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Wer die Lufthoheit hat,  kontrolliert den Boden
Peter Merz, zvg.

Wer die Lufthoheit hat,
kontrolliert den Boden

Die Schweiz investiert zugleich in neue Kampfflugzeuge und bodengestützte Abwehrsysteme. Auch Drohnen werden künftig in der Luftverteidigung eine wichtigere Rolle spielen.

Der seit einem Jahr tobende Krieg in der Ukraine hat das Gesicht Europas nachhaltig verändert. Nun liegt es an uns, die Fakten zu analysieren und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Was uns der Krieg in der Ukraine bereits bestätigt: Ein Krieg wird zwar am Boden entschieden, doch wer die Luft beherrscht, bestimmt weitgehend, was sich am Boden bewegt. Hätte im Ukrainekrieg eine Seite die Luftüberlegenheit, sähe es am Boden anders aus. Das bedeutet, dass wir Kampfflugzeuge und die bodengestützte Luftverteidigung nach wie vor in allen Lagen benötigen, um unser Land, seine Bevölkerung und die kritischen Infrastrukturen zu schützen und zu verteidigen.

Eine direkte militärische Bedrohung durch einen bewaffneten Angriff auf die Schweiz ist aktuell wenig wahrscheinlich. Die Auswirkungen eines solchen Angriffs wären jedoch derart gravierend, dass wir dieses Szenario nicht vernachlässigen dürfen. Es genügt daher nicht, die Mittel für die Sicherheit nur auf die gegenwärtigen Bedrohungen auszurichten, es müssen auch mögliche künftige Entwicklungen berücksichtigt werden. Dazu verfolgen wir das Kriegsgeschehen insbesondere in der Ukraine laufend und ziehen daraus die Erkenntnisse, die wir umgehend und konsequent in die Weiterentwicklung unserer Armee einfliessen lassen. Im Zentrum steht dabei der Ausbau unserer Verteidigungsfähigkeit und damit eine robuste sowie durchhaltefähige Armee.

Wie der Grundlagenbericht «Luftverteidigung der Zukunft» von 2017 darlegt, lässt sich ein umfassender Schutz über einem Einsatzgebiet – bildlich gesprochen ein undurchlässiger Luftschirm – grundsätzlich nicht gewährleisten. Bodengestützte Luftverteidigungssysteme sind jeweils für gewisse Bedrohungen optimiert, nicht aber für die Gesamtheit aller möglichen Bedrohungen. Allein wären sie gegenüber einem modernen Luftkriegsgegner nicht überlebensfähig. In der Luftverteidigung wirken die bodengestützte Luftverteidigung und das Kampfflugzeug komplementär, indem sie gegenseitig Schwächen kompensieren. Daneben spielt das Kampfflugzeug eine bedeutende Rolle in der Luftaufklärung und bei Angriffen gegen Ziele am Boden.

Ebenso wichtig bei der Überwachung des Luftraumes ist für die Schweiz die Zusammenarbeit mit den Luftwaffen anderer Länder. Aufgrund der kurzen Vorwarnzeiten im Luftraum kooperieren wir im Bereich des Luftlagebilds bereits heute mit unseren Nachbarn. Im Konfliktfall kann eine Kooperation zusätzlichen Mehrwert bringen, weil die Einsatzdistanzen moderner Abstandswaffen gross sind. Dennoch sehen unsere Konzeptionen zur Weiterentwicklung der Schweizer Luftwaffe grundsätzlich vor, dass wir den Kampf bis zu einem gewissen Grad selbständig führen könnten. Das macht uns gleichzeitig zu einem geachteten Kooperationspartner.

F-35A-Kampfflugzeug, Patriot-Raketen und Drohnen

Mit der Unterzeichnung der Beschaffungsverträge für 36 Kampfflugzeuge des Typs F-35A und fünf Feuereinheiten von Patriot, einem bodengestützten Luftverteidigungssystem grösserer Reichweite, haben wir bereits einen entscheidenden Meilenstein für die Zukunft der Armee erreicht. Mit den beiden Systemen verfügt die Schweiz künftig wieder über die Voraussetzung zur integrierten Luftverteidigung sowie zum Wiederaufbau der Erdkampffähigkeit zur Unterstützung der Bodentruppen und der Aufklärung mit Kampfflugzeugen. Des weiteren haben wir vor kurzem die ersten zwei von insgesamt sechs Aufklärungsdrohnen «ADS 15» erhalten.

