
Widerspruch unerwünscht
Viele Journalisten teilen ein linksgrünes Weltbild und zeigen immer weniger Verständnis für abweichende Meinungen. Das Diskussionsklima erinnert mich zunehmend an meine Jugend in der DDR.
Ich bin Journalist, aber eigentlich wollte ich das gar nie werden. Aufgewachsen in der früheren DDR, war es für mich einfach widersinnig, inmitten einer geschlossenen Diktatur mit gelenkten Medien Journalist sein zu wollen. Doch dann kam es anders. Es gehört zu den seltsamen Pointen meiner Geschichte, dass ich ausgerechnet aufgrund der Konfrontation mit dem sozialistischen System in einer linientreuen Branche gelandet bin: Der Journalismus zeichnet sich nämlich auch heute noch durch seine im Gleichschritt marschierenden publizistischen Parteisoldaten aus.
«Es gehört zu den seltsamen Pointen meiner Geschichte, dass ich
ausgerechnet aufgrund der Konfrontation mit dem sozialistischen
System in einer linientreuen Branche gelandet bin.»
Im Herzen ein Rebell
In der Schule war ich durch «destruktives Diskutieren» und umfassenden Konsum von Westmedien aufgefallen, hatte den Abituraufsatz über ein Zitat des Staats- und Parteichefs verhauen, weil ich nicht die gewünschte Klassenkampfliteratur heranzog, und bei der Musterung hatte ich wahrheitsgetreu angegeben, im Falle eines Einsatzes an der innerdeutschen Grenze nicht schiessen zu wollen. Mein Traumstudienfach Film- und Fernsehregie blieb mir trotz erfolgreicher Eignungsprüfung versperrt, weil ich den üblichen verlängerten Wehrdienst (drei Jahre Unteroffizier auf Zeit) nicht leisten wollte. Einem Anwerbeversuch der Stasi hatte ich mich durch bewusste Dekonspiration entzogen.1
Am Ende blieb mir nach dem Abitur die sogenannte «Bewährung in der Produktion»: Ich arbeitete in der Glühlampenproduktion im Dreischichtbetrieb und machte nebenbei meinen Facharbeiterabschluss als Mechaniker in der Metallverarbeitung. Die Arbeitsbedingungen im «Staat der Arbeiter und Bauern» waren unterirdisch: Seine Arbeit verrichtete man an einem 800 Grad heissen Gasbrenner, Ammoniakdämpfe führten zu regelmässigem Erbrechen und vom ständigen Kontakt mit Natronlauge erhielt man Ekzeme. Es kam der Zeitpunkt, an welchem ich einfach nur noch wegwollte.
Ich landete in der Lokalredaktion der «Neuen Zeit» in Berlin, der Zeitung der Ost-CDU, bei der ich immerhin als Christ akzeptiert war. In der Lokalredaktion schrieb ich über Laubsäger und Taubenzüchter und hatte meine Nische bis zur Wende gefunden. Auch bei der Parteizeitung konnte ich mir kleine Aktionen des Widerstands nicht verkneifen: Von CDU-Parteikadern überarbeitete Texte liess ich bei der «Neuen Zeit» einfach verschwinden, geforderte Berichte über Kollegen verweigerte ich. Als 1989 die Mauer fiel, begann der eigentliche Journalismus, dem ich bis heute treu geblieben bin.
Enges Meinungskorsett unter Journalisten
Der «Gleichschritt» ist für mich deshalb eine faszinierende Metapher, weil er in den geschlossenen, autoritären Gesellschaften des 20. Jahrhunderts nicht nur sinnbildlich, sondern ganz real für das erzwungene Aufgehen von Individuen in der Masse, für ideologisch gelenkten Gleichschritt im Geiste steht. Seit einiger Zeit werde ich immer ratloser, wie sich ähnliche Konformitätsströmungen unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft herausbilden: von der Regenbogenbewegung, bei der auch Wirtschaftsunternehmen nicht abseitsstehen wollen und gedankenlos ihre Logos einfärben, bis hin zur Coronapolitik, zu der man in Deutschland, wollte man nicht gesellschaftlich als «Leugner» oder «Querdenker» geächtet werden, nur «Ja» oder «Ja» sagen konnte. Warum glauben Deutsche mehrheitlich, beim Thema Migration nicht frei sprechen zu können? Warum gilt bei uns als «Putin-Knecht», wer in Waffenlieferungen nicht den einzigen aller gangbaren Wege in der Ukrainekrise sieht?
Wir Medien sind zumindest ein Teil des Problems. Das liegt nicht an irgendwelchen Mogulen im Hintergrund oder sonstigen finsteren Mächten, sondern daran, dass sich progressive Zeitgenossen in allen Kreativbranchen zahlenmässig anreichern, so dass am Ende die veröffentlichte Meinung der klassischen Medien – wie von vielen Studien nachgewiesen – weit nach links-grün verschoben ist. Im Vergleich zu den Ansichten in der gesamten Bevölkerung sind Künstler, Komiker und Journalisten deutlich seltener konservativ. Dennoch halten sie ihre Lebensweise und ihr Weltbild fälschlicherweise für repräsentativ und bestehen in jüngster Zeit auch immer aggressiver auf dessen politischer Umsetzung.
Es mag sein, dass es in Zeiten des Kalten Krieges mehr konservative und bekennend…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1105 – April 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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