
Wie eine effiziente und faire Schweizer Energiepolitik
aussehen würde
Der Energiemarkt braucht nicht mehr, sondern weniger Staat. So kann die Versorgung gesichert und eine effiziente und umweltfreundliche Erzeugung und Verteilung von Energie gewährleistet werden.
Seit über einem Jahr befinden sich die europäischen Märkte für Strom und Gas in einem neuen Regime, mit Preisen, die das Vielfache der Werte aus den vorigen Jahrzehnten erreichen. Dazu beigetragen haben vordergründig drei Treiber: die Überalterung des französischen Kernkraftwerkparks, der kriegsbedingte Rückgang der Gaslieferungen aus Russland sowie zuletzt ein vergleichsweise niederschlagsarmer Sommer. Auch wenn die Preise im Dezember 2022 deutlich gesunken sind, wurden Strom- und Gaspreise in Europa zum wesentlichen Inflationstreiber.
Die genannten Preistreiber sind allerdings nur Symptome eines tieferliegenden Problems, und dabei handelt es sich nicht, wie oft kolportiert, um ein sogenanntes Marktversagen. Denn der Raum, in dem der Markt überhaupt spielen kann, ist sehr eng. Zum einen füllen die nationalen und EU-weiten Gesetze, Verordnungen, Ausnahmeverordnungen, Ausführungsbestimmungen und dergleichen zum Energiebereich ganze Regale. Zum anderen sind viele massgebliche Akteure staatlich oder stehen unter starkem staatlichem Einfluss. Vielmehr sind es ständig wechselnde planwirtschaftliche Vorgaben sowie Akteure ohne «Skin in the Game» – die also die Folgen ihrer Entscheide nicht selber ausbaden müssen –, die massive Fehlallokationen von Kapital verursachen. Gemeinsam mit der Instrumentalisierung von Energie für Kriegszwecke entstehen strukturelle Engpässe, und diese führen letztendlich zu massiven Wohlstandsverlusten für die Verbraucher. Die Effizienzsteigerungen, welche die zaghafte Liberalisierung der Branche in den Neunziger- und Nullerjahren brachte, wurden durch diese Entwicklungen längst überkompensiert. Die aktuelle Krise sollte deshalb genutzt werden, um die Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft grundsätzlich zu überdenken.
«Die aktuelle Krise sollte genutzt werden, um die Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft grundsätzlich zu überdenken.»
Günstige Energie als Erfolgsfaktor
Aus Schweizer Perspektive beginnen wir hierfür mit der Besinnung auf die bewährten Erfolgsfaktoren wie Verlässlichkeit und Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Dezentralität sowie Interessenausgleich und Fairness. Diese Erfolgsfaktoren kann man leicht überleiten zu den drei klassischen energiewirtschaftlichen Zielen der Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit: Energie zeichnet sich typischerweise durch eine hohe Konsumentenrente aus. Das heisst, die maximale Zahlungsbereitschaft vieler Konsumenten liegt weit über dem langjährigen mittleren Marktpreis. Der Verbrauch reagiert damit nur schwach auf Preisänderungen, die Nachfrage ist weitgehend inelastisch – abgesehen von Extremsituationen wie der aktuellen. Eine sichere Versorgung gewährleistet diese Rente.
Günstigere Energie, die effizient und wettbewerbsfähig bereitgestellt wird, steigert die Konsumentenrente also unmittelbar. Wie alle wirtschaftlichen Aktivitäten bergen aber auch die Erzeugung sowie die räumliche und zeitliche Allokation von Energie die Gefahr schädlicher Nebenwirkungen, sogenannter negativer Externalitäten. Das Ziel der Umweltverträglichkeit – also geringer negativer Externalitäten – trägt dem Rechnung. «Umwelt» ist dabei breit definiert und schliesst durchaus auch die betroffenen Menschen ein.
Wie sind diese Ziele nun zu erreichen? Die Versorgungssicherheit erfordert grundsätzlich eine gewisse Redundanz, also Übervollständigkeit, bei den Erzeugungs- und Allokationsanlagen: Wenn ein grosses Kraftwerk, ein Speicher oder ein Teil des Netzes nicht funktioniert, darf deshalb nicht das Gesamtsystem ausfallen. Insbesondere ist die Versorgungssicherheit bei Ereignissen zu gewährleisten, die ausserhalb des nationalen oder regionalen Regelungsrahmens eintreten, wie etwa dem aktuellen Engpass beim Erdgas. Um die benötigte Redundanz zu finanzieren, empfiehlt sich das Erheben einer Versicherungsprämie, die all diejenigen zahlen, die eine möglichst unterbruchfreie Versorgung wünschen. Bereits heute gibt es teilweise Rabatte für Gasgrossverbraucher, die abschaltbar sind, weil sie statt mit Gas auch mit Öl feuern können. Dieses Konzept liesse sich problemlos erweitern bis hinunter zum Privathaushalt, der energetisch autark ist, sei es mit Dieselgenerator oder Photovoltaik und Batterie.
Generell gilt: Je stabiler der Regelungsrahmen ist, desto niedriger sind die Kapitalkosten und desto günstiger lassen sich die benötigten Anlagegüter finanzieren. Dieses Prinzip dient auch der Erreichung des Wirtschaftlichkeitszieles. Die Stabilität des Regelungsrahmens erfordert wiederum dessen Unparteilichkeit. Es kann nicht die Aufgabe der Politik sein, zu bestimmen, mit welchen Technologien Primärenergie in elektrische, Wärme- oder kinetische Energie umgewandelt wird. Darüber können die Konsumenten selbst entscheiden. In der Praxis interessieren sich allerdings…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1103 – Februar 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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