Zähmung der Wild-West-Kryptowelt
Kryptoanlagen sind Assets ausserhalb der etablierten Anlageklassen. Die Finanzindustrie bietet aber bereits erste bankfähige Produkte an, die für eine breitere Anlegerschaft attraktiv sind. Was zeichnet sie aus?
Der diesem Text vorangehende Selbstversuch der «Monat»-Redaktion und die zunehmende Aktivität der Finanzindustrie bei Kryptoanlagen zeigen: Blockchain-basierte Technologien respektive die damit verbundene Ausgabe verschiedener, digitaler Rechtsansprüche haben ihr «freakig-nerdiges» Image längst abgelegt und ein breiteres Interesse geweckt. Diese Entwicklung, so heisst es, sei durch das Niedrigzinsumfeld begünstigt respektive durch den Anlagenotstand befeuert und somit vorübergehender Natur, auch weil die Nachhaltigkeit im Sinne einer Wertbeständigkeit der Vermögensanlage in Krypto-Assets vielfach angezweifelt wird. Allerdings sollten vermögende Privatpersonen, ihre Vermögensverwalter sowie verschiedene institutionelle Anleger nun aufhorchen: gerade weil Blasen an den etablierten Kapitalmärkten keine Seltenheit sind, sollten sie aufgrund ihrer Korrelationseigenschaften Anlagen in Krypto-Assets und deren Weiterentwicklung im Blick haben.1 In Zeiten einer durchaus denkbaren «Desillusionierung» in den Kryptomärkten kann dies zu einem entscheidenden Vorteil respektive relativer Portfoliostabilität gereichen. Auf was muss man achten?
Freaks und Kriminelle
Krypto-Assets lassen sich aktuell in keine der etablierten Anlageklassen klar einordnen, sind ihnen aber auch nicht völlig unähnlich: Das Angebots- und Nachfrageverhalten unterscheidet sich teilweise erheblich von (alt)hergebrachten Märkten. Die Preisbildungsmechanismen haben gewisse Ähnlichkeiten mit jenen von Edelmetallmärkten. Die Art und Weise des Handels kommt wiederum jenem von Wertschriften nahe, wobei vielen digitalen Coins mit Zahlungsmittelcharakter jeglicher Bezug zu Unternehmenssubstanz, Cashflows, Dividenden- und Zinszahlungen oder Ähnlichem fehlt.
Im Unterschied zu traditionellen Anlagemärkten stellen das teilweise umständliche Handeln sowie die Verwahrung von Krypto-Assets selbst geneigte Privatanleger und Asset-Manager vor erhebliche Schwierigkeiten: Die Handelsplattformen unterliegen noch keiner griffigen Regulierung, die Preisspannen driften weit auseinander, Transaktionen dauern bis zur Auszahlung oft unerträglich lange – und auch Ausfälle sind nichts Ungewöhnliches. Ein effizientes Handeln unter Ausnutzung der verschiedenen Handelsplätze lässt sich gegenwärtig nur beschränkt mit dem Unterhalt mehrerer Wallets auf den verschiedenen Plattformen realisieren. Die Übertragbarkeit von Guthaben ist dabei limitiert oder zumindest zeitraubend, so dass nicht selten horrende Marktspreads in Kauf genommen werden müssen. Zudem sind Kryptobörsen immer wieder Opfer von Hackingattacken. So wurden unter anderem die japanische Mt. Gox oder auch die Youbit in Südkorea gehackt und gingen schliesslich in Konkurs, was einen Totalverlust für die Händler respektive Anleger dieser Plattformen zur Folge hatte.
Die Auswahl sowie das Halten einzelner Direktanlagen scheint also schon aus praktischen Gründen weiterhin den «Freaks» sowie professionellen Händlern und Verwahrstellen von Krypto-Assets vorbehalten zu bleiben. Neben Hackingangriffen auf Kryptobörsen und Wallets gibt es für Privatanleger weitere Risiken, was die sichere Verwahrung der Coins respektive der Private Keys angeht. Auch sind Betrügereien rund um ICOs wie beispielsweise durch die US-Firma Crypto Company, die Aktien an ausgewählte Aktionäre mit massiven Abschlägen emittiert hatte, oder Schein-Krypto-Währungen wie E-Coins (von der Finma im September 2017 entsprechend geahndet) in diesem noch jungen Segment leider nicht selten. Ausserdem erfordert die schiere Anzahl bereits bestehender sowie ständig neu hinzukommender Anlagealternativen eine systematische und tiefe Marktbeobachtung zwecks Beurteilung des Marktpotenzials einzelner Coins.
