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Wer vertritt die Menschheit, wenn wir von Ausserirdischen entdeckt werden?
Leonard Nimoy und William Shatner als Mr. Spock und Captain Kirk in der Fernsehserie Star Trek. Bild: NBC Television, 1968.

Wer vertritt die Menschheit, wenn wir von Ausserirdischen entdeckt werden?

Der Mensch ist nicht allein im Universum. Der Kontakt mit einer fremden Zivilisation dürfte aber ganz anders ablaufen als in der Science-Fiction. Umso wichtiger ist, dass wir uns jetzt damit auseinandersetzen.

«Der Weltraum, unendliche Weiten …» – mit diesen Worten entführte die amerikanische Fernsehserie «Star Trek» ab Mitte der 60er-Jahre ihr Publikum in ein grandioses Science-Fiction-Universum, in dem ein Raumschiff namens Enterprise «neue Welten» und «neue Zivilisationen» erkundete.

Die meisten dieser Planeten waren von Wesen bevölkert, die sich von uns Menschen nicht stärker unterschieden, als es die technischen Möglichkeiten der damaligen Fernsehproduktion zuliessen. Denn die Aliens wurden von verkleideten Schauspielern verkörpert, was sie zwangsläufig menschlich machte: aufrechte Wesen mit zwei Beinen, zwei Armen, Augen, Mund und Nase. Die Verständigung mit diesen ausserirdischen Wesen funktionierte im «Star Trek»-Universum meist recht problemlos. Selbst wenn der Übersetzungscomputer («Universalübersetzer») einmal versagte, war eine Verständigung mit den Fremden mit «Händen und Füssen» meist möglich.

Nicht nur in dieser Hinsicht hatte es die Besatzung der Enterprise eher leicht, denn sie war es, die fremde Zivilisationen fernab der Erde entdecken und erforschen durfte. Ein solches Szenario wird aber noch lange Science-Fiction bleiben. Die Menschheit – falls sie die gegenwärtigen Krisen und Katastrophen überhaupt übersteht – ist technologisch weit davon entfernt, mit Raumschiffen zu den Sternen zu reisen. Der Kontakt mit einer anderen Zivilisation wird daher auf unabsehbare Zeit gänzlich anders verlaufen.

Erstens könnten wir ein (elektromagnetisches) Signal aus den Weiten des Weltraums empfangen, dessen Quelle weit jenseits der Grenzen unseres Sonnensystems liegt und das künstlichen Ursprungs ist. Wahrscheinlich könnten wir den Standort des Senders und seine technischen Merkmale bestimmen. Und vielleicht enthielte das Signal auch irgendeine Botschaft. Aber ob wir sie jemals verstehen würden, ist fraglich.

Zweitens ist es möglich, dass wir in der Nachbarschaft der Erde auf die materielle Hinterlassenschaft einer fremden Zivilisation stossen – vielleicht auf die Überreste einer Expedition, die vor sehr langer Zeit unser Sonnensystem erforscht hat. Die sichere Identifizierung des Fundes als künstliches Objekt dürfte allerdings umso schwieriger werden, je mehr sich die technischen Fähigkeiten seiner Schöpfer von unseren unterscheiden. Das haben wir sogar schon einmal erlebt: Bei dem interstellaren Himmelskörper namens Oumuamua, der Ende 2017 unser Sonnensystem durchquerte, ist bis heute ungeklärt, ob es sich um ein natürliches oder ein künstliches Objekt handelt.

«Bei dem interstellaren Himmelskörper namens Oumuamua, der Ende 2017 unser Sonnensystem durchquerte, ist bis heute ungeklärt, ob es sich um ein natürliches oder ein künstliches Objekt handelt.»

Und drittens könnte im erdnahen Weltraum ein ausserirdischer Raumflugkörper auftauchen, von dem aufgrund seiner Flugmanöver oder anderer Eigenschaften anzunehmen ist, dass er von einer – biologischen oder technischen – Intelligenz gesteuert wird. Wie nahe das fremde Objekt der Erde kommen würde (oder ob es gar auf ihr landen würde), hätte erhebliche Auswirkungen auf die Reaktionen der Erdbevölkerung und der politischen Entscheidungsträger.

Jedenfalls ist davon auszugehen, dass diese drei Arten des Erstkontakts mit einer fremden Zivilisation sehr unterschiedliche irdische Auswirkungen haben dürften.

