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Widerspruch unerwünscht
Ralf Schuller, fotografiert von Wolf Lux.

Widerspruch unerwünscht

Viele Journalisten teilen ein linksgrünes Weltbild und zeigen immer weniger Verständnis für abweichende Meinungen. Das Diskussionsklima erinnert mich zunehmend an meine Jugend in der DDR.

Ich bin Journalist, aber eigentlich wollte ich das gar nie werden. Aufgewachsen in der früheren DDR, war es für mich einfach widersinnig, inmitten einer geschlossenen Diktatur mit gelenkten Medien Journalist sein zu wollen. Doch dann kam es anders. Es gehört zu den seltsamen Pointen meiner Geschichte, dass ich ausgerechnet aufgrund der Konfrontation mit dem sozialistischen System in einer linientreuen Branche gelandet bin: Der Journalismus zeichnet sich nämlich auch heute noch durch seine im Gleichschritt marschierenden publizistischen Parteisoldaten aus.

«Es gehört zu den selt­samen Pointen meiner ­Geschichte, dass ich
­ausgerechnet aufgrund der Konfrontation mit dem ­sozialistischen
System in einer linientreuen ­Branche gelandet bin.»

Im Herzen ein Rebell

In der Schule war ich durch «destruktives Diskutieren» und umfassenden Konsum von Westmedien aufgefallen, hatte den Abituraufsatz über ein Zitat des Staats- und Parteichefs verhauen, weil ich nicht die gewünschte Klassenkampfliteratur heranzog, und bei der Musterung hatte ich wahrheitsgetreu angegeben, im Falle eines Einsatzes an der innerdeutschen Grenze nicht schiessen zu wollen. Mein Traumstudienfach Film- und Fernsehregie blieb mir trotz erfolgreicher Eignungsprüfung versperrt, weil ich den üblichen verlängerten Wehrdienst (drei Jahre Unteroffizier auf Zeit) nicht leisten wollte. Einem Anwerbeversuch der Stasi hatte ich mich durch bewusste Dekonspiration entzogen.1

Am Ende blieb mir nach dem Abitur die sogenannte «Bewährung in der Produktion»: Ich arbeitete in der Glühlampenproduktion im Dreischichtbetrieb und machte nebenbei meinen Facharbeiterabschluss als Mechaniker in der Metallverarbeitung. Die Arbeitsbedingungen im «Staat der Arbeiter und Bauern» waren unterirdisch: Seine Arbeit verrichtete man an einem 800 Grad heissen Gasbrenner, Ammoniakdämpfe führten zu regelmässigem Erbrechen und vom ständigen Kontakt mit Natronlauge erhielt man Ekzeme. Es kam der Zeitpunkt, an welchem ich einfach nur noch wegwollte.

Ich landete in der Lokalredaktion der «Neuen Zeit» in Berlin, der Zeitung der Ost-CDU, bei der ich immerhin als Christ akzeptiert war. In der Lokalredaktion schrieb ich über Laubsäger und Taubenzüchter und hatte meine Nische bis zur Wende gefunden. Auch bei der Parteizeitung konnte ich mir kleine Aktionen des Widerstands nicht verkneifen: Von CDU-Parteikadern überarbeitete Texte liess ich bei der «Neuen Zeit» einfach verschwinden, geforderte Berichte über Kollegen verweigerte ich. Als 1989 die Mauer fiel, begann der eigentliche Journalismus, dem ich bis heute treu geblieben bin.

Enges Meinungskorsett unter Journalisten

Der «Gleichschritt» ist für mich deshalb eine faszinierende Metapher, weil er in den geschlossenen, autoritären Gesellschaften des 20. Jahrhunderts nicht nur sinnbildlich, sondern ganz real für das erzwungene Aufgehen von Individuen in der Masse, für ideologisch gelenkten Gleichschritt im Geiste steht. Seit einiger Zeit werde ich immer ratloser, wie sich ähnliche Konformitätsströmungen unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft herausbilden: von der Regenbogenbewegung, bei der auch Wirtschaftsunternehmen nicht abseitsstehen wollen und gedankenlos ihre Logos einfärben, bis hin zur Coronapolitik, zu der man in Deutschland, wollte man nicht gesellschaftlich als «Leugner» oder «Querdenker» geächtet werden, nur «Ja» oder «Ja» sagen konnte. Warum glauben Deutsche mehrheitlich, beim Thema Migration nicht frei sprechen zu können? Warum gilt bei uns als «Putin-Knecht», wer in Waffenlieferungen nicht den einzigen aller gangbaren Wege in der Ukrainekrise sieht?

