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Zeiten ändern sich, die Empfehlungen auch

Bei der Zahl der Mahlzeiten und beim Verzehr von Gemüse, Nüssen oder ­Fetten haben sich die ­Ratschläge in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Weiterhin gültig bleibt: Abwechslung tut gut.

Zeiten ändern sich, die Empfehlungen auch
Mirjam Bauer (links) & Beatrice Conrad (rechts), zvg.

 

Ernährungstips findet man überall: im Internet, in Zeitschriften, von Bekannten und Verwandten. Doch diese Erfahrungswerte, Tips und Tricks von Laien unterscheiden sich oft stark von wissenschaftlich gestützten Empfehlungen der Fachgesellschaften. Verlässliche Informationen zu bekommen, ist nicht ganz einfach, zumal sich die Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung im Laufe der Zeit verändern.

Unsere tägliche Ernährung dient in erster Linie der Deckung des Nährstoffbedarfs. Doch nebst der lebensnotwendigen Versorgung unseres Körpers soll auch dem Genuss und dem Gemeinschaftsleben Rechnung getragen werden. In der Schweiz werden Ernährungsempfehlungen von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE), der Eidgenössischen Ernährungskommission (EEK) im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie den Fachgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz herausgegeben. Diese Informationen stützen sich auf den aktuellen Forschungsstand.

Von fünf auf drei Mahlzeiten

Die SGE empfiehlt einem gesunden Erwachsenen drei ausgewogene Hauptmahlzeiten pro Tag, die bei einem erhöhten Energiebedarf mit Zwischenmahlzeiten ergänzt werden können. Vor 30 Jahren in der 6. Auflage des bekannten Schulkochbuchs «Tiptopf» galten noch generell fünf Mahlzeiten am Tag als empfehlenswert. Dies wurde damals damit begründet, dass man mit Hunger oder vollem Magen nicht leistungsfähig und der Blutzucker mit häufigen Mahlzeiten stabiler sei. Erst später zeigten Studien, dass häufige Mahlzeiten die Fettverbrennung unterbrechen und somit das Gewichtsmanagement erschweren.

Ein gezieltes Auslassen von Hauptmahlzeiten endet jedoch oft mit ungebremstem Hunger und einem Nachholbedarf zwischen den Mahlzeiten, weshalb die Energieaufnahme am Ende des Tages meist höher ist, als wenn drei ausgewogene Mahlzeiten gegessen werden. Besonders das Frühstück ist eine wichtige Mahlzeit, welche einen relevanten Beitrag zur Deckung des Nährstoffbedarfs leistet. Zahlreiche Studien konnten positive Effekte des Frühstücks in bezug auf das Gewichtsmanagement zeigen. Diese Gründe sprechen auch gegen ein strenges Intervallfasten, welches heute im Trend liegt.

Eine abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl deckt den Bedarf an den drei Hauptnährstoffen Kohlenhydrat, Eiweiss und Fett sowie an Vitaminen und Mineralstoffen. Eine ausgewogene Mahlzeit setzt sich zusammen aus:

  • einem Teil stärkehaltiger Nahrungsmittel wie Getreide, Brot, Reis, Teigwaren, Hülsenfrüchte oder Kartoffeln;
  • einem Eiweisslieferanten wie Fleisch, Fisch, Ei, ­Milchprodukte, Tofu, Fleischersatzprodukte;
  • einer Portion Gemüse, Salat, Rohkost oder einer Frucht.

Die SGE empfiehlt täglich drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Früchte. Sie liefern Vitamine, Mineralstoffe und Nahrungsfasern, umgangssprachlich auch Ballaststoffe genannt. Zudem dient gerade das Gemüse wegen seinem geringen Energiegehalt als «Magenfüller» und kann reichlich verzehrt werden. Im bekannten «Berner Kochbuch», welches vor dem «Tiptopf» als Schulbuch im Kanton Bern diente, wurden nur ein bis zwei Portionen Gemüse empfohlen. Vor 30 Jahren wurde die Empfehlung auf zwei Portionen Gemüse erhöht. Als 1998 die erste Lebensmittelpyramide publiziert wurde, stieg die Empfehlung auf zwei bis drei Früchte und drei bis vier Portionen Gemüse an. Seit 2001 werden aber fünf Portionen Gemüse und Früchte in verschiedenen Farben am Tag empfohlen. Die Kampagne «5 am Tag» bewirbt diese Empfehlung.

