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«Wir müssen Vorbilder sein für die jungen Frauen»
Gabriela Manser & Sabina Schumacher Heinzer, fotografiert von Daniel Jung

«Wir müssen Vorbilder sein für die jungen Frauen»

Zwei Chefinnen von Schweizer Familienunternehmen geben Auskunft über Frauenkarrieren im Jahr 2021. Dabei geht es um Ausbildungswege, militärische Ausdrucksweisen und weibliche Führungsqualitäten.

 

Frau Manser, Sie sind ausgebildete Kindergärtnerin. Wie ist Ihre ursprüngliche Berufswahl zustande gekommen?

Gabriela Manser: Was ich wollte, konnte ich nicht. Und was ich konnte, wollte ich nicht. Ich war keine gute Schülerin und hatte lange schlechte Noten. Man hat dann kurzerhand entschieden, dass ich bei meinem Vater eine kaufmännische Ausbildung mache. Zu meinem Glück gab es dort sehr gute Lehrkräfte, die recht bald erkannt haben, dass ich Legasthenikerin bin. Innerhalb eines halben Jahres habe ich das Lernen gelernt, und meine Wünsche sind in greifbare Nähe gerückt. Ich bin dann zwar nicht Ärztin geworden, aber Pädagogin. Nach der Aufnahmeprüfung zum Kindergärtnerinnenseminar folgten drei Jahre Ausbildung, in denen ich endlich das lernen konnte, was ich wollte. Das KV habe ich auch abgeschlossen, und das war sehr nützlich für später.

Haben Sie lange als Kindergärtnerin gearbeitet?

Manser: Inklusive Ausbildung war ich während 17 Jahren als Pädagogin tätig. Ich habe in dieser Zeit Ausbildungen gemacht zur Teamberaterin, Supervisorin und Schulleiterin und so Freude bekommen am Leiten und am Führen. Der Gedanke, eine Schule zu leiten, war spannend, und gleichzeitig wusste ich: Jetzt möchten unsere Eltern die Mineralquelle Gontenbad AG verkaufen.

Frau Schumacher, Sie wurden als Handarbeitslehrerin ausgebildet. Wie sind Sie dazu gekommen?

Sabina Schumacher: Ich wollte Ernährungsberaterin werden und suchte deshalb den Weg in den paramedizinischen Bereich. Ich merkte dann aber bald, dass mir die Arbeit im Spital nicht guttut, weil ich mich zu wenig abgrenzen kann. Also musste ich ein Zwischenjahr einlegen, und so bin ich zur Handarbeitslehrerin geworden. Verknüpft mit dieser Berufswahl war ein Studium, und das wollte ich gar nicht. Denn meine Vision war es, dass ich verheiratet sein werde, vier Kinder, einen Hund und ein Haus habe und keiner Erwerbsarbeit nachgehe. Ich war doch sehr in den Rollenklischees verfangen und habe meine Berufswahl stark auf jene Vorbilder abgestützt, die ich hatte. Ich habe später noch die Handelsschule abgeschlossen und berufsbegleitend eine Marketing- und Betriebswirtschaftsausbildung absolviert. Rückblickend hätte ich wohl Betriebswirtschaft studieren sollen – ich wäre wohl aber am gleichen Ort angelangt wie heute (lacht).

Sie haben beide den Familienbetrieb übernommen und führen ihn heute in dritter Generation.

Schumacher: Ich habe drei Geschwister, und unter uns war immer ich diejenige, die sich am meisten für die Firma, die Fluidtechnikkomponenten sowie Logistiksupport anbietet, interessiert hat. Als ich Berufserfahrung suchte, bot mir mein Vater einen Job im Einkauf an. Als ich ihm später vorhielt, er würde mich nur deswegen nicht richtig fördern, weil ich seine Tochter sei und nicht sein Sohn, hat er mich – gegen den Widerstand seiner Brüder – in den Verwaltungsrat genommen. Dass ich so schon mit 28 Jahren zur Verwaltungsrätin geworden bin, rechne ich meinem Vater hoch an. 2004 haben wir dann die Firma aufkaufen müssen, weil sie meine Onkel an die Konkurrenz verkaufen wollten. Seither bin ich Mehrheitsaktionärin, und insgesamt bin ich nun schon 33 Jahre mit dabei.

