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Wunschpolitik, Wunschwähler, Wunschdenken

Wer seinen Blick auf das Verhalten der Bürger in angeschlagenen europäischen Staaten lenkt, kann auf den Gedanken verfallen: Demokratien sind nichts anderes als Wunschpolitikproduktionsmaschinen. Demokratische Wunschpolitik spricht den Wähler in seiner höchsten Eigenschaft als Phantasiewesen an. Sie stiftet ihn an, an all die schönen Verheissungen zu glauben, die in Richtung eines unbeschwerten und sorgenfreien Lebens […]

Wunschpolitik, Wunschwähler, Wunschdenken

Wer seinen Blick auf das Verhalten der Bürger in angeschlagenen europäischen Staaten lenkt, kann auf den Gedanken verfallen: Demokratien sind nichts anderes als Wunschpolitikproduktionsmaschinen. Demokratische Wunschpolitik spricht den Wähler in seiner höchsten Eigenschaft als Phantasiewesen an. Sie stiftet ihn an, an all die schönen Verheissungen zu glauben, die in Richtung eines unbeschwerten und sorgenfreien Lebens weisen. Sparappelle und Forderungen nach Haushaltsdisziplin erweisen sich in dieser Optik als unbegründete Drohungen verzagter Zukunftspessimisten. Wunschpolitiker sind knallharte Zukunftsoptimisten, die konsequent die Agenda einer Politik verfolgen, die sie selbst als fortschrittlich begreifen. In wirtschaftlich guten Zeiten besteht für sie kein Grund zu Ausgabendisziplin – die Aussicht auf Wirtschaftswachstum verpflichtet sie in ihren Augen, in Zukunftsprojekte ihrer Wunsch­wähler zu investieren. In wirtschaftlich schlechten Zeiten orten sie wiederum Bedarf nach grossen finanziellen Anstrengungen der Politik, um künstlich Kaufkraft für die Wunschwähler zu schaffen. Wunschpolitiker halten sich an die Erkenntnis, dass ein Staat ohne Staatsschuld – nach an einer Formulierung des Ökonomen Lorenz von Stein – einfach zu wenig für seine Zukunft tut. Wunschpolitik moderner Demokratien basiert also auf dem klaren Primat der Zukunft über Gegenwart und Vergangenheit. Sie ist in sich schlüssig und höchst erfolgreich, wie die Wahlen im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, in Frankreich oder Griechenland beweisen. Der Erfolg bemisst sich selbstredend nicht nach der allfälligen Schuldenquote von Staaten oder Privaten, da diese Quote bloss viel über Vergangenheit und Gegenwart, aber nichts über die Zukunft aussagt. Was in einer Wunschdemokratie einzig zählt, ist die Zustimmung jener Wähler, die den Mut haben, ihr Wunschpotential zu aktivieren und auf die Zukunft zu setzen. Dabei kennt die demokratische Wunschpolitik kein politisches Bekenntnis und beansprucht universelle Gültigkeit. Konservative, Sozialisten und Liberale, Deutschland, Frankreich und Griechenland – alle machen mit.

Der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter empfahl vor 70 Jahren, die Wahl- und Entscheidungsfindungsprozesse moderner Demokratien als Wunschökonomie zu analysieren, die nach dem Prinzip des Wettbewerbs funktioniert. Die Politiker konkurrieren um die Stimmen der Wähler, die ihre Kunden darstellen. Wer ihnen das beste Angebot unterbreitet, erhält den Zuschlag. Und das heisst in wohlfahrtsstaatlich verfassten Demokratien: Wer seinen Kunden die grössten Versprechungen in Form finanzieller Förderungen, Privilegien und Subventionen macht, wird gewählt. Demokratien haben den Vorteil, über kurze Legislaturperioden zu verfügen. Jene, die die Versprechungen machen, brauchen sie nicht selbst zu finanzieren, oder genauer: brauchen für die spätere Finanzierung über Steuererhöhungen oder Neuverschuldung nicht selbst geradezustehen. Der deutsche Publizist Rainer Hank beschreibt die finanzielle Dynamik moderner Demokratien in seinem neuen Buch «Die Pleite-Republik» treffend, wenn er von einer Beglückungsmaschinerie spricht, in der «das Geld stets die anderen zahlen». So lassen sich wunderbare «Ausgabenpartys» zum Zweck der «Wählerstimmenmaximierung» feiern. Der Zusammenhang von Ursache und Wirkung bleibt so lange verschleiert, als jene, die versprechen, und jene, die haften, sich nicht decken; so lange, als jene, die profitieren, und jene, die zahlen, sich nicht kennen.

Solche Einsichten relativieren Verheissungen von politischem Wettbewerb mit kurzfristigen Zyklen. Ich lege allen, die sich für die Wunschdynamik moderner Demokratien interessieren, das neue Opus des libertären Ökonomen Hans-Hermann Hoppe ans Herz. Es trägt den Titel «Der Wettbewerb der Gauner». Hoppes Analysen sind luzide und zeigen, warum am Ende stets die Wunschpolitik obsiegt. Regiert wird mit dem Mittel der Wunschmobilisierung; gewählt wird mit dem Anspruch auf Wunscherfüllung. Man könnte nun fragen: Was passiert, wenn die Wunschwähler merken, dass die anderen am Ende niemand anders sind als sie selbst? Doch wer so fragt, ist aus Sicht der Wunschpolitik einfach noch nicht auf der Höhe des neuen Wunschdenkens.

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