Bankfähige Kryptoanlagen
Eine indirekte Abbildung von Kryptoanlagen über bankfähige Instrumente drängt sich also geradezu auf. Auf diesem Weg lassen sich die Schwierigkeiten mit der individuellen Handhabung von Handelsaktivitäten sowie der Verwahrung überwinden und damit Krypto-Assets einer breiteren Anlegerschaft zugänglich machen. Die Schweizer Banken, wenn auch bislang nicht die beiden Grossbanken, haben sich dahingehend exponiert2, verfolgen aber vor allem passive Anlageansätze. Diese sind populär, haben aber zentrale Nachteile:
1) Zunächst sticht die beschränkte Diversifikation ins Auge. Sie mag hauptsächlich in der praktisch (noch) beschränkten Handel- und sicheren Verwahrbarkeit der Nicht-Mainstream-Tokens begründet liegen, birgt aber das inhärente Risiko, dass systematische Probleme einzelner Schwergewichts-Tokens vernachlässigt werden. So dürfte die Volatilität in dieser jungen Anlageklasse auf absehbare Zeit hoch sein.
2) Auch schlagen sich in jedem Krypto-Portfolio allfällige Herausforderungen dieser neuen Anlageklasse nieder, beispielsweise deren Anfälligkeit im Hinblick auf die Cybersicherheit oder auf kritische Äusserungen seitens der Regulatoren. Darauf zu vertrauen, dass die Preise für alle Mainstream-Tokens auf breiter Front steigen, scheint eine wenig vielversprechende Anlagestrategie zu sein. Jedoch schaffen solch passive Instrumente mit hoher Handelbarkeit die Illusion von Liquidität, diese kann aber im Falle von Marktverwerfungen sehr rasch fehlen.
3) Indexprodukte führen weiterhin zu einer Übergewichtung der wenigen Platzhirsche wie Bitcoin oder Ether im Kryptomarkt – die Konzentrationsrisiken steigen entsprechend, wobei die Märkte gleichzeitig «dümmer» werden. Die Vorteile eines breiter diversifizierten Portfolios scheinen also nachvollziehbar.
4) Kommt hinzu, dass die Intra-Krypto-Asset-Korrelationen durchaus geringer sind als erwartet. Somit macht Diversifikation noch mehr Sinn, da hiermit die Volatilität von (aktiv verwalteten) Krypto-Portfolios reduziert werden kann.
Vielversprechender aktiver Anlageansatz
Ein recherchebasierter, aktiver Anlageansatz im Bereich der Krypto-Assets dürfte vielversprechender sein, denn mittels einer breiteren Diversifikation können idiosynkratische Risiken vermindert, kann aufgrund von Korrelationsbetrachtungen Portfoliooptimierung betrieben werden. Klar: für einen noch wenig etablierten Coin kann nur schon ein Managementfehler das Aus bedeuten und somit für den Anleger den Totalverlust – je unbedeutender aber ein Token (oder Projekt) ist, desto grösser ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser vom Markttrend insgesamt absetzt. Folglich ist eine detaillierte Analyse der einzelnen Tokens inklusive Anwendungsnutzen und Skalierungspotenzial sinnvoll. Dabei darf es – um das Aufsitzen auf reine Modetrends zu vermeiden – nicht nur um «Coinpicking» gehen, sondern auch um die aufmerksame Beobachtung und Abbildung ganzer Branchenbewegungen im Portfolio.
Hier gilt: aufgrund des sehr viel umfangreicheren Anlageuniversums gibt es eine Vielzahl von Anlagestrategien. So fokussieren einige namhafte Anbieter auf das eigentliche Trading von Krypto-Assets, was eine indexnahe Strategie, aktive Positionierungen, arbitrageorientierte Handelsansätze oder Coin-Lending-Aktivitäten umfassen kann. Andere fokussieren eher auf Initial Coin Offerings (ICOs) oder im Stile klassischer Venture Capital (VC) oder Private Equity Funds auf Blockchain-basierte Projekte in den verschiedenen Entwicklungsstadien. Im Sinne einer Portfoliobeimischung lassen sich auch Aktienkäufe von Firmen im Mining-und Hardware-Bereich (wie AMD, Intel und insbesondere Nvidia) beobachten, die von der starken Nachfrage seitens der Krypto-Mining-Industrie profitieren. Die wohl effizienteste Form der Strukturierung aktiver Anlagetätigkeiten sind kollektive Anlagegefässe, aus Akzeptanzgründen idealerweise in der Form von Anlagefonds.
Unsicherheiten bei der Regulierung
Noch bestehen allerdings grössere regulatorische Unsicherheiten und Hürden. So sind im «ICO-Land Schweiz» bislang keine Genehmigungen der Finma bekanntgeworden, welche an Fonds mit explizitem Anlagefokus im Krypto-Asset-Bereich ausgestellt wurden. Demgegenüber wurden im März 2018 in Liechtenstein erstmals drei Fonds3 (unter dem europäischen AIFMD-Regime) durch die Aufsichtsbehörde FMA genehmigt. Die aus Fonds- und Instrumentensicht sehr viel bedeutenderen Aufsichtsbehörden in Luxemburg und Irland scheinen gegenwärtig noch eine eher zurückhaltende Position einzunehmen. Wohl auch, weil auf Stufe der European Securities and Market Authority (ESMA) bislang keine Klarheit bezüglich Fonds und Anlageinstrumente geschaffen wurde, die auf Krypto-Assets basieren.