Manser: Als mein Vater 60 Jahre alt wurde, hat er gefragt, ob ich oder meine Schwester die Firma übernehmen wollten oder unsere damaligen Partner. Zunächst konnten wir uns das nicht vorstellen. Und so versuchten die Eltern, die Firma zu verkaufen. Es gab auch immer wieder Kaufinteressenten, aber niemand wollte die Infrastruktur übernehmen und die Arbeitsplätze erhalten. Meinem Vater war das aber wichtig; er hat immer darauf gehofft, dass jemand kommt, der auch diesen Teil übernimmt. Weitere zehn Jahre vergingen, und der Firma ging es nicht mehr ganz so gut. In der Zwischenzeit war ich in meiner Führungsaufgabe als Schulleiterin und so fand ich den Mut, dieses Thema doch anzugehen. Ich habe dann zuerst mit meiner Schwester gesprochen, und diese fand: «Wenn du willst, probier es – ich will es nicht.» Also habe ich das Gespräch mit den Eltern gesucht, und schliesslich haben wir Familienvereinbarungen ausgearbeitet und ich habe losgelegt: Ich übernahm hundert Prozent der Aktien und einen riesigen Berg an Schulden.

Mutig!

Manser: Wenn es nicht gelingt, dachte ich, kann ich ja zwei Jahre später verkaufen. Nach zwei Jahren war klar: Wir müssen entweder aufgeben und herunterfahren – oder richtig investieren. Investieren im Umfang von vier Jahresumsätzen! Eine Bank macht da nicht mit, also brauchte es Eigenkapital. Eine der Varianten, Eigenkapital zu sammeln, war der Verkauf von Liebhaberaktien. So bin ich mit dem Dossier von Kindergärtnerin zu Kindergärtnerin gelaufen – mein Umfeld war damals noch sehr geprägt von dieser Zeit vorher – und habe versucht, meine Aktien zu platzieren. Das war 2002, just in jenem Jahr, als wir unser neues Produkt Flauder mit grossem Erfolg auf den Markt gebracht haben. Das hat auch dem Absatz der Aktien sehr geholfen, so dass wir am Ende dieses Jahres sogar zu wenig Aktien hatten.

Wenn man männliche Unternehmer fragt, was in der Karriere hilfreich war, fällt oft die Formulierung, dass die Ehefrau ihnen den Rücken freigehalten habe. War das auch so bei Ihnen?

Schumacher: Mein Ex-Mann hat mir den Rücken überhaupt nicht freigehalten. Ich war zwar verheiratet, aber die ersten sieben Jahre als CEO alleinerziehend. Als ich die Unternehmensleitung übernahm, stand ich allein mit einem Säugling da. Teil des Deals mit meinen Eltern war, dass sie mich diesbezüglich unterstützen. Meine Mutter hat x-mal bei Anlässen nicht zugesagt, um zu ihrem Enkel zu schauen, weil ich auf Geschäftsreise war. Ich hatte Eltern, die mir den Rücken freigehalten haben, nicht einen Mann.

Manser: Ich hatte zwar einen Partner, aber das war im Gegenteil eine Herausforderung, weil er selbst auch ein Geschäft hatte. Nun bin ich seit drei Jahren verheiratet mit einem Partner, der mir viel Unterstützung und Hilfe bieten kann.

Schumacher: Ich habe heute auch einen Ehemann, mit dem ich am Abend die Herausforderungen diskutieren kann. Auch er ist in einer verantwortungsvollen Position, deshalb können wir stark voneinander profitieren. Es wäre natürlich ideal gewesen, wenn ich das von Anfang an gehabt hätte.

Sie haben Ihr Umfeld verändert und sind heute beide Chefinnen. Wie wichtig ist der Unterschied zwischen Frauen und Männern heute noch?

Manser: Hallelujah, it’s a man’s world! Wenn ich auf der Bühne Wirtschaftsmännern vis-à-vis sitze, muss ich jeweils sehr gut zuhören, weil ihre Sprache eine ganz andere ist. Bei der Umschreibung von Hierarchien wird es bei ihnen schnell militärisch, es geht etwa um Divisionen oder detachieren, rekrutieren… Unsere Firma ist flachhierarchisch organisiert, aber ich weigere mich, diese Sprache anzunehmen. Ich gebe gerne offen Auskunft, aber ich mache das auf meine Art und in meiner Sprache. Das führt auch dazu, dass ich manchmal nicht verstanden werde.