  • Der F-35A besticht mit seinen neuartigen, sehr leistungsfähigen und umfassend vernetzten Systemen zum Schutz und zur Überwachung des Luftraums. Damit erreicht der F-35A die Informationsüberlegenheit, was den Piloten einen betrieblichen, technischen und menschlichen Wissensvorsprung verschafft und damit ein überlegenes Situationsbewusstsein in allen Aufgabenbereichen ermöglicht, insbesondere auch im alltäglichen Luftpolizeidienst. Der F-35A ist von Grund auf so konstruiert, dass ihn andere Waffensysteme nur schwer erfassen können. Die daraus resultierende hohe Überlebensfähigkeit ist für die Schweizer Luftwaffe ein besonderer Vorteil. Schliesslich ist beim F-35A als modernstem Waffensystem davon auszugehen, dass sein Technologievorsprung relativ lange Bestand haben wird. Der Betrieb und die Instandhaltung erfolgen effizient, und die Versorgungssicherheit während der gesamten Nutzungsdauer ist hoch. Schliesslich wird der F-35A in hohen Stückzahlen produziert und von vielen europäischen Ländern eingesetzt werden.
  • Patriot, das bodengestützte Luftverteidigungssystem grösserer Reichweite, trägt massgeblich zur integrierten Luftverteidigung bei. Patriot ist in der Lage, Räume sowohl selbständig als auch in Kombination mit Kampfflugzeugen zu schützen. Es erreicht eine Einsatzhöhe von deutlich über 20 Kilometern sowie eine Einsatzdistanz von weit über 50 Kilometern – eine für solche Systeme vergleichsweise grosse Einsatzdistanz.
  • Das ADS 15 ist ein unbemanntes und unbewaffnetes Aufklärungssystem. Die Drohne dient der Lage- und Zielaufklärung, kann aber bei Bedarf mit anderen Sensoren ausgerüstet werden – beispielsweise für abbildendes Radar, das ein Bild der Bodenlage oder für die elektronische Aufklärung erzeugt. Dieses Bild ist vergleichbar mit fotografischen Aufnahmen und lässt sich daher verhältnismässig leicht interpretieren. Mit dem Drohnensystem ist ein Einsatz bei Tag und Nacht möglich. So können wir mit der ADS 15 grosse Räume überwachen oder Ziele suchen, aufklären und verfolgen. Zudem hilft es uns, ein Lagebild zu erfassen sowie die eigenen Kräfte und kritische Infrastrukturen zu schützen. Die Nutzer sind wie beim Vorgängersystem ADS 95 militärische und zivile Stellen, beispielsweise kantonale Führungsstäbe, Polizei- und Rettungsorgane sowie das Bundesamt für Zoll und Grenzschutz.

Drohnen spielen nicht nur im Ukrainekrieg eine wesentliche Rolle. Auch im Sicherheitsverbund Schweiz erfüllen sie bereits heute wichtige Aufgaben. Im Ernstfall ist für den Einsatz grösserer Drohnen eine vorteilhafte, sichere Luftsituation nötig. Beispielsweise wurde es nach anfänglichen Erfolgen für die ukrainische Luftwaffe zunehmend schwieriger, grössere Drohnen einzusetzen. Kleinere, schwierig erfassbare Drohnen dagegen sind wesentlich überlebensfähiger, allerdings ist ihre Aufklärungsleistung deutlich reduziert. Ähnlich wie bei der bodengestützten Luftverteidigung und dem Kampfflugzeug ergänzen sich grössere und kleinere Drohnen.

Bei der Abwehr von Drohnen gilt es grundsätzlich zu beachten, dass aufgrund der Vielzahl unterschiedlichster Typen – von winzig klein bis zu gross wie ein Flugzeug – kein einheitliches Abwehrsystem denkbar, geschweige denn auf dem Markt erhältlich ist. Während grössere Drohnen mit den klassischen Mitteln der Fliegerabwehr und Kampfflugzeugen bekämpft werden können, ist die Abwehr von sogenannten Minidrohnen schwieriger. Bereits zur Erfassung sind spezifische und unterschiedliche Sensoren erforderlich. Der Markt der kommerziell erhältlichen Abwehrsysteme ist noch relativ jung, und die Evaluationen dauern noch an.

Soldat mit Superheldenumhang, erstellt mit dem KI-Programm Midjourney.

Zurück zu dezentralen Standorten

Eine weitere Frage, die uns oft gestellt wird, lautet: Wie wollt ihr euch vor Luftangriffen auf Militärflugplätze schützen? Eine gute Frage, denn die Luftwaffe verfügt heute neben den Lufttransportstandorten in Dübendorf, Alpnach und Locarno nur mehr über die drei Jet-Flugplätze Payerne, Emmen und Meiringen. Weil wir alle Mittel an wenigen Orten konzentriert haben, macht uns das entsprechend anfällig und verwundbar. Um dieses Risiko zu minimieren, setzen wir unter anderem auf die Dezentralisierung als passive Luftverteidigungsmassnahme.

Die Dezentralisierung beschreibt die Fähigkeit, die Menschen und das Material innert kürzester Zeit im ganzen Land zu verteilen. Die Mittel der Luftwaffe sollen nach Möglichkeit auch von dezentralen oder unter Umständen selbst von improvisierten Standorten aus operieren können. Neben gewissen Autobahnabschnitten, die bereits im Kalten Krieg für solche Einsätze ausgelegt wurden, eignen sich auch ehemalige, mittlerweile zivil genutzte Militärflugplätze für einen dezentralen Einsatz militärischer Luftfahrzeuge. Die Luftwaffe wird also künftig nicht mehr nur auf den bekannten militärischen Flugplätzen zu sehen sein. Wir müssen uns auf alle Bedrohungen ausrichten und tun dies auch.

«Die Luftwaffe wird künftig nicht mehr nur auf den bekannten
militärischen Flugplätzen zu sehen sein.»

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