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«Windkraft sehe ich weniger in der Schweiz»
Esther Peiner, zvg.

«Windkraft sehe ich weniger in der Schweiz»

Innovative Infrastrukturprojekte werden zunehmend unter privater Eigentümerschaft gebaut. Eine klare Aufgabenteilung zwischen Staat und Privaten mache Sinn, sagt Esther Peiner, die bei der Partners Group für den Infrastrukturbau verantwortlich ist.

Frau Peiner, die Partners Group investiert stark in ­Infrastruktur. Um was für Anlagen geht es hier?

Um sehr grosse physische Assets. Im Energiebereich können das Gas- oder Stromleitungsnetze sein, im digitalen Bereich Glasfasernetze oder auf Funkverbindung basierende Datenübertragungsnetze. Es können Rechenzentren sein, welche die Verfügbarkeit und den Transport von Daten zulassen, oder Firmen, die diese Anlagen betreiben, entwickeln und aufbauen. In Europa gehört uns zum Beispiel ein sehr grosser Entwickler und Betreiber erneuerbarer Energieanlagen.

 

Bei Infrastruktur denken viele primär an den Staat oder staatsnahe Firmen. Die Partners Group ist aber vollständig ­privat.

Im Schweizer Stromnetz kontrolliert mit der Swissgrid eine Firma das Verteilnetz, die komplett im Staatsbesitz ist. Schaut man sich aber an, wer den Strom auf diesen Anlagen verteilt und versorgt, wer die Energie von A nach B liefert, kommen verschiedene internationale Firmen ins Spiel. Es gibt Anlagen mit Versorgungsauftrag, die so zen­tral sind, dass sie beim Staat verbleiben. Und es gibt Teilbereiche innerhalb dieser Systeme, die von privaten Firmen gebaut, betrieben und genutzt werden.

 

Kann man sagen, dass der Trend bei der Infrastruktur in ­Richtung Privatwirtschaft geht? Überall sonst scheint ja der Trend in Richtung mehr Staat zu gehen.

Wir befinden uns im Moment in einer Situation, in der sehr viele Veränderungen in puncto Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit anstehen. Für all diese Probleme Lösungsansätze zu erarbeiten und diese auch noch zu finanzieren, wäre ein zu komplexes und zu grosses Unterfangen für den Staat. Es ist deshalb wichtig, von privater Seite Impulse geben zu können, so dass Innovationen entstehen und die Effizienz sichergestellt wird. Gibt es nur einen einzigen Auftraggeber – von dem jeder weiss: Der muss es machen –, ist die Effizienz nicht sichergestellt. Ob energetisch, digital oder sozial: Bei Infrastruktur ist es wichtig, dass der Staat die Rahmenbedingungen klar setzt und sagt, wie und mit welchen Ambitionen langfristig geplant wird. Bei der Umsetzung dagegen braucht es meistens mehr Geld, als von staatlicher Seite verfügbar ist. So eröffnen sich private Investitionsmöglichkeiten, die dann auch wahrgenommen werden.

 

Gibt es Grenzen bei der Auswahl von Infrastrukturprojekten für Private?

Nehmen wir den Gotthardbasistunnel, ein wunderbares Infrastrukturprojekt! Ohne klare Verpflichtung und Leitung seitens des Staats kann so ein Projekt, das über Jahrzehnte entwickelt und vorbereitet wird, kaum umgesetzt werden. Was die Investitionslänge und die Sicherheit bezüglich Rahmenbedingungen angeht, übersteigen solche Jahrhundertinvestitionen die Möglichkeiten, wie sie von privater Seite abgedeckt werden können.

 

In den 1870er-Jahren ging das noch mit dem Gotthardtunnelbau von privater Seite. Aber das waren auch andere Zeiten, ­damals gab es noch nicht so viele Gesetze.

Für uns als Verwalter von Geldanlagen, die in diese Infrastrukturprojekte fliessen, konkurriert jedes Projekt A mit anderen Optionen B, C und D, in die wir auch investieren könnten. Wir müssen dabei die Szenarien verstehen und die Renditen relativ klar vorhersehen können. Schliesslich sind wir ja dafür verantwortlich, unseren Kunden eine risikoadjustierte Rendite ausschütten zu können – bei sehr langfristigen Monumentalprojekten ist diese fast unmöglich vorherzusagen. Unsere Projekte müssen abgrenzbar und analysierbar sein.

