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Will die Linke wieder Erfolg haben, muss sie bauen statt träumen
Ezra Klein und Derek Thompson: Abundance. Avid Reader Press, 2025.

Will die Linke wieder Erfolg
haben, muss sie bauen statt träumen

Progressive stehen dem Fortschritt allzu oft im Weg. Ezra Klein und Derek Thompson fordern ein Umdenken.

Die Erbschaftssteuer ist ein Evergreen der Schweizer Linken. Die jüngste Volksinitiative dazu will Erbschaften über 50 Millionen Franken mit einer saftigen 50-Prozent-Steuer belasten. Die Einnahmen sollen in «klimafreundliche» Projekte fliessen.

Die Initiative ist ein Bespiel für linke Politik, wie sie zum Standard geworden ist: Der Fokus liegt darauf, den Bürgern noch mehr Geld wegzunehmen und für allerlei wohlklingende Zwecke auszugeben.

Bei den Wählern lösen solche Rezepte oft nur noch ein müdes Lächeln aus. Den Linken sind die Ideen ausgegangen. In den USA ist alles, was von Joe Biden in Erinnerung bleibt, eine Orgie des Geldausgebens und eine daraus erwachsene massive Inflation. Wer nur darauf fokussiert, Geld auszugeben, wird die grundlegenden Probleme nicht lösen. Und wer mit Subventionen die Nachfrage ankurbelt, während das Angebot unverändert bleibt, wird nur höhere Preise auslösen. Die Quittung für diese Politik erhielten die Demokraten im November.

Streben nach Überfluss

So gesehen könnte das Timing von Ezra Kleins und Derek Thompsons neuem Buch nicht besser sein. Nur schon der Titel ist für manche Linke eine Provokation: «Abundance» heisst es, also Überfluss. Die Autoren – der eine arbeitet bei der «New York Times», der andere beim «Atlantic» – fordern ein grundlegendes Umdenken der Linken: Sie sollen endlich wieder darauf fokussieren, Dinge zu ermöglichen statt mit Regulierung zu verhindern.

Etwa beim Wohnungsbau: Linksregierte Städte beschäftigen Armeen von Beamten, die alles von Mieten über Energiestandards bis zum Schattenwurf regulieren. Das klingt gut und gefällt der eigenen Klientel. Bloss wird dadurch keine einzige neue Wohnung gebaut. Ähnlich läuft es in der Energiepolitik. Die grössten Gegner von sauberen Energien wie Solar- oder Atomkraft sind linke Romantiker, die lieber von «Degrowth» träumen, statt für genug Energie zu sorgen. Im republikanisch dominierten Texas werden heute nicht nur mehr und günstigere Wohnungen gebaut, sondern auch mehr Solarpanels als im demokratisch regierten Kalifornien.

Mit guten Rahmenbedingungen auf der Angebotsseite anzusetzen, um sinnvolle Dinge zu verwirklichen (etwa durch tiefere Steuern und weniger Regulierung), gelte als rechts, schreiben Klein und Thompson. Die Autoren betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, die Linke nach rechts zu bewegen. Sie sind überzeugt von einem starken Staat, wollen mehr Umverteilung, tiefe Lebenshaltungskosten und eine hochwertige Gesundheitsversorgung für alle. Nur glauben sie, dass der Weg dahin nicht über möglichst viel Regulierung und Subventionen führt.

Damit haben sie zwar Recht, doch zugleich zeigt sich hier die Schwäche ihres Arguments. Nimmt man die historische Erfahrung als Massstab, bedeutet ein starker Staat fast zwangsläufig mehr Regulierung und mehr Subventionen. Klein und Thompson können nicht glaubwürdig darlegen, wie die von ihnen angestrebten Ziele erreicht werden sollen und zugleich der Staat schlank und effizient bleiben soll. Gefragt wäre gewissermassen eine linke Antwort auf DOGE, das Sparprogramm unter der Ägide von Elon Musk.

Gleichwohl ist Kleins und Thompsons Buch ein erfrischendes Plädoyer für eine Linke, die nicht miesepetrig im Weg steht und den eigenen Weltschmerz zelebriert, sondern tatsächlich Dinge zustande bringt. Eine solche Linke wäre auch eine ernsthafte Herausforderung für eine Rechte, die sich zumindest in den USA unter Trump bisher ebenfalls stärker auf das Verhindern und Beschränken konzentriert hat als darauf, Neues zu schaffen. (Lukas Leuzinger)

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