Zu Besuch bei der Remei AG
Ein Gespräch mit Simon Hohmann, Co-CEO Finance, Cotton & Yarn von der Remei AG.
«Die Schweiz tickt anders als der Rest der Welt»
Die Räumlichkeiten der Remei AG, eines Handelsunternehmens für rückverfolgbare Biobaumwolltextilien, befinden sich im dritten Geschoss eines Industriegebäudes in Rotkreuz. Von jedem Bürozimmer lässt sich die weite Aussicht wieder in eine andere Himmelsrichtung geniessen. Das korrespondiert mit der geografischen Ausdehnung dieses Unternehmens, das Tochtergesellschaften in Indien und in Tansania unterhält.
Simon Hohmann, einer der beiden CEOs, begrüsst mich im luftig-hellen Showroom. Mehrere Kleiderständer zeigen die fertigen Produkte der Firma, die sich auf den Grundstrick von Oberbekleidung aus Biobaumwolle spezialisiert hat. T-Shirts, Longsleeves und Pullover für Kinder wie Erwachsene hängen hier nebeneinander. Verkauft werden diese Textilien, welche die zahlreichen Handelspartner der Remei AG beziehen, vor allem in den DACH-Raum. Während die Firma in Rotkreuz 16 Personen beschäftigt, sind es in globaler Hinsicht deutlich mehr: Sie hat 5000 Biobaumwollkleinbauern kontraktiert. Im Geschäftsjahr 2021/22 belief sich die Ernte auf rund 6000 Tonnen Biobaumwolle, und Remei produzierte circa 800 000 Stück Fertigtextilien für seine Handelspartner.
Die Firmengeschichte begann 1981, als Hohmanns Vater im Erdgeschoss seines Einfamilienhauses im nahegelegenen Meierskappel einen Handel mit konventionellem Garn aufbaute; eine Biovariante existierte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. In Westeuropa, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, wurden damals noch sehr viele Textilien produziert, weswegen das Unternehmen rasch anwuchs. Wenige Jahre später erfolgte der Umzug nach Rotkreuz. Hohmann senior war indes aufgefallen, dass die Bauern, die vor Ort für die Baumwolle verantwortlich waren, in der Kette aller Beteiligten insofern keine Rolle spielten, als der Preis für Baumwolle ohne sie festgelegt wurde und sie akzeptieren mussten, was ihnen der Markt diesbezüglich vorgab. Hohmann realisierte, dass die Inputkosten für synthetische Pestizide im konventionellen Anbau höher waren als der Ertrag, den der Verkauf der Baumwolle dem jeweiligen Landwirt einbrachte. Niemand fragte bei diesen nach, ob ihnen das Erwirtschaftete überhaupt zum Leben reiche. Als dem Zuger Händler dies bewusst geworden war, ermutigte er sie schon in den 1990er-Jahren, biologisch anzubauen. Bis heute arbeitet Remei direkt und nach fairen Handelsprinzipien mit den Bauern zusammen, die vom Unternehmen eine Abnahmegarantie und eine zusätzliche Bioprämie auf den lokalen Marktpreis erhalten.
Die Weitergabe der Firma an den Sohn war derweil nicht geplant. «Den Supermasterplan hat es nicht gegeben», erinnert sich dieser, «das hat sich über die Jahre entwickelt, auch dank meinem Interesse in Sachen Nachhaltigkeit.» Simon Hohmann, heute 45 Jahre alt, stieg nach einer klassischen KV-Lehre und einem MBA an der Hochschule Luzern 2002 in die Remei AG ein. Damals kümmerte er sich vorwiegend um Garn und verliess die Firma 2012, um einen Abstecher in die technische Automobilzulieferbranche zu machen, merkte jedoch rasch, dass ihm diese nicht behagte. 2016 kehrte er zurück, und zwei Jahre später übernahm er mit Marion Röttges die Geschäftsleitung. In der seither bestehenden Doppelspitze sieht er vor allem den Vorteil, so viele Kompetenzen wie möglich abzudecken.
«Man muss innovativ bleiben», betont er hinsichtlich des regenerativen Businessmodells, das die Remei AG entwickelt hat, und verweist zugleich auf Bewährtes: In allem transparent zu sein und mit starken Partnerschaften von der Faser bis zum Fertigtextil damit etwas im globalen Handel, in dem sich der Anteil von Biobaumwolle auf gerade einmal ein Prozent beläuft, zu bewegen. «Die Schweiz tickt anders als der Rest der Welt», punkte sie doch mit einem hervorragenden ökonomischen, politischen und ökologischen Umfeld, was es ihr erlaube, allen etwas zurückzugeben.
«Es gibt viele Kräfte, die kein Interesse an absoluter Transparenz haben, weil sie aus der Intransparenz ihrer Lieferkette einen Vorteil für sich ziehen», moniert Hohmann. «Wir wollen den gegenläufigen Weg beschreiten: Wir haben ein einzigartiges Geschäftsmodell entwickelt, das den Bauern in die Lieferkette integriert, und setzen nicht auf Shareholder-, sondern auf All-Holder-Value – alle Beteiligten sollen von diesem Geschäft profitieren.»
Am Anspruch, etwas zum Positiven zu verändern, hat sich nun, im fünften Firmenjahrzehnt, also nichts geändert. Der Blick bleibt deshalb zukunftsgewandt: «Meine Vision ist, dass das andere Wirtschaften, das wir vorantreiben, Schule macht.»