 

Wer ist bei einem Infrastrukturprojekt typischerweise Ihr Kunde?

Die Investoren, die bei der Partners Group in Fonds oder in Mandatsvehikel investiert sind, sind vor allem Pensionskassen und teilweise Versicherungen. Sie müssen über die nächsten zehn bis dreissig Jahre ihre Verbindlichkeiten abdecken, um die von ihnen getätigten Ausschüttungen sicherzustellen. Wer in Infrastruktur investiert, tut das oft mit wenig Risikobereitschaft; im Vordergrund stehen die Sicherheit, dass die Anlagen dann tatsächlich auch genutzt werden, und eine gewisse Preisstabilität.

 

Wie gehen Sie strategisch vor, wenn Sie eine Firma übernehmen?

Als Eigner liegt unser grösster Fokus auf der Strategie, die in der Schweiz ja vornehmlich seitens des Verwaltungsrats vorangetrieben wird. Dieses Modell eines kompetenten Verwaltungsrats, der die Strategieverantwortung übernimmt, ist ein grosses Plus. Denn so stellt man unternehmerisch sicher, dass sich eine breitere Gruppe damit befasst, wo man steht und wo Opportunitäten existieren, um die Firma weiterzuentwickeln.

 

Wechseln Sie dabei auch die Führungskräfte aus?

Ja, das kommt vor. Es ist aber nicht ein Rezept, das man überall mit reinbringt. Es geht vor allem darum, die richtige Organisationsstruktur und das richtige Führungsteam zu wählen, um sicherzustellen, dass sich die Firma in den nächsten fünf bis sieben Jahren in die gewünschte Richtung entwickeln kann.

 

Wie stehen Sie zu Public-Private-Partnerships? Bauen Sie lieber ohne staatliche Beteiligung oder geht’s auch mit?

Es gibt einige Public-Private-Partnerships, die sehr gut strukturiert sind und funktionieren. Angesichts der stattlichen Anzahl staatlicher Interventionen, die es mittlerweile gibt, auch in bestehenden Systemen, sehen wir mehr Opportunitäten da, wo der Staat nur das Umfeld vorgibt, aber in der Privatwirtschaft die Betreibermodelle zum Tragen kommen. Dort gibt es dann jemand auf der anderen Seite, der die Energie direkt von uns abnehmen will und bereit ist, langfristig Verträge einzugehen.

 

Gibt es auch Infrastrukturprojekte in der Schweiz, die für die Partners Group in Frage kommen?

Im europäischen und globalen Vergleich ist die Schweiz relativ klein, unsere Investitionsvolumen dagegen relativ gross. So wird die Schweiz bei uns vielfach abgedeckt durch Firmen, die im europäischen Ausland aktiv sind. Ein Beispiel wäre der Servicepartner Techem, der Lösungen für grössere Wohnungsbaugesellschaften anbietet, um die Heizung und andere Shared Services im Haus energieeffizienter betreiben zu können. Techem ist bei uns im Portfolio, baut die Schweizer Marktpräsenz aber von Deutschland aus auf.

 

Welche Infrastrukturprojekte bringen eine gute Rendite?

Techem ist ein gutes Beispiel. Es ermöglicht Wohnungsbaugesellschaften, zu gleichen oder niedrigeren Kosten zu heizen und gleichzeitig den CO2-Ausstoss deutlich nach unten zu bringen. Damit lassen sich in Zukunft wirklich gute Renditen erzielen. Ein anderes Beispiel ist unser Investment in Rechenzentren in Island und Schweden. Da sind nicht nur die Kosten niedriger, weil mit Wind, Geothermie und Wasser­kraft relativ günstig Strom produziert wird, sondern es ist auch kälter als in unseren Breitengraden. So braucht es weniger Kühlung, womit weniger Energie verbraucht wird. Zum Beispiel konnte die französische Bank BNP Paribas ­ihren Energieverbrauch um 50 Prozent senken, als sie einen Teil der Rechenzentrumskapazität nach Island verlegte.

 

Die Kaufkraft nimmt ab, je höher die Inflation ist – womit sich unser Vermögen, unsere finanzielle Vorsorge nach und nach auflöst. Wie gross ist das Problem der Inflation für die Partners Group?

