Zu Besuch bei Lipa
Ein Gespräch mit Bastian Feder, Mitgründer von Lipa.
«Wir wollen ein faires Finanzsystem aufbauen»
An einem trüben Nachmittag begrüsst mich Bastian Feder in einem Coworking-Space im Berner Quartier Murifeld. Dort hat sich das Start-up Lipa eingemietet, welches zurzeit zwei Räume in Anspruch nimmt. Der erste Raum, in dem Feder arbeitet, ist gemütlich mit Pflanzen und einem Sofa eingerichtet. Auffallend ist die eine Wand, welche mit einer Maske aus der Netflix-Serie «Haus des Geldes» und verschiedenen Bildern des Bitcoin-Symbols geschmückt ist. Gewisse Bilderrahmen sind noch leer. Der zweite Raum enthält lediglich zwei Bürotische. Schnell wird klar, dass es sich hier um ein Unternehmen handelt, das noch in den Startlöchern steht. Bastian Feder, 47, ist gelernter Chemiker, seine Faszination für Computer lässt sich jedoch bis in seine frühe Jugend zurückverfolgen. 2002 entschied er sich, professionell in die Softwareentwicklung einzusteigen. Sein neustes Projekt ist die Finanzapp Lipa, die er mit zwei guten Freunden, Adrian Pauli und Patrick Zahnd, 2021 ins Leben gerufen hat. Von Anfang an wurden sie unterstützt vom Digital Innovation Lab in Bern, welches Start-ups von der Entwicklung einer Idee bis zum funktionierenden Unternehmen begleitet. Feder und seine Kollegen entwickelten eine Zahlungsplattform, die via Bitcoin Lightning sekundenschnell wie Twint funktioniert. Den Namen der App dachten sich die Gründer nicht ohne Grund aus – auf Swahili bedeutet Lipa nämlich «bezahlen».
Im November 2022 brachte das Unternehmen erstmals eine Testversion auf den Markt, die derzeit von rund 50 Nutzern im deutschsprachigen Raum geprüft wird. «Lipa Wallet for Business» besteht aus einem Zahlungsterminal, das auf Unternehmen ausgerichtet ist, die schnell Bitcoin empfangen sowie senden wollen. Hierbei wird der gewünschte Betrag in Euro oder Franken eingegeben, die App rechnet diesen in Bitcoin um. Der Kunde scannt mit einem beliebigen Bitcoin-Wallet einen QR-Code und die Zahlung wird durchgeführt. Attraktiv sei Lipa für Kleinbetriebe, die geringere Beträge einkassierten, wie Restaurants oder Cafés. Die kostenlose App bietet die Möglichkeit, einen Zahlungsbericht zu beziehen. «Es ist unser Ziel, die Transaktionskosten so tief wie möglich zu halten.» Daneben entwickeln Feder und seine Kollegen zusätzlich noch eine App für Privatpersonen; für die Betaversion kann man sich bereits anmelden und sie testen.
Gegenwärtig beschäftigt das Unternehmen 14 Mitarbeiter, die meisten von ihnen sind Softwareentwickler. «Es war nicht schwierig, Leute zu finden, die richtigen Leute aber sehr wohl», sagt Feder. Besonders im Bereich der App-Entwicklung für die mobilen Betriebssysteme iOS und Android sei es problematisch, Leute zu rekrutieren, die ein geeignetes Mass an Erfahrung mit Bitcoin mitbrächten. Feder erklärt sich dieses Phänomen durch die bisher geringe Massentauglichkeit von Bitcoin: Der Markt müsse sich erst noch entwickeln. Das bringt auch Vorteile mit sich, nämlich fehlende Konkurrenz. Bisher boten nur eine Handvoll Unternehmen einen vergleichbaren Service an wie Lipa. Allerdings steht das Bitcoin-Ökosystem in ständiger Konkurrenz gegenüber den herkömmlichen Zahlungsmethoden.
Auf die Frage, ob Bitcoin denn konventionelle Währungen verdrängen wolle, meint Feder: «Es braucht eine Währungskonkurrenz, um das beste System für alle zu finden.» Er ist sich bewusst, dass der Schweizer Franken recht stabil ist und deshalb hierzulande die Notwendigkeit für die Nutzung von Bitcoin geringer ist als in anderen Ländern. Dennoch sei die Schweiz ein guter Standort für ein Kryptounternehmen: Aufgrund tiefer regulatorischer Starthürden mussten die Gründer lediglich eine Start-up-Lizenz in Anspruch nehmen, um loszulegen. Rückblickend auf die letzten Jahre sagt Feder: «Besonders schätze ich den starken Zusammenhalt der Bitcoin-Community.»
Auch wenn die Akzeptanz von Bitcoin in der Bevölkerung noch gering sei, habe sich während der Coronapandemie gezeigt, dass sich das durchaus ändern könne: 2020 hätten sich viele Leute für Kryptowährungen begeistert, weil der Lockdown ihnen erstmals die Zeit gegeben habe, sich vertiefter mit der Materie auseinanderzusetzen. Auf die Frage, wo er sein Unternehmen in der Zukunft sehe, antwortet Feder lachend: «Weltherrschaft!» Die Vision sei die vieler Bitcoin-Anhänger: «Wir wollen ein weltweites, faires Finanzsystem aufbauen, welches Inklusion und Integration fördert.» (ss)