Zufall belebt die Demokratie
Und vermindert die Beeinflussung der Politik durch Interessensgruppen.
Wir sind es gewohnt, bei Entscheidungen Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen. In der repräsentativen Demokratie überlegen wir uns gut, welche Personen am besten geeignet sind, unsere Anliegen zu vertreten. Zufällige Entscheidungen werden hingegen in der Regel als irrational betrachtet. Die Geschichte zeigt aber, dass Zufallsauswahl von Regierenden sehr vernünftig sein kann. So wurde im antiken Athen die Regierung per Zufall aus allen Bürgern ausgewählt. Eine der beiden Kammern des Parlamentes – in der Schweiz der Nationalrat – könnte mittels eines Zufallsmechanismus ausgewählt werden. Eine Zufallsauswahl ist auch für die Exekutive denkbar, wobei eine formale Mindestqualifikation als Voraussetzung eingeführt werden müsste. Der Bundesrat könnte per Los aus den Mitgliedern der beiden Kammern des Parlamentes ausgewählt werden.
Eine zufällige Auswahl hat zwei gewichtige Vorteile: Erstens gewährleistet sie die repräsentative Vertretung der Bevölkerung. Alle Formen der Diskriminierung, zum Beispiel nach Herkunft, Religion oder Geschlecht, werden vermieden. Vor allem die weniger privilegierten Schichten erhalten eine bessere Chance, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Zweitens lohnt es sich für Interessengruppen weniger, die Politik zu beeinflussen. Werbung, Vetternwirtschaft und Korruption werden zurückgedrängt. Dadurch könnte das Losverfahren das Vertrauen ins politische System stärken. Diesen Vorzügen stehen auch einige Nachteile gegenüber: Zufällig ausgewählte Personen können sich für die zugedachte Aufgabe als unfähig erweisen. Deshalb empfiehlt es sich in vielen Fällen, die Fähigkeit derer zu überprüfen, aus denen zufällig ausgewählt wird. Auch können sich zufällig ausgewählte Personen weigern, eine Position einzunehmen, weshalb sie finanziell so gut auszustatten sind, dass sie die Aufgabe gerne übernehmen. Aufgrund dieser Nachteile empfiehlt es sich nicht, bei politischen Entscheidungen allein auf Zufallsverfahren zu setzen. Werden sie jedoch in geeignete Institutionen eingebettet, sind sie geeignet, der heute in weiten Kreisen herrschenden Demokratiemüdigkeit entgegenzuwirken.