Für unsere Kunden ist das ein echtes Problem. Und wir versuchen es zu lösen, indem wir ihnen breitere Investitionsmöglichkeiten anbieten. In den langfristigen Verträgen, die wir mit den Kunden abschliessen, ist die komplette inflationäre Indizierung mit drin. Der Kunde zahlt die Inflation also automatisch jeden Monat mit. Das funktioniert aber natürlich nur dann, wenn das gesamte System weiter finanzierbar bleibt. Langfristig werden auch die Privatmarktanlagen etwas weniger Rendite erwirtschaften. Das muss man aber immer im Vergleich zur Performance auf den Aktienmärkten sehen.

 

Mit dem steigenden Börsenkurs ist die Partners Group in den letzten Jahren zu einem Finanzriesen geworden. Und vor ­Finanzriesen wie Blackrock, Vanguard oder Ihnen haben die Leute auch Angst. Weil sie so viel Geld bewegen, nehmen sie massiv Einfluss. Wie gehen Sie um mit der Macht des vielen Geldes?

Hinter unseren Kunden, den Pensionskassen, steht das Vorsorgegeld von Menschen. Das ist ein Einsatz, mit dem wir nicht spielen wollen. Salopp gesagt: Wenn ich mir nicht absolut sicher sein kann, dass ich bei einem Infrastrukturprojekt zumindest das eingesetzte Kapital über 7 bis 10 Jahre beibehalten kann – selbst wenn Dinge schiefgehen –, dann mache ich es nicht. Genau deshalb prüfen wir eine Investition über viele Monate hinweg, bevor wir sie tätigen.

«Hinter unseren Kunden, den Pensionskassen, steht das Vorsorgegeld von Menschen. Das ist ein Einsatz, mit dem wir nicht spielen wollen.»

Die Wahl des Investments wird zunehmend mit ökologisch-­sozialen Werten in Verbindung gebracht. Blackrock nimmt ­beispielsweise Ölfirmen aus den ETFs heraus. Wie handelt die Partners Group?

Es ist unwahrscheinlich, dass eine Firma, die ihr Geld über Ölgewinnung, Ölverkauf oder Öltransport macht, in unser Portfolio einziehen wird. Im Grundsatz haben wir uns in allen Fragen, die unsere Werte tangieren, einem 12-Punkte-Programm verschrieben. Darin geht es darum, wie wir unsere eigene Firma führen, wie wir den Verwaltungsauftrag in den Portfoliofirmen umsetzen, wie wir unsere Verantwortung auf der Governance- und der sozialen Seite umsetzen. Es geht aber auch um Mitarbeiterentwicklung, um Themen wie Diversity und Inklusion, die wir in unseren Firmen messen und verbessern möchten. Alle unsere Portfoliofirmen müssen einen Compliancekatalog erfüllen. Und das ist nicht verhandelbar.

 

Kein Business also ohne Unterschrift unter den ­Compliancekatalog?

Genau, der Compliancekatalog wird umgesetzt in der Geschäftsordnung der Firmen im Portfolio. Es geht hier um Dinge, von denen ich hoffe, dass sie die meisten Schweizer Firmen sowieso schon umsetzen: vernünftige Entscheidungsprozesse, klare Kontrollsysteme und eine Minimierung der Möglichkeit, dass sich Mitarbeiter in irgendeiner Form in Grauzonen bewegen.

 

Ganz allgemein sind wir uns wohl ­einig, dass die Schweiz eine gute ­Infrastruktur hat. Gibt es dennoch Bereiche, wo Nachholbedarf ­besteht?

Im Moment wird ja viel über Energieerzeugung und Versorgungssicherheit gesprochen. Bisher hat die Schweiz in den Wintermonaten auf die Importflexibilität aus dem europäischen Ausland gezählt. Sie ist gesegnet mit der wunderbaren Ressource der Wasserkraft, und ich würde mir wünschen, der Staat könnte hier mehr Anreize für weitere Projekte schaffen. Windkraft sehe ich weniger in der Schweiz. Es ist zwar gut, wenn man die Windturbinen auf die hohen Berge stellen kann. Aber nur schon, sie da hinzubekommen, kostet so viel wie die Windturbine, die in Mitteldeutschland steht. Bei der Solarenergie dagegen kann die Schweiz noch einiges an Potenzial ausschöpfen.

«Es ist unwahrscheinlich, dass eine Firma, die ihr Geld über
Ölgewinnung, Ölverkauf oder Öltransport macht, in unser
Portfolio einziehen wird.»

