«Wir müssen keine
Angst haben»
In Europas Industrien geht ein Gespenst um: China sei auf grosser «Einkaufstour». Syngenta-Verwaltungsrat Jürg Witmer hält wenig von solchen Schauermärchen.
Herr Witmer, Sie sind 1985 zum ersten Mal nach China gereist, damals geschäftlich noch für Roche. Wie war dieses China, das Sie gesehen haben?
Heute kaum mehr vorstellbar! Ich wurde mit der Verantwortung für die Pharmaangelegenheiten im «Fernen Osten» nach Hongkong geschickt. Damals gab es noch kein Chinageschäft. Am 2. Januar 1985 reiste ich mit der staatlichen Fluglinie CAAC erstmals nach Peking – eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Ich landete auf dem uralten Flugplatz, der schäbig-veraltet war, schlief dann in einem von insgesamt zwei Hotels, in die Ausländer überhaupt hineindurften. Die Idee: ich sollte einen möglichen Geschäftspartner treffen und schauen, was mit dessen Fabrik möglich war – im Hinblick auf ein Joint Venture, denn nichts anderes war erlaubt. Ein Besuch zeigte, dass es sich um eine Pharmafabrik handelte, die gleichzeitig eine Chemiefabrik war. Die Verhältnisse können Sie sich nicht ausmalen.
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Da gab es ein paar lokale Mandarine in blauen Mao-Kutten, die geraucht haben wie ihre Schlote. Arbeitssicherheit und all diese Dinge gab es nicht. Ich realisierte augenblicklich: für eine Weltfirma wie Roche brauchten wir gewisse Standards, wenn wir in China etwas unternehmen wollten. Hier aber, in dieser Fabrik, gab es nichts Derartiges. Um Alternativen zu erforschen, begann ich, durch das Land zu reisen. Der zweite Besuch war in Tianjin, nach einer mehrstündigen Reise in einem alten Eisenbahnwagen. Heute brauchen Sie von Peking dorthin mit dem Bullet Train weniger als eine Stunde. Vor Ort dasselbe, wie auch in Kanton, dem heutigen Guangzhou, in Nanjing, das dank einer Schule für Medizin und Pharmazeutik immerhin eine sehr starke Pharmazielastigkeit hatte, und am Schluss auch in Schanghai. Ich war kurz davor, die Sache zu beenden, da lernte ich einen jungen Mann kennen, feurig, motiviert – der war damals Direktor einer kleinen Pharmafabrik in Schanghai und wollte etwas bewegen.
Und seine Fabrik sah besser aus als die anderen?
Etwas besser. Mir wurde aber klar: wenn wir gemeinsam in China etwas machen, dann «greenfield», also ab aufs Land und etwas Neues bauen. Ich sagte zu ihm: Gut, du hilfst uns, das Land zu finden und die Bewilligungen zu bekommen – wir bringen das Geld und das Know-how. Im Sommer 1985 sind wir dann gemeinsam aufs Land gefahren, das hiess: aus dem alten Teil von Schanghai auf die andere Seite des Huangpu River, also dorthin, wo heute Pudong ist. Wir hielten vor einem riesigen Reisfeld. So weit das Auge reichte, gab es nur Reisfelder. Wir stiegen aus dem Auto, und er sagte: «Hier. Das könnten wir haben.» Heute liegt dieses Areal in der Mitte von Schanghai, es ist ein Hightech-Park für Biotechnologie und Pharmazie, umgeben von Hochhäusern. Wir waren die ersten dort.
Was in China zwischen 1985 und 2018 passiert ist, hat bei uns im sogenannten Westen über einhundertfünfzig Jahre gedauert. Wie verändert rasanter Fortschritt eine Kultur, auch die Unternehmenskultur?