Ein Dialog ist illusorisch

Beim Fernkontakt via Radiowellen erfahren wir zunächst nicht viel mehr als die Tatsache: Es gibt sie. Richtiger wäre hier die Formulierung: Es gab sie. Denn der Empfang eines Radiosignals aus tausend Lichtjahren Entfernung bedeutet zugleich, dass dieses Signal bereits vor tausend Jahren gesendet wurde. Die Idee eines kosmischen Dialogs hätte sich in diesem Falle erledigt. Ausserdem würde die grosse Entfernung zwischen ihnen und uns wie ein Cordon sanitaire wirken: Je mehr Raum und Zeit die Botschaft überbrückt hat, desto gelassener dürften die kulturellen Reaktionen auf der Erde ausfallen. Wir denken, dass ein solcher Kontakt primär philosophische und wissenschaftliche Auswirkungen hätte. Den Alltag der Menschen auf der Erde würde er dagegen kaum beeinflussen.

Die kulturellen Auswirkungen der Entdeckung eines ausserirdischen Artefakts hängen zunächst von der Altersbestimmung des Objekts ab (sofern eine solche möglich ist). Hundert Jahre hätten hier eine ganz andere Bedeutung als beispielsweise zehn Millionen Jahre. Im ersten Fall wären wir mit unmittelbaren «zeitlichen Nachbarn» konfrontiert, die wahrscheinlich von unserer Existenz wüssten. Im letzteren Fall hingegen würde sich jede derartige Überlegung erübrigen.

Sollte das fremde Objekt irgendeine Art technische Funktionalität aufweisen, so würde dies eine ganze Reihe schwerwiegender Fragen aufwerfen: Soll das Objekt überhaupt näher untersucht werden? Kann und soll es an einen anderen Ort, vielleicht sogar auf die Erde, transportiert werden? Soll es, falls es technisch überhaupt zu verstehen ist, von uns aktiviert werden? Eine falsche Entscheidung könnte dabei verheerende Folgen für die Erde haben – etwa wenn ein für den freien Weltraum konzipierter Antrieb versehentlich auf der Erde gezündet wird.

Aber auch ohne ein missglücktes Experiment im Umgang mit dem ausserirdischen Artefakt wären die Auswirkungen eines solchen Fundes zumindest für unsere westlichen Gesellschaften erheblich: Das fremde Objekt würde nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit auf grosses Interesse stossen. Eine praktische Konsequenz wäre, dass Raumfahrtnationen und Raumfahrtkonzerne vielfältige Anstrengungen unternehmen würden, um weitere ausserirdische Artefakte im Sonnensystem zu entdecken, die möglicherweise technologisch genutzt werden könnten. Ein solcher Fund dürfte somit den Beginn einer intensiven Phase der Erforschung unseres eigenen Sonnensystems markieren.

Diplomatie und Zurückhaltung

Das Erscheinen eines interaktionsfähigen Raumflugkörpers in unserem Sonnensystem unterscheidet sich grundlegend von den bisher betrachteten Formen des Erstkontakts. Hier haben wir es mit einer komplexen Situation zu tun, in der es neben dem Menschen einen weiteren handelnden Akteur gibt: eine ausserirdische Intelligenz (sei sie biologischer oder künstlicher Natur), über deren Motive und Interessen wir zunächst absolut nichts wissen. Das Auftauchen eines gesteuerten Flugkörpers in der Nähe der Erde dürfte, sobald diese Entdeckung öffentlich wird, schwerwiegende massenpsychologische, ökonomische, religiöse und politische Folgen zeitigen.

Bei der Vorhersage dieser Folgen müssen wir im Auge behalten, dass wir alle entsprechende Kontaktszenen aus der Science-Fiction kennen. Der Erstkontakt als fiktionales Ereignis wurde kulturell schon vielfach durchgespielt und hat deshalb auch seine Spuren im kollektiven Denken hinterlassen – und zwar im positiven wie im negativen Sinne. Positiv ist hier, dass die Menschheit nicht mit einer ganz und gar unvorstellbaren Situation konfrontiert wäre. Es gibt vielmehr schon Deutungsmuster des Erstkontakts, die uns erklären, was hier gerade geschieht – und wie sich die Situation entwickeln könnte.