Wir Medien sind zumindest ein Teil des Problems. Das liegt nicht an irgendwelchen Mogulen im Hintergrund oder sonstigen finsteren Mächten, sondern daran, dass sich progressive Zeitgenossen in allen Kreativbranchen zahlenmässig anreichern, so dass am Ende die veröffentlichte Meinung der klassischen Medien – wie von vielen Studien nachgewiesen – weit nach links-grün verschoben ist. Im Vergleich zu den Ansichten in der gesamten Bevölkerung sind Künstler, Komiker und Journalisten deutlich seltener konservativ. Dennoch halten sie ihre Lebensweise und ihr Weltbild fälschlicherweise für repräsentativ und bestehen in jüngster Zeit auch immer aggressiver auf dessen politischer Umsetzung.

Es mag sein, dass es in Zeiten des Kalten Krieges mehr konservative und bekennend marktliberale Journalisten gab, weil die Spaltung der Welt zur Auseinandersetzung mit den politischen Lagern und zum Bekenntnis zwang, ob man mit dem in Staatsdoktrin gegossenen Geisteskosmos links-kollektivistisch-autoritärer Ideen sympathisierte oder eben nicht.

Da Konservative und Liberale aus ihrem Selbstverständnis heraus Quoten ablehnen, wären Gesinnungsquoten in Medien doppelt widersinnig. Als ein Mitglied der «Bild»-Chefredaktion schrieb, die Marke «Bild» stehe «fest an der Seite der LGBTQ-Bewegung», zuckte ich regelrecht zusammen, weil das «Fest-an-der-Seite-Stehen» ein so eherner Topos in Kampfliedern und Einpeitscherreden ist, dass er mir nie über die Lippen käme. Mit diesem Reflex bin ich aber unter Berufskollegen mehr und mehr allein.

«Da Konservative und Liberale aus ­ihrem Selbst­verständnis ­heraus
Quoten ­ablehnen, wären Gesinnungsquoten in
Medien doppelt wider­sinnig.»

Mut zur Gegenrede

Organisiert sich der mediale Gleichschritt selbst, ist es umso schwieriger, formale oder strukturelle Vorkehrungen dagegen zu treffen. Da Konservative und Liberale aus ihrem Selbstverständnis heraus Quoten ablehnen, wären Gesinnungsquoten in Medien doppelt widersinnig. Schon die Erhebung der geistigen Lagerzugehörigkeit wäre einigermassen abwegig, und staatliche Interventionen nach osteuropäischem Vorbild sind auch keine Lösung.

Es sind allerdings nicht nur die Medien, die dazu beitragen, dass Meinungskorridore enger werden und immer massivere Leitplanken erhalten. Der Opportunismus, mit dem sich Wirtschaft und Wirtschaftsverbände in der Hoffnung auf Vorteile politischen Strömungen oder der EU-Kommission andienen, spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Universitäten pflegen häufig ein stark von linker Identitätspolitik geprägtes Regime und produzieren dementsprechend vorgeprägte Akademiker. Nachwachsende Generationen von Juristen prägen als Richter die politische Landschaft, und der Einfluss linksgrüner NGOs ist ebenfalls nicht zu unterschätzen.

All das ist keine finstere Verschwörung, sondern beschreibt lediglich eine geistige Unwucht in den gesellschaftlichen Debatten, die dringend kraftvolle bürgerliche Gegenrede braucht. Verzagte oder sich taktisch an den Zeitgeist anschmiegende Konservative und Liberale tragen einen guten Teil Mitschuld an dieser ungesunden Entwicklung. Eigensinn, Individualität und konservatives Infragestellen oberflächlicher Konsense müssen wieder als konstruktive Tugenden entdeckt und gepflegt werden.

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Schafherde, erstellt mit der KI-Software Generai.
Der autoritäre Konformismus

Am Wandel des Verhältnisses zwischen Staat und Bürgern seit der Coronakrise zeigt sich, dass Konformismus ein besonderer Autoritarismus ist. Durch ihn macht das Individuum die Zwänge, mit denen es rechnet, zu seiner eigenen Sache. Damit einher geht ein grosser Gedächtnisverlust.

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