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Wie der Franken zum neuen Goldstandard werden könnte

Anstatt sich vor der Deflation zu fürchten, sollte die SNB lieber Gold kaufen.

Wie der Franken zum neuen Goldstandard werden könnte
Timo Rager photographiert von Monika Bucher.

In den öffentlichen Stellungnahmen zur Aufgabe der Frankenanbindung an den Euro dominiert nach wie vor die Empörung. Fast ausschliesslich werden die Konsequenzen für die Exportindustrie thematisiert, als ob die Schweizer Wirtschaft nur daraus bestünde. Über die Einführung eines neuen Mindestkurses wird gemunkelt, und die Wechselkursentwicklung seit dem 15. Januar lässt vermuten, dass die Schweizer Währungshüter weiterhin einiges daransetzen, den Franken zu schwächen. Die Bereitschaft, die Realitäten des Marktes anzuerkennen, ist unverändert gering.

Kürzlich hat mit Martin Lütenegger ein weiterer Vertreter der Exportindustrie seine Lösung des Problems präsentiert und ein flammendes Plädoyer für den Staatskapitalismus vorgelegt:1 Die Schweizerische Nationalbank (SNB) solle der Nachfrage entsprechend grosszügig Franken in Umlauf bringen und mit den eingenommenen Euro-Devisen ausländische Firmen kaufen. Gewinne von mehreren hundert Milliarden Franken pro Jahr seien dadurch möglich, die an Bund und Kantone ausgeschüttet werden könnten.

Manches wäre an diesem Vorschlag zu hinterfragen. Vor allem aber führt nichts an der Tatsache vorbei, dass sich mit Geldpolitik Wohlstand niemals schaffen, sondern nur umverteilen lässt.

Konkret: Die zusätzliche Nachfrage nach Investitionsmöglichkeiten durch die SNB würde zwangsläufig die entsprechenden Preise in die Höhe treiben. Die gleichen Investitionen würden sich somit für Privatanleger verteuern. Anders ausgedrückt: Die Gewinne, die der Staatskonzern SNB erwirtschaften würde, müssten in vollem Umfang von den Bürgern berappt werden, deren Vermögen durch den Kaufkraftverlust des Frankens entwertet würde. Auch als Absicherung gegen eine allfällige Abkehr ausländischer Sparer vom Franken wären Investitionen der SNB nur bedingt wirkungsvoll. Der Franken wäre nicht weniger als bei Devisenreserven an die inflationäre Entwicklung des Euro gekoppelt. Dies würde spätestens dann sichtbar werden, wenn den aufgeblähten Börsenkursen dereinst die Luft ausgeht.

Nicht die SNB sollte also die starke Franken-Nachfrage nutzen, um mit neu emittierten Franken im Ausland einzukaufen. Vielmehr sollte (wie durch den SNB-Entscheid vom 15. Januar nun ansatzweise realisiert) jeder, der über Schweizer Franken verfügt, die Möglichkeit erhalten, Konsum- oder Investitionsgüter aus dem Ausland günstiger zu erwerben. Nur so – und nicht etwa durch einen grosszügig umverteilenden Staat – lässt sich der Wohlstand steigern. Denn der Import (also der Erwerb von Gütern) ist das Ziel allen Wirtschaftens, und je weniger Gegenleistung dafür erbracht werden muss, um so besser für den, der die Güter erwirbt.2

Das einzige, was die SNB ohne Nebenwirkungen mit neu emittierten Franken kaufen könnte – ja möglicherweise kaufen sollte –, wäre Gold. Nur in diesem Falle würde die Ausweitung der Geldmenge ohne Teuerungsrisiko erfolgen: All jene, die mit Fremdwährungen Franken erwerben, würden letztlich Gold bei der SNB deponieren und Frankenscheine als Beleg dafür erhalten. Die Kaufkraft des Frankens für beliebige andere Güter bliebe davon unberührt, denn weder die Nachfrage nach anderen Gütern noch die für diese Güter angebotene Franken-Geldmenge würde sich allein durch diesen Vorgang ändern. Die im Tausch gegen Gold neu geschaffenen Frankenbeträge werden von den Empfängern zur Ersparnisbildung nachgefragt und eben nicht für den Erwerb anderer Güter. Sie sind deshalb vorerst dem Markt entzogen, und zwar insbesondere deshalb, weil sie durch ein Gut gedeckt sind, das erfahrungsgemäss auch im Falle eines allgemeinen Vertrauensverlustes in die Wirtschaft einen gewissen Wert behält. (Viele andere, hiervon unabhängige Einflüsse werden die Sparneigung und die relativen Güterpreise freilich in Bewegung halten.)