Es gibt in der Schweiz verschiedene Zusammenschlüsse von Frauen in Branchen, die nach wie vor als sehr männlich gelten, beispielsweise die Schweizerische Vereinigung für Ingenieurinnen. Braucht es solche Organisationen, Vereine und Clubs nur für Frauen?

Schumacher: Ich bin in rein weiblichen, aber auch in gemischten Organisationen mit dabei. Und mich bringen die gemischten weiter, weil hier beide Sichtweisen zusammenkommen. Ich bin eine Verfechterin des Gemeinsamen, und ich möchte, dass wir Berufs- und Arbeitsfelder gemeinsam entwickeln. Vereinigungen wie die der Ingenieurinnen möchte ich ermuntern, sich auch in gemischten Organisationen einzubringen. Die Welt hat sich gewandelt: Mein Sohn studiert Engineering, und dort gibt es keine Diskussionen darüber, ob eine Frau studiert oder ein Mann.

Aber gemischte Teams würden ja voraussetzen, dass es auch Männer gibt, die sich aktiv für frauenpolitische Anliegen in ­Unternehmen einsetzen.

Schumacher: Aber das ist auch so. Unser ganzes Kader besteht aus Männern, ich bin die einzige Frau im Topmanagement, leider.

Manser: Kürzlich habe ich einen Mann aus meinem Führungsteam den Satz «Also wir haben auch Männer in unserer Firma» sagen gehört. Ich fand das einen lustvollen Umgang mit dem Thema. Trotzdem spüre ich, wie stark wir noch von alten Geschlechterrollen dominiert sind. Dass Männern ermöglicht wird, einen Fami­lientag zu machen, steht nicht im Fokus. Es müsste doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass Chauffeure und Lageristen auch Teilzeit arbeiten können. Bei uns ist es das, aber ich weiss, dass es an vielen anderen Orten nicht möglich ist.

Gabriela Manser, fotografiert von Daniel Jung

«Es müsste doch eine

Selbstverständlichkeit sein,

dass Chauffeure und Lageristen

auch Teilzeit arbeiten können.»

Schumacher: In unserer Geschäftsleitung ist niemand fünf Tage in der Woche anwesend. Jeder von uns kann an einem Tag einen Familientag einziehen – nur Montag und Donnerstag sind fix für die gemeinsamen Sitzungen. Wir sind ein familienfreundliches Unternehmen: Was ich gebraucht habe, um meinen Sohn grosszuziehen, das will ich auch meinen Mitarbeitenden zugestehen.

Wann sind Sie zuletzt positiv oder negativ diskriminiert worden als Frau?

Manser: Das Positive würde ich gar nicht merken (lacht).

Das merkt man wohl gerne nicht.

Manser: Wenn ich eingeladen werde, müsste ich ja aktiv nachfragen, ob ich ausschliesslich eingeladen wurde, weil ich eine Frau bin. Oder werde ich eingeladen, weil ich Fachperson bin, weil ich einfach gut dazupasse? Diese Frage müsste ich stellen, aber das mache ich nicht. Als ich neu in der Firma war, stellte ich sehr viele Fragen, weil ich die Fachkompetenz noch nicht hatte. Als ich also meinen Getränkehändlern ein Loch in den Bauch fragte, haben sie mir mit Freude geholfen und mir alles erzählt, was ich wissen wollte. Was aber, wenn ich als Mann so viele Fragen gestellt hätte? Die hätten doch gesagt: Komm wieder, wenn du besser informiert bist.

Schumacher: Mein technischer Leiter ist ein Jahr älter als ich: gross, breitschultrig und grauhaarig. Als wir zusammen an einer Messe waren, hat er auch schon «May I introduce my boss?» gesagt und nach unten auf die kleine Frau Schumacher gezeigt – dann die Gesichter der Leute zu sehen, das ist schon witzig. Mir hat aber auch schon einer gesagt, sie bräuchten noch ein schönes Gesicht, und dann habe ich gesagt: «Ja, wenn Sie meinen.» Im Nachhinein hat er dann gemerkt, dass dieses schöne Gesicht auch noch einen technischen Grosshandel mit 50 Leuten und etwas zu erzählen hat – dann dreht die Meinung.

Männer trauen sich oft viel zu, auch wenn sie wenig können. Frauen trauen sich oft wenig zu, auch wenn sie viel können. Wie kriegen Frauen mehr Selbstvertrauen?