Stärkehaltige Lebensmittel liefern Kohlenhydrate, welche Brennstoff für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sind. Der Bedarf an Kohlenhydraten ist individuell. Für einen gesunden Erwachsenen wird zu den drei Hauptmahlzeiten je eine Portion Stärkebeilage empfohlen. Zu den Stärkebeilagen gehören Getreide, Brot, Teigwaren, Reis, Kartoffeln und Hülsenfrüchte. Hülsenfrüchte sind wegen ihres hohen Gehalts an Kohlenhydraten und Eiweissen nicht einfach einzuteilen. In der ersten Lebensmittelpyramide galten sie noch als Eiweisslieferanten, seit der zweiten Auflage der Pyramide im Jahr 2005 zählen sie aber zu den Stärkebeilagen.

Probleme der Low-Carb-Diät

Abbildung 1: Die Lebensmittelpyramide von 1998 hatte fünf Stufen – Fette und Süssigkeiten sollten nur wenig verzehrt werden.

Heute sind Kohlenhydratlieferanten oft umstritten. Eine kohlenhydratarme Ernährung, die sogenannte Low-Carb-Diät, ist seit Jahren im Trend. Bei einer kohlenhydratarmen Ernährung beginnt jedoch der Körper, die Kohlenhydratverbrennung zu drosseln, was zu Müdigkeit und Konzentrationsmangel führen kann. Zudem wird auf körpereigene Reserven zurückgegriffen, nebst Fett werden auch Muskeln abgebaut. Nicht selten entsteht ein Nachholbedürfnis, welches zu ungebremstem Hunger nach Süssigkeiten führt.

Für einen erwachsenen Menschen werden ausserdem 30 Gramm Nahrungsfasern pro Tag empfohlen. Die meisten Nahrungsfasern sind in Getreideprodukten, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Samen, Nüssen, Kernen und einzelnen Gemüsen enthalten. Ohne den Konsum von Stärkeprodukten ist das Soll von 30 Gramm Nahrungsfasern kaum erreichbar.

Eiweisse sind Körperbaustoffe und müssen regelmässig gegessen werden. Für einen gesunden Erwachsenen werden dafür täglich drei Milchprodukte wie Milch, Joghurt, Quark, Hüttenkäse, Weich- oder Hartkäse sowie ein weiterer Eiweisslieferant wie Eier, Fleisch, Geflügel, Fisch, Tofu, Quorn oder andere Fleischersatzprodukte empfohlen. Fleisch sollte laut SGE maximal dreimal pro Woche auf den Tisch kommen, ansonsten kann der Eiweissbedarf mit vegetarischen Lebensmitteln gedeckt werden.

Gerade im Fitnessbereich herrscht der Glaube «Je mehr Eiweiss, desto besser». In den letzten Jahren sind unzählige Produkte mit der Kennzeichnung «high-protein» auf den Markt gekommen. Ist das wirklich gesünder? Die Studienlage ist ernüchternd. Mehr Eiweiss als der tatsächliche Bedarf bringt keinen zusätzlichen Muskelaufbau. Ein gesunder Erwachsener braucht also keine angereicherten High-Protein-Produkte. Die oben genannte Empfehlung mit natürlichen Lebensmitteln reicht aus, um den Eiweissbedarf zu decken.

Gesundes Rapsöl

Lange Zeit galt Fett als «der böse Nährstoff», bis es von den Kohlenhydraten abgelöst wurde. So wurde Fett in der ersten Lebensmittelpyramide auf die gleiche Stufe wie die Süssigkeiten gestellt. Seit der zweiten Auflage der Lebensmittelpyramide hat es aber die verdiente eigene Stufe bekommen. Fette liefern nämlich lebensnotwendige Fettsäuren und sind für die Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen notwendig. Sie unterscheiden sich sehr in der Qualität. Für die kalte Küche werden heute vorwiegend kaltgepresste Raps- und Olivenöle empfohlen. Noch vor 30 Jahren war das Sonnenblumenöl die Nummer 1 in der Schweizer Küche und wurde im «Tiptopf» von 1991 als qualitativ hochwertiger beurteilt als das Olivenöl. Diese Empfehlung wurde 1998 angepasst.