Die Chinesen haben in dreissig Jahren eine Infrastruktur der Weltklasse hingestellt. Das verdient grosse Bewunderung. Im Unternehmerisch-Geschäftlichen beruht aber weiterhin sehr viel auf Vertrauen und auf gegenseitigem Respekt. 1985, weniger als zehn Jahre nach der Kulturrevolution, gab es zwar wenige Pioniere, dafür aber enorm viele, die bis anhin bewusst davon abgehalten wurden, ihre Talente zu entfalten und produktiv zu werden. Ihre Befreiung war massgeblich für die Entwicklung Chinas verantwortlich. Nehmen wir Mister Xu, einen älteren Mann, den ich kennenlernte. Er war etwa siebzig, klein, braungebrannt, graue Haare, elegant gekleidet. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er an der UCLA einen MBA gemacht. Ende der 1940er Jahre leitete er eine Farbenfabrik in Schanghai, dann kam die Revolution: er wurde abgesägt und hat zehn, fünfzehn Jahre in derselben Fabrik als einfacher Arbeiter gearbeitet. Ein MBA! Wenn der Mann im Westen gewesen wäre, wäre er CEO geworden! Er hat Unglaubliches mitgemacht und auch unglaublich gelitten. Er sprach aber hervorragend Englisch und hat mir dann geholfen, als Übersetzer und mit Ratschlägen.
Sie haben also gleich einen Vertrag mit ihm aufgesetzt?
Zunächst nicht. Mit den Menschen in China ist es wie in der Schweiz: Ich komme aus einer Bauernfamilie. Wenn mein Vater eine Kuh verkaufte, gab er jemandem die Hand darauf, und dann hielten sich beide Parteien an ihr Wort. Mister Xu und den anderen habe ich gesagt: Ich werde euch nie über den Tisch ziehen – und ihr mich genauso wenig. Geschäfte beruhen hier wie dort auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen, dazu braucht es keine hochbezahlten Anwälte. Und es funktionierte und funktioniert: Würde und Grösse hatten die Revolutionäre nicht ausrotten können, auch wenn sie Millionen von hochtalentierten Leuten verheizt und verschwendet haben. Viele haben sich nicht unterkriegen lassen, haben ihre Motivation und ihr Ehrgefühl behalten. Es wuchs in China eine Generation heran, die nun unseren saturierten Leuten mit unseren künstlichen Problemen gegenübersteht. Dass China das, was wir in hundert Jahren industrieller Revolution geleistet haben, in dreissig Jahren nachholen konnte, ist ihnen zu verdanken.
In den westlichen Wohlfahrtsstaaten ist eine gewisse Saturiertheit mittlerweile unübersehbar: immer mehr gesellschaftliche Gruppen denken lieber in Anspruchs- als in Leistungskategorien. Die Politik reagiert nur zu gern darauf: mit mehr Umverteilung, mehr Protektionismus oder mehr von beidem.
Durchaus. Die grösste Stärke der Schweiz war immer, gute Ideen und gute Leute produktiv zu machen. Wir sind klein, aber wir kompensieren das, indem wir die, die Grosses erreichen wollen, fördern und auch von aussen anziehen. Wer hat die Uhrenindustrie oder die Privatbanken in die Schweiz gebracht? Es waren die Hugenotten, die aus Frankreich flüchteten. Woher kam Herr Boveri, und woher holte er die fähigen Ingenieure? Deutschland. Dieses Klima, diese Governance prägt eine Wirtschaftskultur, die ausstrahlt. Deshalb haben wir heute jede Menge hochkapitalisierte, multinationale Unternehmen in der Schweiz. Wenn ich nun die aktuelle Situation mit China vergleiche, muss ich sagen: Leider gibt es auch immer mehr Demagogen bei uns, die den Kuchen an immer mehr Leute verteilen wollen – aber nicht sehen, dass er auch künftig wird gebacken werden müssen. Wer meint, es nütze uns, neue protektionistische Wände hochzuziehen, hat den Ernst der Lage nicht verstanden! Ich sage es deutlich: wenn wir unser liberales System kaputtmachen, gibt es genügend andere tüchtige Länder und Leute, die in die entstehende Lücke springen.
Aktuell ist die Börsenkapitalisierung in der Schweiz noch deutlich höher als der Betrag, den die Chinesen insgesamt im Ausland investiert haben. Das ist nicht unerheblich, will man die wirtschaftlichen Grössenverhältnisse verstehen. Trotzdem wird man das Gefühl kaum los, im staatskapitalistischen China seien die Möglichkeiten fast unendlich, während wir in der Schweiz aus dem letzten Loch pfeifen.