Als fatal könnte es sich hingegen erweisen, wenn solche Deutungsmuster unreflektiert auf das reale Ereignis übertragen und das Auftauchen einer ausserirdischen Raumsonde vorschnell zum Beispiel als Beginn einer ausserirdischen Invasion gedeutet würde. Schon heute hören wir aus den USA Berichte, dass Militärs ernsthaft über die Führbarkeit eines Krieges gegen Ausserirdische nachdenken. Angesichts der Tatsache, dass die Fremden – ganz im Gegensatz zu uns – in der Lage sind, interstellare Entfernungen zu überbrücken, ist leicht zu prognostizieren, dass ein solcher Schlagabtausch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gut für die Menschheit ausgehen würde. Wenn bei einem tatsächlichen Erstkontakt mit einem Flugkörper ausserirdischen Ursprungs eine militärische Logik greift, könnte dies fatale Folgen haben, die letztlich die Menschheit als Ganzes bedrohen könnten. In einer solchen Situation auf Diplomatie und Zurückhaltung zu setzen, könnte für die Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig sein.

«Wenn bei einem tatsächlichen Erstkontakt mit einem Flugkörper

ausserirdischen Ursprungs eine militärische Logik greift, könnte

dies fatale Folgen haben, die letztlich die Menschheit

als Ganzes bedrohen könnten.»

Asymmetrischer Kulturkontakt

Bei all dem stellt sich natürlich die Frage, warum wir uns aus wissenschaftlicher Sicht mit Fragen beschäftigen sollten, die doch im Bereich der Science-Fiction gut aufgehoben scheinen. Die Antwort ist ganz einfach: Es deutet vieles darauf hin, dass wir das Universum nicht für uns allein haben, wie wir lange glaubten. Erst seit wenigen Jahren wissen wir, dass es in unserer Galaxie nur so von Planeten wimmelt. Und viele dieser sogenannten Exoplaneten umkreisen ihren Heimatstern in einem Abstand, der die Entwicklung von Leben ermöglicht. Wahrscheinlich gibt es allein in unserer Milchstrasse mehrere hundert Millionen prinzipiell bewohnbarer Planeten.

Ausserdem ist heute klar, dass das irdische Leben selbst die unwirtlichsten Zonen unseres Planeten besiedeln konnte – Leben, einmal entstanden, ist offensichtlich nicht nur extrem robust, sondern auch sehr anpassungsfähig. Und es entwickelt sich ständig weiter. Komplexes Leben könnte also an vielen Orten im Universum existieren. Das legt zumindest die Möglichkeit nahe, dass intelligentes Leben nicht nur auf der Erde entstanden ist. In unserer Milchstrasse könnte es eine Vielzahl technologisch fortgeschrittener Zivilisationen geben. Es ist also durchaus möglich (manche Forscher halten es sogar für sehr wahrscheinlich), dass wir eines – vielleicht gar nicht so fernen – Tages auf den Abgesandten einer dieser Zivilisationen stossen.

«In unserer Milchstrasse könnte es eine Vielzahl

technologisch fortgeschrittener Zivilisationen geben.»

Da wir technologisch noch weit davon entfernt sind, zu fremden Sternen reisen zu können, muss es eher heissen: Sie könnten auf uns treffen. Und dann hätten wir es mit einem sogenannten asymmetrischen Kulturkontakt zu tun, wie wir ihn aus der irdischen Geschichte aus diversen Beispielen kennen. Solche Kontakte sind für die Zivilisationen, die sich plötzlich auf ihrem eigenen Territorium mit völlig Fremden konfrontiert sahen, regelmässig nicht gut ausgegangen, um es zurückhaltend auszudrücken. Man denke nur an die amerikanischen Zivilisationen nach der Ankunft der Europäer. Wenn wir die Erfahrungen mit irdischen Kulturkontakten auf das beschriebene Begegnungsszenario übertragen, ist die Rollenzuweisung eindeutig: Wir Menschen sind (im Gegensatz zur Besatzung der Enterprise) die Entdeckten, die Ausserirdischen hingegen sind die Entdecker.

Das dürfte massive Folgen nicht nur für unser Selbstbild haben, sondern auch die Art und Weise, wie wir heute auf der Erde zusammenleben, radikal verändern, im Guten wie im Schlechten. Eine zumindest gedankliche Auseinandersetzung mit der Möglichkeit eines solchen interstellaren Kulturkontakts ist daher dringend geboten. Darüber hinaus würde es sicherlich auch Sinn machen, sich ganz praktisch auf diese Möglichkeit vorzubereiten. Etwa durch internationale Verträge, die regeln, wer im Falle des Falles für die Menschheit spricht. Sonst werden wir angesichts der kulturellen Ungeheuerlichkeit der Ereignisse sprachlos bleiben.

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