Eine Vielzahl eingereichter und zur Bewilligung anstehender Fondsprojekte im Kryptobereich wird den Druck auf regulatorische Klärung der Situation in der Schweiz sowie in Europa aufrechterhalten. Ebenso der Umstand, dass einerseits Zertifikatslösungen, die eine echte und aktive Verwaltung der unterliegenden Krypto-Assets erlauben, im Begriff sind, sich im Markt zu etablieren. Andererseits weil sich in anderen Teilen der Welt bereits Formen der kollektiven Kapitalanlagen auch im Bereich Krypto-Assets etabliert haben.4 Schätzungen gehen von weltweit bereits 150 bis 170 Fonds aus, die schwergewichtig in Krypto-Assets und darauf basierende Anwendungen investieren.
Kurzum: die ideale «Verpackung» der aktiven Anlageansätze wären Fonds als akzeptierte Formen der kollektiven Kapitalanlage – damit allerdings tun sich die europäischen Regulatoren noch schwer. Das ist einerseits verständlich, denn Krypto-Assets sind eine junge Anlageklasse, die sich sehr schnell entwickelt. Andererseits aber zeigt die steigende Nachfrage, dass es Zeit wird, sich auf verbindliche Standards zu einigen, damit sich ein Markt entwickeln kann, der zum Nutzen aller Anleger gereicht.
1 Wobei der Fokus, gerade wegen der oft gehörten These eines Hypes, zentral auf einer geeigneten Umsetzung und Strukturierung liegen sollte.
2 Die Falcon Private Bank ermöglicht Direktanlagen in Bitcoin, Bitcoin Cash, Ethereum und Litecoin, wobei der Handel über Bitcoin Suisse abgewickelt und das Cold-Storage-Wallet der Bank benutzt wird. Swissquote ermöglicht zusätzlich noch Direktanlagen in Ripple, wobei als Verwahrstelle die Kryptobörse Bitstamp fungiert. Die Cornerbank bietet Exchange-Trade-Notes auf Bitcoin und Ethereum an, die IG Bank sogenannte Contracts-for-Difference, die Long- und Short-Positionen auf Bitcoin, Ethereum, Ripple und Litecoin ermöglichen. Die Bank Vontobel bietet schliesslich Tracker-Zertifikate und Mini-Futures auf Bitcoin und Bitcoin Cash an. Leonteq erweitert das Anlageuniversum, ebenfalls über Tracker-Zertifikate, noch um Ethereum und Litecoin sowie auf den Swissquote Multi Crypto Active Index mit wiederum denselben vier Hauptcoins. Das aktive Element des Index besteht dabei in einer auf Algorithmen basierten, rein mechanischen Volatilitäts- und Korrelationssteuerung mit der Zielsetzung einer Drawdown-Beschränkung. Ähnliche Zertifikatslösungen finden sich auch in anderen europäischen Ländern, so beispielsweise an der schwedischen Börse mit handelbaren Tracker-Zertifikaten auf Bitcoin oder Ethereum.
3 Der Incrementum Crypto One Fund, der Crypto Vario Fund sowie der Postera Fund – Crypto I.
4 So bietet beispielsweise GrayScale.co über gelistete Investment Trusts die Hauptcoins oder über den GrayScale Digital Large Cap Fund auch ein aktiv verwaltetes Krypto-Asset-Portfolio an. Blockchain Capital aus San Francisco vertreibt Multistage Funds, welche direkt in Krypto-Assets wie auch indirekt in Krypto-Aktien investieren. Alleine für die im März 2018 geschlossene vierte Finanzierungsrunde hat die Firma dabei 150 Millionen US-Dollar eingenommen. Einen ähnlichen Ansatz fährt die ebenfalls in den USA domizilierte Pantera Capital, welche sich ausschliesslich auf Krypto-Assets und die verschiedenen Anwendungen der Blockchain-Technologie spezialisiert hat. Die Firma verwaltet insgesamt 800 Millionen US-Dollar, welche über zwei Krypto-Venture-Capital- sowie vier verschiedene Krypto-Asset-Funds veranlagt sind. In Australien steht mit dem Apollo Capital Fund bereits ein Open-Ended-Anlagefonds zur Verfügung, der selbst für Wholesale-Kanäle offensteht. Der Fonds verfolgt eine aktive Anlagestrategie und investiert in verschiedenste Tokens.
Bernhard Schneider
ist Ökonom und Leiter Asset Management bei der PMG Fonds Management AG. Zuvor war er jahrelang für führende Bankinstitute tätig.
ist Chefredaktor dieser Zeitschrift.