Ach was! Bei uns wird vor allem gern Angst geschürt: von neunmalklugen Journalisten und von noch «klügeren» Politikern. Dabei müssen wir keine Angst haben – im Gegenteil! Wenn wir clever sind, werden wir weiterhin davon profitieren, dass in China kein Hunger mehr herrscht und die Menschen dort Dinge nachfragen, die sie sich bis anhin nicht leisten konnten. Die Schweiz kann eine ganz wichtige Rolle für China spielen, wenn es seine Position auf dem Weltmarkt ausbaut!
Der gesellschaftliche Wind hat aber gedreht: Noch während der Eurokrise waren chinesische Investitionen im Sinne einer erhöhten Resilienz gern gesehen, etwa als der Hafen von Piräus verkauft wurde. Heute hört man nicht nur in linken und konservativen, sondern auch in liberalen Kreisen, dass es angezeigt sei, hiesige Firmen per Gesetz gegen die chinesische Potenz aus kombinierter Privat- und Staatswirtschaft zu schützen. Hat der Verkauf Syngentas die Leute aufgeschreckt?
Zunächst: China will primär die eigene Nahrungsversorgung sicherstellen, dazu brauchen die Chinesen modernes Saatgut und zeitgemässe Agrochemie. Deshalb hat ChemChina ein Angebot für Syngenta abgegeben, nachdem wir damals die Übernahme durch Monsanto abgelehnt hatten.
Ganz kurz: warum eigentlich?
Syngenta war und ist auf dem Gebiet der Agrochemie Marktführer, auf dem Gebiet des Saatguts Nummer drei. Aber profitabel, deshalb stand die Firma eigentlich gar nicht zum Verkauf. Dann kam dieses unfreundliche Angebot von Monsanto in mehreren Schritten. Im Verwaltungsrat waren wir uns einig: ein Zusammenschluss mit dem Weltmarktführer im Saatgut hätte einen Giganten ergeben. Das war das erste Problem – die absehbaren Probleme mit den Wettbewerbsbehörden. Zweitens, und daran anschliessend, hätte ein solcher Zusammenschluss sehr lange Zeit beansprucht, in der die Firma kaum mehr führbar gewesen wäre. Drittens war klar, dass die Amerikaner, die an der Börse mit dem hochprofitablen Saatgut höher bewertet waren als wir, das Sagen haben wollten. Als VR lehnten wir deshalb den Verkauf ab. Aus dem Blauen heraus kam dann von ChemChina ein anderes Angebot, und zwar zu einem Preis, der erheblich über dem damaligen Börsenpreis lag.
Diese 43 Milliarden Dollar waren der höchste Preis, den China jemals für ein ausländisches Unternehmen bezahlt hat.
Und der zweithöchste Cashdeal, der weltweit jemals gemacht wurde.
Die Gefahr, Forschung und Know-how aus der Schweiz abzuziehen, bestand aber doch auch hier?
Wie soll das gehen? Zunächst: Syngenta hatte schon vor der Übernahme in Peking ein Forschungszentrum der Spitzenklasse eröffnet. Das Unternehmen war und ist weltweit tätig: wir haben Forschungszentren in Amerika, in England, in der Schweiz, in Indien und – eben – in China. Eine «Schweizer Firma», wie das immer suggeriert wird, sind wir nicht, Sie können also auch kein «Schweizer Know-how» bei uns abziehen. Die Chinesen waren stattdessen enorm daran interessiert, auf dem Gebiet der Nahrungsmittelsicherheit Technologien zu erwerben, um ihre eigenen 1,4 Milliarden Leute zu ernähren. Für Syngenta gibt es also auch ein ganz rationales ökonomisches Interesse, diese Technologien dorthin zu verkaufen. Ein schöner Nebeneffekt: weil die internationale Konkurrenz im chinesischen Agrosektor bis dahin kaum vertreten war, hatten wir in diesem Wachstumsmarkt nun eine Poleposition.
Syngenta erhielt in China einen privilegierten Marktzugang.