Für die Zubereitung bei hohen Temperaturen eignen sich High-Oleic-Sonnenblumenöl oder Holl-Rapsöl, da beide Pflanzen so gezüchtet werden, dass sie hitzestabil sind und keine Schadstoffe beim Erhitzen entstehen. Diese Empfehlungen gelten erst seit 2011, zuvor wurden vor allem das Olivenöl, aber auch Erdnussöl und normales Sonnenblumenöl zum Anbraten empfohlen.

Als Streichfett können sowohl Butter als auch qualitativ gute Margarine verwendet werden. Die SGE und das BLV empfehlen, täglich zwei bis drei Esslöffel pflanzliches Öl zu konsumieren, davon mindestens die Hälfte aus Rapsöl. Dies in erster Linie aufgrund der günstigen Zusammensetzung des Rapsöls mit einem hohen Anteil der essenziellen Omega-3-Fettsäuren. Nebst dem sichtbaren Fett in Form von Öl und Butter ist Fett auch in Lebensmitteln wie Milchprodukten, Fleisch und Nüssen enthalten. Nüsse enthalten gesunde Fette sowie eine beträchtliche Menge an Nahrungsfasern, Vitaminen und Mineralstoffen. Während Nüsse früher wegen dem Fettgehalt als bedingt empfehlenswert galten, empfiehlt die SGE heute den Konsum von ungesalzenen Nüssen täglich.

Abbildung 2: In der Lebensmittelpyramide von 2005 erhielten Fette eine eigene Stufe, zudem wurden Milch- und Fleischprodukte sowie Obst und ­Gemüse zusammengelegt. In der Spitze wurden neu Süssgetränke explizit abgebildet.
Abbildung 3: In der aktuellen Lebensmittelpyramide von 2011 befinden sich nun Süssigkeiten, Softdrinks und salzige Snacks in der Spitze. Bei den Eiweisslieferanten wurde Tofu dazugenommen.

Lange Zeit galten tierische Fette grundsätzlich als schädlich. Neuere Studien haben aber gezeigt, dass Milchfett einen gesundheitlichen Nutzen hat, weshalb nicht mehr generell fettarme Milchprodukte wie Magermilch oder fettreduzierter Käse empfohlen werden.

Ein bewusster Umgang mit Süssigkeiten, gezuckerten Speisen sowie Getränken ist empfehlenswert. Die Empfehlung von maximal einer kleinen Portion Süsses oder Salziges pro Tag hat sich über die Jahre nicht verändert.

Viel Milch in der Schweiz

Vergleichen wir die Ernährungsempfehlungen der Schweiz mit denjenigen im Ausland, gibt es deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Diese werden zwar an die jeweilige Esskultur angepasst, basieren jedoch auf denselben Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr. Grundsätzlich wird von den Fachgesellschaften überall auf der Welt eine überwiegend, aber nicht ausschliesslich pflanzenbasierte Ernährung empfohlen.

Die Empfehlungen für die Eiweisslieferanten sind von der Verfügbarkeit im Land geprägt. In der Schweiz, wo viel Land für den Ackerbau ungeeignet ist und somit viele Kühe gehalten werden, herrscht eine der höchsten Empfehlungen für den Konsum von Milch und Milchprodukten. In Ländern, die an das Meer angrenzen, wird hingegen deutlich mehr Fisch empfohlen. In Regionen, in denen Hülsenfrüchte angebaut werden, kommen häufiger Linsen und Kichererbsen auf den Tisch

Die Ernährung ist stets im Wandel. Die Forschung gewinnt laufend neue Erkenntnisse. Obschon die Wissenschaft im letzten Jahrhundert grosse Fortschritte gemacht hat, können wir nicht wissen, ob unsere aktuellen Empfehlungen in ein paar Jahrzehnten nicht wieder überholt sind. Trotz der verschiedenen Änderungen der Verzehrmengen in den letzten 100 Jahren haben die Empfehlungen etwas gemeinsam: eine abwechslungsreiche Ernährung, welche alle Lebensmittelgruppen miteinschliesst. Dies wird wahrscheinlich auch in Zukunft so bleiben.

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