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Schweiz aktuell, 12.08.1997. Bild: Screenshot, srf.ch.

Wer für 12 Franken pro Stunde per Schneckentempo im
Internet surfte, weiss, dass
dem Fortschritt keine
Grenzen gesetzt sind

Billiger, schneller und besser: Technologische Revolutionen schaffen stetig neue Möglichkeiten.

Wenn ich eines Tages wie mein Grossvater mit 102 Jahren noch «Dr Schacher Seppli» singen kann – bei mir wäre es eher ein rockiger Titel –, dann hätte ich heute die Hälfte meines Lebens hinter mir. Ein idealer Zeitpunkt, um mit Ihnen zurückzublicken und zu schauen, wo wir zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn technologisch standen und wohin uns der Weg führte. Das kann helfen zu verstehen, was künftig mit künstlicher Intelligenz, Robotik und Digitalisierung möglich sein wird. Denn allzu oft vergessen wir, dass vieles, was heute selbstverständlich ist, noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar war.

Als ich 1989 meine Ausbildung begann, war das Internet für die meisten ein Fremdwort. Mit einem Akustikkoppler, auf den man den Telefonhörer steckte, machten wir unsere ersten Gehversuche im Netz. Ein absolutes Highlight waren damals die 1200-Baud-Modems, die plötzlich erschwinglich waren und neue Möglichkeiten eröffneten.

Ich, damals schon ein Newsjunkie, wollte dem «St. Galler Tagblatt» die Idee verkaufen, dass der heimische Computer die Tagesausgabe per Modem abholt und auf einem Nadeldrucker ausdruckt. Weil aber ein 1200-Baud-Modem bis zu einer Stunde brauchte, um die Zeitung zu übertragen, scheiterte das Projekt an den horrenden Telefonkosten – 8 bis 12 Franken pro Ausgabe waren einfach zu viel. Heute könnte man mit 5G-Technologie alle «Tagblatt»-Ausgaben eines Jahres in rund einer Sekunde übertragen (ohne Bilder). Der Nadeldrucker ist überflüssig geworden, mit unseren Smartphones haben wir überall und jederzeit Zugang zum Internet – 2,5 Millionen Mal schneller als damals.

Die Erhöhung der Geschwindigkeit war schon immer ein technologischer Motor. Ein Mensch zu Fuss ist langsamer als ein Mensch auf einem Pferd, in einem Zug, einem Auto, einem Flugzeug oder einer Rakete. So haben auch schnellere Datenübertragungsraten neue Möglichkeiten eröffnet. Eine Stunde Surfen im World Wide Web kostete 1994 noch 12 Franken – für ein paar wenige Websites mit viel Text und wenig Bildern. Doch die Übertragungsraten stiegen drastisch an und neue Möglichkeiten eröffneten sich.

«Die Erhöhung der Geschwindigkeit war schon immer

ein technologischer Motor.»

1996 versuchte ich mich als Internet-Radio-Moderator und übertrug das Eröffnungsspiel der Fussball-EM zwischen England und der Schweiz live mit Chatfunktion. Die Leute freuten sich, nur Sony gefiel es nicht, dass ich in der Pause auch Songs aus ihrem Katalog spielte. Sie schickten mir über eine der teuersten Anwaltskanzleien der Schweiz eine unmissverständliche Botschaft.

Auf einen Rechtsstreit hatte ich keine Lust, zumal sich andere Möglichkeiten auftaten. Wir überzeugten Star TV, als dritter Fernsehsender der Welt 24 Stunden live im Internet zu senden, und das Schweizer Fernsehen, mit «Schweiz aktuell», «Tagesschau» und «10 vor 10» online zu gehen. In einem ersten Bericht bezeichnete «Schweiz aktuell» selber die Qualität von 25 000 Pixeln als «schlecht». Doch wie wir heute wissen, wurde das verschwommene analoge Bild mit 415 000 Pixeln durch digitale Flachbildschirme verdrängt. Heute schauen wir Netflix in gestochen scharfer Qualität mit 8 Millionen Pixeln. Und wer 3D-Filme mit der neuesten Apple Vision Pro schaut, sieht diese so realistisch wie nie zuvor.

Der technologische Fortschritt führt dazu, dass alles billiger, schneller und besser verfügbar wird. ChatGPT kostet heute 20 Dollar im Monat und war bis vor Kurzem textbasiert. Bald werden wir ständigen Zugang zu unserer persönlichen künstlichen Intelligenz haben; sie kennt das gesamte externe öffentliche Wissen und weiss, was wir gesehen, erlebt, gedacht und getan haben.

Die Zukunft bringt noch mehr: Vielleicht brauchen wir morgen keine Bildschirme mehr, sehen alles durch eine Linse und steuern alles mit unseren Gedanken. Mutige – oder Narren – werden sich, um sich selbst zu optimieren, einen Neurochip implantieren lassen. Klingt verrückt? Verrückt wurde schon vieles genannt. Als ich 1993 die erste Videospiel-Schweizer-Meisterschaft organisierte, galt Gaming noch als etwas für Kinder und «Freaks». Heute ist E-Sport, das digitale Spielen, ein Milliardenmarkt. Die «League of Legends»-Weltmeisterschaft 2019 hatte mehr Zuschauer als der Superbowl.

Die Technik hat unseren Alltag in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen wird: Künstliche Intelligenz, Robotik, autonomes Fahren, Biomedizin und Raumfahrt haben das Potenzial, ganze Branchen und Lebensbereiche zu revolutionieren. Was davon wird umgesetzt? Alles, was möglich ist und was die Gesellschaft nutzen will.

«Die Technik hat unseren Alltag in den letzten Jahrzehnten massiv

verändert. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen wird.»

Ich freue mich auf morgen und habe grosse Lust, einen kleinen Teil davon mitzugestalten – und Sie?

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