Editorial
Niemand kennt jene ideale Organisationsform, die akademisches Lehren, Lernen und Forschen optimal verknüpft.
Niemand kennt jene ideale Organisationsform, die akademisches Lehren, Lernen und Forschen optimal verknüpft. Selbst wenn es ein erhärtetes Wissen um die jeweils bestmögliche Lösung gäbe, würde dieser Kanon durch den permanenten Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft stets neu in Frage gestellt. In kaum einem Bereich prallen unterschiedliche Nachfragen und Nachfrager auf unterschiedliche Angebote und Anbieter wie im Hochschulwesen; die Frage, wer für wen welchen Preis bezahlen soll, lässt sich nicht in einem Satz beantworten. Die Investition in die Vermittlung, Erweiterung und Vertiefung von Wissen kann als Aufgabe nicht einfach an das politische Kollektiv delegiert werden. Sicher hat Bildung auch mit Finanzen zu tun und mit privaten und öffentlichen Investitionen, aber die bequeme Formel «bessere Bildung durch mehr Steuergeld und mehr zentrale Koordination» ist zu simpel.
Das im Stil einer Reform von oben eingeführte, gesamteuropäische Bologna-Modell ist nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern ein Experiment, dessen Vor- und Nachteile noch nicht abschätzbar sind. Glücklicherweise lässt es Spielräume für unterschiedliche Interpretationen und Anpassungen an nationale Gegebenheiten. Nachdem Avenir Suisse einen «Vorschlag zur Profilierung der ‹Hochschule Schweiz› im internationalen Umfeld» in die öffentliche Diskussion eingebracht hat, werden in den Dossier-Beiträgen dieses Hefts weitere Bewertungen des Ist-Zustands, auch weitere Reformansätze vorgestellt. Eines ist allen gemeinsam: Der Wunsch nach jener Offenheit und Vielfalt, die gegenseitiges Lernen erst möglich macht. Was in der Schule verpönt ist, das Abgucken, ist für kollektive Lernprozesse lebenswichtig: Versuch und Irrtum, Vergleichen, Kopieren und bewusstes Abweichen. Dazu braucht es mehr Mut zum Wettbewerb zwischen verschiedenen, nicht zentralisierten Lösungsansätzen – auch bei der Finanzierung, auch zwischen öffentlichen und privaten Trägerschaften.
Mit dieser Ausgabe geben wir die Regeln zur Rechtschreibung von 1996 auf und kehren zur traditionellen Schreibweise zurück. Die Wirkungen der neuen Regeln mögen im Alltag nicht so augenfällig sein; dort aber, wo Genauigkeit des Ausdrucks verlangt wird, in den Wörter- und Schulbüchern, in der Fach- und schönen Literatur, sind die Folgen überwiegend negativ.
Zuletzt dies: Wir freuen uns sehr, dass Dr. Christoph Frei in diesen Tagen zu unserer Redaktion gestossen ist. Der an der Universität St.Gallen und in Budapest lehrende Staatswissenschafter wird namentlich jene politischen Sachbereiche für uns betreuen, die er seit Jahren selber – die längste Zeit in Frankreich und Amerika – lesend, fragend und schreibend begleitet. Wir heissen unseren neuen Kollegen herzlich willkommen.