So ist es. Wichtig war uns aber auch, dass die Chinesen sehr behutsam an uns herangetreten sind, sehr bescheiden. Sie haben gesagt: wir wollen euch erwerben, weil wir das nicht selbst können. Wir brauchen euch und kommen euch entgegen, was die Konditionen angeht. Die Firma wird nach internationalen Standards geführt, vergleichbar mit dem System, das wir vorher hatten, und nicht aus Peking ferngesteuert! Natürlich: es gibt immer ein paar Besserwisser, die meinen, erkannt zu haben, dass die Chinesen sich nun die ganze Welt zusammenkaufen und als erste Amtshandlung dann Syngenta in Basel schliessen. Aber: sie zahlen doch keine 43 Milliarden, um den eben erworbenen Wert dann zu vernichten!?
Auch im Hinblick auf die Zukunft wäre das wohl unklug, schliesslich beobachtet die ganze Welt, wie China mit dem gekauften Unternehmen umgeht.
Genau. Bei all dem Trompeten um «die gelbe Gefahr» – genau, das war in den 1980ern schon mal Japan, was ist daraus geworden? (lacht) – dürfen Sie nicht vergessen, dass China auch ein ganz anderes Selbstverständnis hat, wenn es um Auslandinvestitionen geht: China ist das Reich der Mitte. Es sieht sich als Zentrum der Welt, zu dem alle anderen als Tributäre etwas beitragen, aber eben genau nicht in dem Sinne, dass es einen Weltmachtanspruch hat. Das ist in ihrer Kultur nicht angelegt. Und damit es noch einmal gesagt ist: diese nach innen und nicht nach aussen gerichtete Hochkultur existierte schon, als die Germanen in den Wäldern noch an Knochen nagten!
Wissen Sie eigentlich, woher das Geld für die Übernahme kam?
China hat ja genügend Geld, und ChemChina ist ein Staatsunternehmen. Die Verantwortlichen können finanzieren, was sie wollen, denn sie sind gute Geschäftsleute und refinanzieren ihre Investments, soweit es geht, über das Finanzsystem, allerdings auch nicht einfach so. Sie müssen auch in China vorab erklären, warum es in diesem Fall Sinn macht, zu investieren. Und das macht immer dann Sinn, wenn sie ausgewiesene Expertise erwerben können, die langfristig Wert schafft.
Die Expertise brauchen sie in personeller Hinsicht auch, um ein globales Unternehmen zu führen. China tut also gut daran, an den erworbenen Standorten die entsprechenden Strukturen beizubehalten. Aber Hand aufs Herz: wie lange eigentlich noch?
Ich glaube, da darf man sich keine Illusionen machen: die Chinesen können ihre Stellung auf dem Weltmarkt nicht von sich aus – und unilateral – ausbauen. In einem Land, das heute enorm den Konsum fördert, das neue Technologien braucht, um die eigenen Leute zu versorgen, brauchen sie die Expertise der Besten – wo die herkommen, ist zweitrangig. Wichtig ist nur, ob man dazugehört oder nicht. Syngenta gehört dazu, die Mitarbeiter von Syngenta gehören dazu. Deshalb ist mir das Gerede um mehr Schutz vor Übernahmen für «Schweizer Unternehmen» zuwider: es ist nicht so, dass «China» hier die «Schweiz» ausnimmt. Welches SMI-Unternehmen hat denn noch vorwiegend Schweizer Aktionäre? Welches nur Schweizer Mitarbeiter oder Know-how? Was wollen Sie denn da eigentlich schützen? Bei hiesigen Staatsunternehmen sähe das grundsätzlich anders aus, wohl auch, wenn ein chinesischer Unternehmer alle Schweizer Staudämme kaufen wollen würde. Aber das ist ja nicht der Fall. Ich kann mir im Moment überhaupt keinen realistischen Fall ausdenken, der eine generelle Regulierung rechtfertigte.
Müssten nicht mehr Wirtschaftskapitäne hinstehen und diese Sicht der Dinge darlegen?
