Wie der Bund zu Geld kommt
Das Ende der Negativzinsperiode erschwert die Liquiditätsplanung des Bundes. Was seit der Einführung der Schuldenbremse eingespart wurde, ist in der Coronakrise wieder ausgegeben worden.

Der Bund finanziert seine Ausgaben vor allem über Steuern, namentlich die Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer. Diese unterliegen erheblichen Schwankungen. Zudem hat die Eidgenossenschaft Schulden von derzeit 120 Milliarden Franken (siehe Grafik). 83 Milliarden davon sind am Schweizer Geld- und Kapitalmarkt ausstehend, wo sich die Verhältnisse (Zinsniveau, Appetit der Anleger) ebenfalls verändern können; diese Marktschulden müssen regelmässig bei Fälligkeit refinanziert werden. In diesem Umfeld stellt die Bundestresorerie, die zur Eidgenössischen Finanzverwaltung und damit zum Finanzdepartement gehört, die ständige Zahlungsbereitschaft des Bundes sicher. Sie ist also dafür verantwortlich, dass jederzeit ausreichend Geld «im Tresor» vorhanden ist, um sämtliche Rechnungen und Ausgaben (deren Höhe mitunter massgeblich von nicht voraussehbaren äusseren Faktoren wie der Coronapandemie oder dem Ukrainekonflikt abhängt) fristgerecht zu bezahlen.
Damit der Bund seinen finanziellen Verpflichtungen jederzeit nachkommen und die Liquiditätsrisiken begrenzen kann, ist neben einem ausreichenden Liquiditätspuffer insbesondere ein reibungsloser und ungehinderter Zugang zum Geld- und Kapitalmarkt entscheidend. Der Bund setzt sich für einen funktionierenden und effizienten Kapitalmarkt ein, damit er jederzeit auf eine verlässliche Refinanzierungsquelle zugreifen kann. Er informiert die Marktteilnehmer im Rahmen des jährlichen Emissionsprogrammes über seine Finanzierungsbedürfnisse und publiziert einen Emissionskalender.1 Dank dieser Transparenz und Berechenbarkeit können die Investoren ihre Investitionspläne besser auf die Emissionstätigkeit des Bundes abstimmen.
Kapitalmarkt als verlässliche Finanzierungsquelle
Am Schweizer Kapitalmarkt sind zurzeit Anleihen im Nominalwert von rund 600 Milliarden Franken ausstehend. Dabei machen die inländischen Emittenten (Inlandsegment) rund drei Viertel oder gut 460 Milliarden aus, der Rest entfällt auf ausländische Schuldner (Auslandsegment). Während das Auslandsegment schwergewichtig von Emittenten aus dem Finanzbereich genutzt wird, gibt es im Inlandsegment eine grosse Vielfalt an unterschiedlichen Schuldnern. Die beiden Pfandbriefinstitute (Pfandbriefbank und Pfandbriefzentrale) haben dabei mit gut einem Drittel der inländischen Anleihen den Bund, der in den Nullerjahren noch für 40 Prozent des Inlandsegments verantwortlich war (heute 17 Prozent), als grössten Emittenten abgelöst. Daneben finanzieren sich inländische Banken, Kantone und Städte, Spitäler sowie Versorger und grosse Unternehmen regelmässig über Anleihen am Kapitalmarkt.
Im Jahresdurchschnitt beträgt die Liquiditätsreserve des Bundes 8 bis 12 Milliarden Franken. Diese Mittel werden nach Möglichkeit kurzfristig bei der Schweizerischen Nationalbank oder am besicherten Geldmarkt, dem Repomarkt, angelegt, so dass sie einen Ertrag abwerfen.
Für die Mittelbeschaffung setzt der Bund zwei Instrumente ein, die kurzfristigen Geldmarktbuchforderungen (GMBF) mit Laufzeiten von drei, sechs und zwölf Monaten sowie die langlaufenden Eidgenössischen Anleihen mit Laufzeiten von bis zu 50 Jahren. Sowohl die GMBF wie auch die Anleihen werden auf der gleichen elektronischen Plattform und nach dem gleichen Einheitspreisverfahren2 auktioniert, GMBF im Wochen- und Anleihen im Monatsrhythmus. Investoren können ihre Gebote über die gut 150 an der Auktionsplattform angeschlossenen Geschäftsbanken abgeben.
Kurz oder lang?
Wer leiht nun dem Bund fast 90 Milliarden und gibt sich mit einem eher bescheidenen Zins von rund 1 Prozent zufrieden?3 Bei den Käufern der GMBF und der Bundesanleihen handelt es sich primär um institutionelle Anleger. Rund drei Viertel der Anleihen werden von inländischen Pensionskassen, Versicherungen und Anlagefonds gehalten. Knapp ein Fünftel befindet sich im Besitz von grossen ausländischen Investoren und Zentralbanken.
Beim Schuldenvolumen hat die Bundestresorerie wenig Handlungsspielraum, da der Finanzierungsbedarf primär von der Entwicklung des Bundeshaushaltes und damit vom Kurs der Finanzpolitik abhängt. Allerdings hat die Schuldenbewirtschaftung der Bundestresorerie einen signifikanten Einfluss auf die Passivzinsen, und diese bilden einen wichtigen Ausgabenposten des Bundes: Da die Zinsen für kurze Laufzeiten in der Regel tiefer liegen als für lange, kann die Bundestresorerie die durchschnittliche Zinsbelastung…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1109 – September 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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