Manser: Vorbilder sind entscheidend! Ich bin selbst als Mentorin tätig, und es entstehen Projekte, die Frauen sichtbarer machen: Alphaberta.ch etwa sammelt Frauen in der Ostschweiz, die sich für Referate zur Verfügung stellen. Tatsache ist, dass Frauen oft einfach weniger vorkommen. Ich zähle immer, wie viele Männer, Frauen, Kinder in der Werbung, in einem Bilderbuch, auf Sonnenschirmen etc. vorkommen – und oft dominieren einfach die Männer. Auch uns selbst ist es schon passiert bei einer Werbekampagne, dass wir plötzlich mehr Männer in einer Werbekampagne hatten als Frauen. Wir merken das erst, wenn wir uns dessen bewusst werden.

Schumacher: Kürzlich hat mich jemand an einem Anlass angesprochen, er suche eine Verwaltungsrätin mit Finanzkompetenz – ich hätte sicher ein gutes Netzwerk. Natürlich habe ich selbst Finanzkompetenz und bin Verwaltungsrätin. Dennoch habe ich nicht gleich gesagt, ich würde mich eignen, sondern ich habe gesagt, ich würde mir überlegen, wer in Frage kommen könnte. Mir fehlte ganz offenbar der Mut und das Selbstvertrauen, zu sagen: Hey, ich!

Was sind Ihre Erinnerungen an die Schweiz vor der Einführung des Frauenstimmrechts 1971?

Schumacher: Meine Mutter hatte aufgehört zu arbeiten, bevor sie heiratete, sie war Tochter aus gutem Hause. Meine Grossmutter auch: Sie war zu Hause, und der Grossvater hat Geld heimgebracht. Ich bin also mit sehr klassischen Rollenbildern aufgewachsen und habe nur das gekannt. Vor gut zehn Jahren hat mich das in eine massive Krise katapultiert. Mir wurde klar: Ich mache das, was mein Vater gemacht hat, und bin gleichzeitig Mutter; ich musste damit zurechtkommen, dass ich weder meiner Mutter noch meinem Vater genügen konnte in meiner Vorstellung – eben weil ich eine berufstätige Mutter bin. Was das Stimmrecht angeht, bin ich erst als Führungskraft politisch geworden. Früher war ich apolitisch. Das heisst aber nicht, dass ich mich nicht mit Feminismus befasst habe.

Manser: Die Kleinräumigkeit der Schweiz ist frappant: In Appenzell Innerrhoden wurde das Frauenstimmrecht erst 1990 eingeführt, und das ist eine beschämende Tatsache. Natürlich habe ich eine Erinnerung an die Zeit vorher. Ich habe eine engagierte ältere Schwester, die mir das Bewusstsein für solche Themen geweckt und mich damit politisiert hat. Für Appenzell hat das Bundesgericht einen Entscheid gefällt – dass das nötig war, ist unglaublich.

Würden Sie sagen, dass sich Männer im Verlauf der letzten fünf Jahrzehnte weniger modernisiert haben, Frauen dafür umso mehr?

Schumacher: Als ich jung war, dachte ich, dass sich die Welt stark verändern würde und es nicht mehr viele Männer geben würde in meinem Alter, die in einem klassischen Familienkonstrukt leben, in dem die Frauen zu Hause sind und nach den Kindern schauen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir weiter wären, wenn ich in Richtung Pensionierung gehe. Es geht aber viel langsamer vorwärts, als ich erwartet habe.

Sabina Schumacher Heinzer, fotografiert von Daniel Jung

«Meine Vision war es, dass ich verheiratet

sein werde, vier Kinder, einen Hund und

ein Haus habe und keiner Erwerbsarbeit

nachgehe. Ich war doch sehr in den

Rollenklischees verfangen.»

Manser: Viele junge Menschen nehmen die Ungleichheit gar nicht wahr, weil sie in ihrem Umfeld keine Probleme sehen und ganz anders leben.

Schumacher: Der Karriereknick kommt, wenn die Kinder kommen, dann muss man sich organisieren. Solange keine Kinder da sind, leben viele problemlos als gleichberechtigtes Paar. Kinder aber sind einschneidend.

Die Entscheidung, wer die Kinder betreut, kann man aus liberaler Sicht problemlos den Beteiligten überlassen. Aber natürlich gibt es auch Rahmenbedingungen. Haben Sie ein Ideal, stellen Sie politische Forderungen?