Es ist eine alte Frage, ob und wie stark man sich exponieren soll. International tätige Unternehmer machen selten Lokalpolitik. Wir müssen zwar erklären, was wir tun – aber vor allem gegenüber unseren Kunden, Aktionären und Mitarbeitern, nicht gegenüber dem Schweizer Stimmvolk. Dem dürfen wir zumuten, sich jenseits der Klischees kundig zu machen und dann sachgerecht abzustimmen. Bisher funktionierte das meistens.
Wenn aber angeprangert wird, dass produktive Privatunternehmen in einer «freien Marktwirtschaft» von Staatskonzernen kommunistischer Regimes übernommen werden, stellt sich doch zumindest indirekt wieder die Systemfrage, die nach 1989 obsolet schien – kurioserweise stellt sie sich aber andersherum.
Man redet nur zu gern davon, dass China keine Demokratie sei und man deshalb nicht mit dem Land zusammenarbeiten solle. Diese Reden kommen vor allem vom hohen, westlichen, gesättigten Ross herab. Bis vor kurzem sind in China noch Millionen von Leuten an Hunger gestorben, heute ist ein Grossteil der Bevölkerung dieser Armut entkommen, ja sogar reich! Dieser Kraftakt vollzieht sich nicht nach unseren freiheitlichen Standards, das stimmt. Aber er vollzieht sich schnell und zeigt im Hinblick auf die Freiheitsgewinne in eine positive Richtung: China bildet heute mehr Ingenieure aus als der Rest der Welt zusammen, viele Fachkräfte haben westliches Training, bei uns gelernt und bringen ihr Wissen und ihre Erfahrungen nun daheim ein…
Was macht Sie so sicher, dass die Chinesen irgendwann demokratische Mitbestimmung fordern werden? Historisch vollzog sich der Prozess der Freiheitsgewinne nicht selten andersherum und nachhaltiger: erst gewährte man die politischen und dann forderte die Gesellschaft die wirtschaftlichen Freiheiten.
Sicher kann man nicht sein, denn diese Art der Liberalisierung ist tatsächlich ein neuer und sehr behutsamer Prozess. Viel spricht dafür: beispielsweise werden die Chinesen längerfristig nur in einem sich weiter liberalisierenden System leben und arbeiten wollen – mit diktatorischen Mitteln können Sie die Gutausgebildeten nicht halten. Die neue chinesische Mittelschicht lässt sich nicht für dumm verkaufen und übt bereits Druck aus. Die Behörden reagieren darauf wie der CEO eines guten Unternehmens – wohlüberlegt, punktuell und effektiv.
Konkret?
Die Umweltverschmutzung beispielsweise ist in China nun endlich das Riesenthema, das sie bei uns schon länger war: Wenn Sie vor zwei, drei Jahren nach Peking kamen, konnten Sie nicht bis zum nächsten Berg sehen – Smog! Die Luft war verseucht, die Böden verseucht, gleichzeitig musste das Land wirtschaftlich wachsen. Das bedeutete für die Regierung aber nicht, nur neue Obergrenzen für die Luftverschmutzung festzulegen oder Fahrverbote zu erlassen! Es bedeutete, alte Fabriken auf den neusten Stand zu bringen und viele auch zu schliessen, dabei aber trotzdem genug Beschäftigung über die Förderung effizienterer Industrien zu ermöglichen. Die Luft wird seither besser, auch wenn noch viel zu tun ist; die Leute sind beschäftigt. Und insgesamt sind alle etwas zufriedener.
Wenn Sie vergleichen, zwischen Ihren China-Erfahrungen von 1985 und heute – was hat sich für Sie persönlich am eindrücklichsten verändert?
Wenn Sie 1985 hinreisten, wurden Sie angeschaut, als kämen Sie aus einem Zoo, heute begegnen wir uns auf Augenhöhe. Unsere Fabrikleiter in China sind mitsamt ihren Werken Weltklasse und brauchen sich vor niemandem mehr zu verstecken. Und allein am Ufer des Huangpu-Flusses in Schanghai, den wir vor dreissig Jahren in einer zweistündigen Autofahrt über die einzige Brücke im Umkreis von vielen Kilometern passieren mussten, um das besagte Areal für die Fabrik zu finden, gibt es heute mehr Sternerestaurants als in der ganzen Schweiz zusammen.