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Wir sind pleite

US-Finanzkrise: die Manager haben uns an den Abgrund geführt. Aber meint wirklich irgendwer, die Regierung sei fähig, die angeschlagenen Konzerne besser zu führen als die Manager?

Harry Reid, der Führer der demokratischen Mehrheit im amerikanischen Senat, sprach die ersten wahren Worte eines Politikers in der gesamten Krise: «Keiner weiss, was tun. Alles ist Neuland. Dies ist ein völlig andersartiges Spiel.»

Er hat meinen Respekt für diesen Kommentar. Während über einem Jahr hörten wir von unserem Finanzminister Hank Paulson, unser Bankensystem sei gesund. Vorher war er CEO von Goldman Sachs gewesen. Er kannte die eingegangenen extremen Risiken. Er belog das amerikanische Publikum. Heute wird er als Held gefeiert, der daran sei, unser Land zu retten. Wir sollten sehr vorsichtig sein, Menschen wie Paulson zu Helden zu erklären. Helden sind Menschen wie der Unionistenoberst Joshua Chamberlin, der in der Schlacht von Gettysburg seine Leute vom Little Round Top herab zum Angriff führte und die Unionsarmee rettete. Hank Paulson hat künftigen Generationen wegen der Sünden seiner Spezis von Wall Street Billionen von Schulden aufgeladen. Ich kenne viele Helden, aber Hank Paulson ist keiner. Dies ist meine Zwischenbilanz nach neun bewegten Monaten:

– Jene Leute, denen wir all die Fehlkalkulationen verdanken; die unser Land in den Schlamassel geführt haben; die nichts haben kommen sehen; die, als es kam, bestritten, dass es ein ernstes Problem sei – jenes sind dieselben Leute, von denen nun die Lösung genau dieses Problems kommen soll. Soll sich auf dieser Basis bei den Amerikanern Vertrauen in ihre Regierung einstellen?

– Die Regierung hat mit Hank Paulsons Bazooka alle ihre Raketen verschossen. Was passiert, wenn es nicht funktioniert? Mich schaudert bei dem Gedanken.

– Die gegenwärtige Krise zeigt, dass als CEO irgendeiner unserer Finanzinstitutionen ein Dorftrottel weniger Schaden angerichtet hätte als die gegenwärtig im Einsatz stehenden Harvard-MBAs. Deren totales Manko an Voraussicht, Vision, Strategie und Risikomanagement schreit nach der Streichung all der unsittlichen Bezüge dieser Leute. Ihre Gier sowie ihr und der anderen Topmanager kurzsichtiges Streben nach kurzfristigen Gewinnen ist die Quelle all der miserablen Entscheidungen mit tragischen Folgen.

– Es widerstrebt mir, Richard Nixon zu zitieren. Doch als man ihm sagte, irgendein Mammutunternehmen sei «zu gross um pleitezugehen», antwortete er: «Dann zwingt es, kleiner zu werden.» Es hängt mir zum Hals heraus, von jeder Unternehmung mit einem Problem zu hören, sie sei zu gross zum Verschwinden. Die Regierung darf keine Unternehmung so gross werden lassen. Doch soeben ermunterte sie – wie könnte es denn anders sein – unverdrossen die Bank of America, Merrill Lynch zu übernehmen und so zur pleitensicheren Grösse zu gelangen.

– Das amerikanische Volk sollte sich darüber im klaren sein, dass die 1,255 Billionen Dollar bei den Chinesen, Russen, Japanern und im Nahen Osten gepumpt werden müssen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind pleite. Wir haben kein Geld. Auf das amerikanische Volk kommen Zinszahlungen von jährlich über 60 Milliarden Dollar zu, 164 Millionen pro Tag, 6,8 Millionen pro Stunde.

– Alle Amerikaner wissen: wenn du von jemandem borgst, hat er das Sagen. Wir bitten nun China um Kapitalspritzen. China und die Staaten des Nahen Ostens werden damit immer mächtiger, Tag für Tag. Das amerikanische Imperium hat seinen langen, schleichenden Niedergang angetreten.

– Es ist ein uraltes Dilemma, ob Kanonen oder Butter zu finanzieren seien. Als die USA in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren beides gleichzeitig versuchten, endete das in massiver Inflation und Stagflation. Mit unseren Kriegen, immensen nichtfinanzierten Verpflichtungen, den von beiden Präsidentschaftskandidaten versprochenen Steuererleichterungen und nun mit der gigantischsten Bankenrettungsaktion der Geschichte offerieren wir uns gleichzeitig Kanonen, Butter und Banken.

– Als Folge der jüngsten Massnahmen wird das Konsumentenvertrauen und das Vertrauen in die Regierung fallen, nicht zunehmen. Unsere Chefs haben uns belogen und hinters Licht geführt. Die massiven Abzüge aus dem Geldmarkt waren keine Zeichen von Panik. Sie waren die vernunftgemässe Antwort auf die irreführenden Beteuerungen der Banker, Geldmärkte seien verlustsicher.

– Angesichts der Anstrengungen, den Banken ihre faulen Anlagen abzunehmen, können amerikanische Bürger zum Schluss kommen, auch sie brauchten zu ihren eigenen Schulden nicht mehr zu stehen. Denn von unseren Oberen erreicht uns die moralisch verheerende Botschaft: Schlimme Entscheidungen haben keine schlimmen Folgen.

– Jede Gesetzgebung, inmitten einer Krise in einem extrem engen Zeitrahmen zusammengeflickt, wird unausgegoren und mangelhaft sein. Sie wird Fehler, Auslassungen und Löcher enthalten. Lasst uns hoffen, dass daraus nicht ein neuer Schwarzer Schwan ausschlüpft.

aus dem Englischen von Reinhart R. Fischer

James Quinn ist Ökonom und Generaldirektor für Strategische Planung an der University of Pennsylvania.

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