteren Akkumulation von Stiftungsvermögen längst noch nicht ausgeschöpft sind.