Schumacher: In den letzten zwanzig Jahren wurden recht gute Tagesstrukturen aufgebaut. Das Mindset in den Firmen muss ändern, indem man fragt: Kann nur ein guter Chef sein, wer am Morgen als erster kommt und am Abend als letzter geht? Werden Sitzungen familienverträglich erst nach 9.30 Uhr angesagt? Wenn eine Mutter oder ein Vater das Kind in die Krippe bringen muss, braucht es etwas Spielraum. Wir müssen beim Topmanagement ansetzen, um die Haltung zu verändern.

Manser: Als ehemalige Pädagogin weiss ich, dass ein Kind in einer Krippe sehr gut aufgehoben ist. Unter Umständen fühlt es sich viel wohler als in einer Kleinfamilie, die in ihren Strukturen nicht ganz stimmig ist. Die externe, professionelle Kinderbetreuung hat viele Vorteile.

Schumacher: Ich hatte immer die Angst, ich sei eine schlechte Mutter und es komme schief raus. Diese Angst muss man den jungen Frauen nehmen. Es kommt, wie es kommt. Man muss Vertrauen schaffen. Und das können wir in unserem Alter tun: Wir müssen Vorbilder sein für die jungen Frauen und ihnen auch die Angst nehmen.

Manser: Man darf auch darüber nachdenken, ob die Kleinfamilie das richtige Konstrukt ist oder ob es andere Modelle gäbe.

Zum Beispiel?

Manser: Dass man in Mehrgenerationenhäusern lebt. Mein Mann und ich haben sehr gerne Kinder, wir würden uns vielleicht gerne um Kinder kümmern, eigene Enkelinnen und Enkel oder auch andere. In meinem pädagogischen Berufsleben habe ich in verschiedenen Funktionen gesehen, was bei der Erziehung alles schiefgehen kann. Wir können das Konzept der Kita doch auch visionär denken. Ich habe nicht die Lösung, aber die Lösung ist es vielleicht, den Weg zu gehen.

Wie stehen Sie zur staatlichen Frauenförderung?

Schumacher: Ich bin für Quoten in der Selektion, aber nicht für Quoten per se. In der Besetzung einer Führungsposition müsste man eine Quote haben bei der Vorauswahl. Oder man neutralisiert den Bewerbungsprozess, so dass niemand weiss, ob es Bewerber oder Bewerberinnen sind. Als Liberale finde ich, die Quote hat etwas Zwanghaftes – ich bin gegen immer neue Gesetze und Einschränkungen. Von meinem Vater habe ich gelernt, man solle wenn möglich keine neuen Gesetze annehmen – wir haben schon genug.

Manser: Ich sehe viele Frauen mit herausragenden Fähigkeiten. Wieso gelingt es nicht, dass es überall mehr von ihnen hat, in der Bankenwelt, in den Verwaltungsräten, an der Spitze? Ich habe deswegen einmal gesagt, es ginge nicht ohne temporäre Quote. Denn wenn man einmal erlebt hat, wie förderlich es ist, in einem gemischten Team zu arbeiten, will man das. Wenn diese Erfahrung einmal breit verfügbar ist, dann geht es auf, dann, denke ich, müssen wir nicht mehr darüber reden. Ich finde es auch anstrengend, ständig darüber zu reden.

Wenn Sie jetzt eine zwanzigjährige Frau ansprechen: Was ist das Wichtigste, das sie wissen muss?

Schumacher: Sie sollte ihre Berufswahl so gestalten, dass sie finanziell unabhängig sein kann. Frauen müssen sich ganz generell darauf vorbereiten, dass sie alleine oder alleinerziehend sind.

Manser: Die Unabhängigkeit ist wichtig. Es hilft, wenn sie ein Bewusstsein dafür entwickelt, wer sie ist, was sie macht und was sie zu geben bereit ist. Wenn es ihr gelingt, ihre Kraft da zu investieren, wo sie Wichtigkeit und Wert sieht, dann macht das doch auch viel Sinn.

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Gabriela Manser & Sabina Schumacher Heinzer, fotografiert von Daniel Jung
«Wir müssen Vorbilder sein für die jungen Frauen»

Zwei Chefinnen von Schweizer Familienunternehmen geben Auskunft über Frauenkarrieren im Jahr 2021. Dabei geht es um Ausbildungswege, militärische Ausdrucksweisen und weibliche Führungsqualitäten.

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