Oliver Stones neuer Film «Nuclear» zeigt die grossen ­Möglichkeiten von Minireaktoren auf, die gerade mal ein Dorf versorgen könnten, dafür aber auch nur den Raum ­einer Tankstelle einnehmen. Können Sie sich vorstellen, solche zu finanzieren?

Heute noch nicht, weil ich noch zu viel Unsicherheit sehe. Ich hoffe aber sehr, dass über die nächsten 10 bis 15 Jahre mehr Klarheit entsteht, was die Umsetzung angeht. Und dass es auch einige Investoren gibt, welche die Risikobereitschaft haben, sich das anzuschauen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Atomenergie im nachhaltigen Energiemix eine Rolle spielen wird.

 

Bevor ein Bauprojekt loslegen kann, wird es gerade auch in der Schweiz immer von vielen Einsprachen verzögert. Das ist demokratisch richtig, macht aber vieles schwieriger.
Wie gehen Sie mit Einsprachen um?

Kommt eine Einsprache unerwartet, ist das immer eine schlechte Situation. Grundsätzlich muss man analysieren, ob es ein echtes Problem beim Projektdesign gibt oder ob es sich lediglich um Interessen handelt, mit denen man auf die eine oder andere Weise umgehen kann.

 

Können Sie ein Beispiel nennen?

Zwischen England und Irland bauen wir derzeit ein Elektrizitätskabel, das die beiden Elektrizitätsmärkte miteinander verbindet. Weht der Wind auf der einen Insel und auf der anderen nicht, so kann das sinnvoll ausgeglichen werden. Dieses Projekt hat den Status einer Common Interest Designation bei der Europäischen Union. Das bedeutet für uns als Projektbetreiber: Wenn Einspruchsverfahren in England oder Irland über mehrere Jahre nicht zum Abschluss kommen, können wir an die jeweiligen Planungsbehörden appellieren. Diese wirken dann als Schiedsrichter und führen eine Einigung herbei.

 

Wie beurteilen Sie den Sabotageakt der Nord-Stream-Pipelines in der Nordsee?

Mit Cape Omega betreiben wir selbst eine Gasleitung unweit des Geschehens, wir beobachten die Situation gemeinsam mit der Polizei und dem Grenzschutz. Die Frage ist auch, was hier überhaupt gemacht werden kann – wir können ja nicht eine ständige Patrouille über die Gasleitung laufen lassen.

 

Wie verändert sich dadurch der Energiemarkt?

Die Realitäten des Marktes verschieben sich. So, wie ich es verstehe, wird es schwierig bis unmöglich sein, die Nord-Stream-Leitungen zu reparieren. Auch wenn sich die politischen Beziehungen wieder normalisieren sollten, sehe ich nicht, dass über diese Leitungen in den nächsten paar Jahren Gas fliessen wird.

 

Sehr vulnerabel sind auch die Tiefsee-Internetkabel.

Dort ist man aber flexibler. Das Gas muss ja tatsächlich als Molekül durch die Pipeline fliessen, und normalerweise gibt es auch nur eine Pipeline von A nach B. Bei der Datenübermittlung dagegen können mehrere Wege gegangen werden. Es gibt Satellitenverbindungen als Ausweichmöglichkeit, und beim internationalen Datenverkehr zwischen den USA und Europa gibt es sicherlich 30 bis 40 Kabel, über die auf verschiedenen Wegen und Umwegen Daten von A nach B transportiert werden können.

 

Dieses Dossier steht unter dem Thema Transformation Schweiz; wo wird, wo soll die Schweiz 2040 stehen?

Ich wünsche mir eine Schweiz, die ihre Ressourcen optimal nutzt. Dabei geht es nicht nur um die physische Infrastruktur, sondern auch darum, dass die gesamte soziale Struktur weiterhin darauf ausgelegt ist, ein sehr gutes Umfeld für Innovation, Forschung und Wissenschaft zu erzeugen. Ein grosser Anteil des Erfolges der Schweiz ist es, dass sie es sehr gut schafft, Fachkompetenzen von aussen reinzuholen und diese positiv weiterzuentwickeln – ich habe eine erfrischende Weltoffenheit erlebt hier. Erhaltenswert ist auch das Schweizer Bildungssystem, das meine drei Kinder gerade durchlaufen. Es ist nicht nur in puncto Qualität ausgezeichnet, es werden auch Werte vermittelt, was sie zu eigenständig denkenden Menschen erzieht.

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