Wer isst schon 300 Gramm Bündnerfleisch pro Tag?
Teil 4: Lebensmittelvorschriften. Erfahrungen von Produzenten.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schreibt in einer Studie, dass der Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch «wahrscheinlich» Darmkrebs befördere. Christoph Egger, CEO der Bündner Fleischwarenproduzentin Albert Spiess AG, fühlt sich davon nicht angegriffen: «Ich sehe unsere Produkte als Genussmittel – niemand isst täglich 300 Gramm Bündnerfleisch.»
Wer sein Trockenfleisch als Bündnerfleisch verkaufen möchte, untersteht strengen Produktvorgaben – der Produktname ist nämlich eine geschützte, geografische Angabe. Das Bundesamt für Landwirtschaft fasst die Bestimmungen in einem dreiseitigen Pflichtenheft zusammen: So muss beispielsweise der Trocknungsprozess auf einer Höhe von mehr als 800 Metern über Meer erfolgen. Die Firma Albert Spiess trocknet ihr Bündnerfleisch auf über 1500 Metern in Davos Frauenkirch, verpackt werden die Produkte in Schiers. Seit 1906, dem Gründungsjahr des Unternehmens, hat sich die Rezeptur nur geringfügig verändert. Strenge Vorgaben würden zwar administrativen Mehraufwand bedeuten, der Zertifizierungsprozess verleihe seinem Produkt jedoch einen Qualitätsnachweis, meint Egger. Geschätzt werde das auch im Ausland, wo die Albert Spiess AG rund einen Viertel ihrer Umsätze erwirtschaftet: In Frankreich etwa sei «Viande des Grisons» eine beliebte Ergänzung zu warmen Käsespeisen.
Egger glaubt nicht, dass sich die Politik bald noch stärker in den Produktionsprozess einmischen könnte, etwa durch eine erzwungene Reduktion des Salzgehalts im gepökelten Fleisch. Er bezweifelt, dass dies überhaupt im Interesse der Bevölkerung läge: Sein Unternehmen hat bereits ein salzreduziertes Bündnerfleisch entwickelt – mit bescheidenem Verkaufserfolg. Grössere Sorgen macht sich Egger hinsichtlich der Massentierhaltungsinitiative: Sollte diese angenommen werden, würde sich gemäss Egger das Rohfleisch klar verteuern.
In der Schweiz ist der Fleischkonsum in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich gesunken. Egger sieht in dem Trend jedoch keine Existenzbedrohung: «Selbst wenn die Konsumenten ihren Fleischkonsum reduzieren, verzichten sie nicht auf Qualitätsprodukte», sagt er. Nach einem langen Skitag gönne man sich doch gerne ein Glas Wein und ein Bündnerplättli. (jb)