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Zu Besuch bei der Kündig-Gruppe
Marc-Remo Kündig illustriert von Dunvek.

Zu Besuch bei der Kündig-Gruppe

Ein Gespräch mit Marc-Remo Kündig, Group Business Development Manager der Kündig-Gruppe.

«Broccoli und Cannabis werden mit den gleichen Methoden veredelt»

Der Hauptsitz der Kündig-Gruppe an der Stampfenbachstrasse in Zürich passt eigentlich nicht zu einem Unternehmen, das jährlich zwischen 60 000 und 80 000 Tonnen Lebensmittel handelt respektive verarbeitet. «Es kommt tatsächlich hie und da vor, dass sich ein grosser Lastwagen mit Getreide zu unserem Bürogebäude verirrt», sagt Marc-Remo Kündig schmunzelnd. Der Rohstoffhändler Kündig mit Niederlassungen in Deutschland, Ungarn und China ist seit einiger Zeit vermehrt auch in der Lebensmittelveredlung tätig und betreibt dafür in Thüringen eine (von einem früheren Lieferanten übernommene) Produktionsstätte, in der drei Viertel der insgesamt 160 Mitarbeiter tätig sind. «Wir sind eigentlich in vier Feldern aktiv», erklärt Marc-Remo Kündig, der zusammen mit seinem Bruder Sandro (CEO) und Alain Wegmüller (CFO) die Gruppe führt. «Wir handeln erstens Rohstoffe physisch, veredeln zweitens Lebensmittel, das heisst reinigen, mahlen, entkeimen und verkaufen sie weiter. Drittens veredeln wir sie im Auftrag von Kunden, und viertens entwickeln wir innovative Produkte wie ein Smoothie aus Tiefkühlfrüchten, der von namhaften Detailhändlern angeboten wird.» Die Grossverteiler Coop und Migros sind in der Schweiz mit Abstand die gewichtigsten Kunden, in Deutschland sind es Nahrungsmittelkonzerne.

Und in welchen Endprodukten steckt Kündig drin? «Das interessiert uns sehr», antwortet Kündig, «doch wissen wir es oft selber nicht.» Er weiss aber, dass «seine» Karamellprodukte und getrockneten Tomaten zum Beispiel in Katzenfutter verwendet werden. Das einzige Endprodukt, bei dem das Unternehmen auch für den Konsumenten auf der Verpackung sichtbar wird, ist der Bio-konservenmais von Coop. Über die Herkunft seiner Rohstoffe weiss Marc-Remo Kündig dagegen viel besser Bescheid; Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln sind schliesslich schon lange ein Thema. Grossvater Willy Kündig, der das Unternehmen 1920 gründete, pflegte Kontakte zu den Lieferanten in Osteuropa, auch in der Zeit des Eisernen Vorhangs.

«Heute haben wir natürlich die viel besseren technischen Mittel, um biologische und andere Verunreinigungen, Schadstoffe und so weiter nachzuweisen», hält Kündig fest. Dazu kommen zahlreiche Standards und Regulierungen, namentlich diejenigen der EU zur Lieferkettensicherheit. Für ein etabliertes Unternehmen müsse das kein Nachteil sein, räumt er ein, aber jede Zertifizierung und jeder Kontrollgang koste Geld. «Viele Leute wollen auch alles möglichst günstig und haben kein Problem, wenn ihr iPhone oder die Wasserpistole ihres Sohnes in China hergestellt wird. Sie beklagen sich aber lautstark, wenn die Biohimbeere von dort kommt.» Wer grösstmögliche Sicherheit will, muss mehr zahlen, zum Beispiel für Kündigs Biogetreide aus dem Baltikum, wo die Kontrolle der Bauern sehr engmaschig ist.

Dass Kündig gut zwei Drittel des Umsatzes mit Bioprodukten erzielt und damit weit über Marktdurchschnitt liegt, hat mit Beat Kündig zu tun. Marc-Remos Vater förderte die biologische Landwirtschaft bereits in den 1990er-Jahren und positionierte die Firma entsprechend als Pionier. Das Sortiment ist mit 10 000 Produkten riesig – nur Fleisch ist nicht im Angebot. Der «Entwicklungsmanager» kann sich eigentlich nur zwei Varianten vorstellen: Fleisch von Tieren aus Betrieben mit ul­trastrengen Biorichtlinien oder Fleisch aus Zellkulturen. Dafür hat Kündig mit Cannabis zu medizinischen Zwecken über den angestammten Bereich hinaus expandiert. «Es gab natürlich Diskussionen», erinnert sich Marc-Remo Kündig. «Der Schritt ist stimmig, werden doch Broccoli und Cannabis grundsätzlich mit den gleichen Methoden veredelt und haltbar gemacht.»

Ist die Nachfolge in der Familie dereinst gesichert? Marc-Remo Kündig sorgt jedenfalls dafür, dass sein Sohn eine Beziehung zur Firma aufbauen kann. «Schon unser Vater nahm uns an Betriebsanlässe und zu Besichtigungen mit; so lernten wir das Unternehmen kennen und vor allem die Menschen rundherum.» Das kommt ihm heute zugute, muss er doch derzeit mehr operative Aufgaben wahrnehmen, als ihm lieb ist. Denn die Stelle des Geschäftsführers des Werks in Thüringen ist vakant, was zurzeit eine besonders enge Zusammenarbeit von Zürich mit dem Team vor Ort erfordert. Hinzu kommt der Arbeitskräftemangel. «Wir müssen dort regelrechte Kampagnen fahren, um gute Leute zu finden.»

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