Mit dem hier vorgeschlagenen Vorgehen könnte die SNB keine (Schein-)Gewinne erzielen – was sie aus den bereits genannten Gründen auch gar nicht soll. Sie würde aber eine echte Alternative zu allen anderen Währungen schaffen. Der Werterhalt von Ersparnissen in Schweizer Franken wäre sichergestellt, was zuallererst den Einwohnern der Schweiz zugute käme, aber auch Sparern aus aller Welt eine neue Möglichkeit eröffnete, ihr Geldvermögen gegen Enteignung durch Inflation zu schützen. Der Schweizer Franken würde zum neuen Goldstandard.

Nur eine Voraussetzung müsste erfüllt sein, um inflationäre Effekte auszuschliessen: Auf Grundlage der heutigen Aktiven der SNB wäre ein fixer Goldpreis in Franken festzulegen. Weiteres Gold dürfte die SNB niemals über diesem Preis (also zu einem schlechteren Frankenkurs) zukaufen. Entsprechend dürfte sie Gold im Falle einer nachlassenden Franken-Nachfrage auch nicht unter diesem Preis abstossen. Der Tausch zwischen Schweizer Franken und Gold würde also zu diesem einmal festgelegten Kurs frei in beide Richtungen erfolgen.

Je nach Entwicklung des Goldpreises in Euro oder anderen Papiergeldwährungen wird diese Festlegung weitere Abwertungen der anderen Währungen gegenüber dem Franken mit sich bringen. Die einzig angemessene Art, darauf zu reagieren, wäre die ungehinderte (und selbstverständlich freiwillige) Anpassung von Frankenpreisen und –löhnen nach unten. Die vorübergehenden Auswirkungen davon mag mancher als ungerecht empfinden, weil nicht alle Anpassungen gleich schnell erfolgen werden. Doch schliesslich würde sich die Kaufkraft der Löhne sowohl innerhalb der Schweiz als auch gegenüber dem Ausland wieder dem alten Niveau annähern, die zusätzlichen Anreize für Einkäufe jenseits der Grenze gingen verloren, und in der Schweiz ansässige Unternehmen wären wieder ähnlich konkurrenzfähig wie vor der Wechselkurskorrektur. Als wesentlicher Unterschied zur Strategie der Kursuntergrenze und Franken-Abwertung würden aber die in Franken gehaltenen Ersparnisse – also der Ertrag der Arbeit vergangener Jahre –an Wert gewinnen und nicht ans Ausland verschenkt.

Leider steht dieser Reaktion auf die Frankenstärke bisher die unsinnige These von der schädlichen Deflation entgegen.3 Diese These müsste daher als erstes über Bord geworfen werden, um sodann sämtliche gesetzliche Regelungen, die flexible Preisanpassungen verhindern, hinterherzukippen.

Mit etwas Mut und Phantasie liesse sich die gestiegene Nachfrage nach Schweizer Franken also durchaus als Chance nutzen zum Wohle der Schweiz und der Menschen weltweit – allerdings sicher nicht in der Weise, wie es Herr Lütenegger vorschlägt. 

Timo Rager, *1970, ist promovierter Chemiker.


1 Martin Lütenegger: Herr Jordan sitzt auf Gold – und merkt es nicht! In: Schweizer Monat 1024, März 2015, S. 36.

2 Siehe hierzu Henry Hazlitt: Economics in One Lesson. Three Rivers Press, New York 1979, Kapitel XII.

3 Zur Entkräftung dieser These siehe z.B. Jörg Guido Hülsmann: Schreckgespenst Deflation. In: Schweizer Monatshefte 975, Januar/Februar 2010, S. 27.


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