Wer schaut denn in der Netflix-Ära noch Schweizer Serien? – Ich!

Schweizer Serien haben dem Serienjunkie durchaus etwas zu bieten. Dank Qualität und Experimentierfreude können sie dem internationalen Vergleich standhalten.

Wer schaut denn in der Netflix-Ära noch Schweizer Serien? – Ich!
David Constantin alias Johannes «Bax» Schmidhalter aus der SRF-Comedyserie «Tschugger», der bis anhin schrillsten Produktion aus dem Hause SRF. Bild: SRF.

Es ist noch keine zehn Jahre her, als für Schweizer Serienfans wie mich das Schlaraffenland seine Tore öffnete: 2014 kam Netflix in die Schweiz. Mit einem Schlag standen Hunderte von Serien zur Verfügung. Netflix veränderte aber vor allem, wie wir Serien schauen.

Wer kann sich heute noch vorstellen, dass man sich brav Woche für Woche um eine bestimmte Zeit vor den Fernseher setzt, um die neue Folge einer Serie zu schauen? Netflix und Co. eröffneten uns ein neues Freizeitvergnügen namens Bingewatching. Ganze Serienstaffeln können wir uns an einem Wochenende zu Gemüte führen, wenn uns der Sinn danach steht. Oder drei Serien abwechselnd hintereinander. Das lineare Fernsehen war damit – für mich – endgültig tot.

Zwar hatte die goldene Ära der TV-Serien noch im linearen Zeitalter in den Nullerjahren begonnen. Damals entstanden die prägenden Serien wie «The Sopranos», «The Wire», «Six Feet Under» oder «Mad Men». Bildschirmerlebnisse der Extraklasse, die nicht nur mir vor Augen führten, wie mitreissend Serien sein können.

Dies waren allerdings Serien, die nicht in die Primetime des Fernsehens passten und deshalb bestenfalls kurz vor Mitternacht über die Sender flimmerten. Sie waren nicht auf die herkömmlichen Sehgewohnheiten zugeschnitten, sondern erzählten komplexe Geschichten mit vielschichtigen Figuren. Sie waren rauher, wagemutiger und hielten sich an keine Konventionen.

«The Wire» (2002–2008) setzte im frühen 21. Jahrhundert neue Massstäbe. Die Serie ­fiktionalisierte die Drogenszene in Baltimore, wechselte die Perspektiven ab und bot ­interessante Figuren auf. Bild: HBO.
Die detailgetreue Serie «Mad Men» (2007–2015) spielte in einer Werbeagentur im Manhattan der 1960er-Jahre. Neben stilgetreuer Mode integrierte sie viele politische und gesellschaftliche Ereignisse des Jahrzehnts. Bild: AMC.

Netflix erkannte, dass sein Streamingangebot solche Serien brauchte, um sich vom Angebot der TV-Sender abzuheben, und wagte einen weiteren Schritt. Das Unternehmen stieg in die Produktion ein und setzte mit «House of Cards», «Orange Is the New Black» oder «Stranger Things» neue Massstäbe.

Der Erfolg dieser Serien hatte wesentlich damit zu tun, dass Netflix den kreativen Köpfen, die dahintersteckten, viel Freiraum liess, den diese weidlich ausschöpften. Sie erreichten damit ein Publikum, das sich nach neuen Formen und Inhalten sehnte, statt sich zum hundertsten Mal einen «Tatort» anzuschauen.

Schweizer Serienlandschaft

Seither schwelgen Nerds wie ich also in der grossen weiten Welt der modernen TV-Serien. Jetzt stellt sich die Frage: Welche Rolle spielen Schweizer Produktionen, die es ja auch gibt, im Leben eines Serienfans? Die kurze Antwort: eine unwesentliche. Was aber nur logisch ist. Denn SRF und RTS produzieren nur etwa drei Serien pro Jahr. Und es hat eine Weile gedauert, bis darunter auch Produktionen waren, die sich in der neuen Serien-Welt sehen lassen können.

Dabei gibt es in der Geschichte bemerkenswerte Produktionen. «Motel» aus den 1980er-Jahren war für helvetische Verhältnisse wagemutig. Da wurden die Schweizerinnen und Schweizer in ihren Wohnstuben mit Rassismus, Homosexualität und einem nackten Busen konfrontiert. Die Reaktionen waren entsprechend empört.

Mit «Fascht e Familie» gelang dem damaligen SF DRS 1994 eine witzige Sitcom, die bis heute als erfolgreichste Serie des Hauses gilt. Auch eine Seifenoper eroberte Ende der 1990er-Jahre die Gunst des Publikums: «Lüthi und Blanc» lief über acht Jahre und 288 Episoden.

Dann war Schluss mit erfolgreichen…