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Wer den Steuerwettbewerb ausschaltet, lanciert das ­ Seilziehen um ­Subventionen
Kristian Niemietz, zvg.

Wer den Steuerwettbewerb ausschaltet, lanciert das ­
Seilziehen um ­Subventionen

Die Befürworter einer globalen Mindeststeuer gehen von einem ­wohl­wollenden Staat aus, der durch den Steuerwettbewerb ausgeblutet wird. Sie verkennen ­dabei einige politische Realitäten.

 

Ab nächstem Jahr wird ein unter der Schirmherrschaft der OECD ausgehandeltes internationales Abkommen zur Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung schrittweise in Kraft treten. Dieses will erstens regeln, wo genau die Unternehmenssteuern anfallen sollen. Zweitens geht es dann konkret um das Steuerniveau, denn das Abkommen sieht einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent vor, der für grenzüberschreitend tätige Grossunternehmen gelten soll. Hinzu kommen Massnahmen zur Harmonisierung der Bemessungsgrundlage. Damit wird der Weg in Richtung eines internationalen Steuer­kartells geebnet.

Zwar wird sich im nächsten oder übernächsten Jahr wohl nicht allzu viel ändern: Die allermeisten Unternehmen sind von den neuen Regelungen nicht oder nur am Rande betroffen, und in den allermeisten Ländern liegt die Unternehmensbesteuerung ohnehin bereits oberhalb des Mindestsatzes. Ist der Weg in Richtung Steuerkartell aber einmal eingeschlagen, dann ist der nächste Schritt nicht mehr schwer: Es ist weder garantiert, dass der Mindeststeuersatz dauerhaft bei 15 Prozent bleiben wird, noch dass der Geltungsbereich des Abkommens nicht im Laufe der Zeit ausgeweitet wird, etwa auf weniger grosse Unternehmen und/oder auf weitere Steuerarten.

Ein Mittel gegen die Staatsaufblähung

Lassen wir die Details des OECD-Abkommens aber einmal beiseite und betrachten das Ganze etwas grundsätzlicher. Wie ist Steuerwettbewerb aus ökonomischer Sicht zu bewerten?

Gegner und Befürworter des Steuerwettbewerbs treffen sehr unterschiedliche Annahmen bezüglich der Natur des Staates und des politischen Prozesses. Gegner des Steuerwettbewerbs stellen sich den Staat als eine im wesentlichen wohlwollende Einrichtung vor, die in erster ­Linie dem Allgemeinwohl dient. In diesem Denkmodell entsprechen die Höhe und die Zusammensetzung der Staatsausgaben den Vorstellungen der Bürger. Ein Schutz vor einem übermässigen Steuerhunger des Staates ist in diesem Modell also nicht nötig. Sind die Bürger mit der Steuer­belastung unzufrieden, so können sie ganz einfach eine Partei wählen, die Steuersenkungen verspricht.

Befürworter des Steuerwettbewerbs sind da etwas zynischer – oder je nach Perspektive realistischer. Sie stellen sich den Staat als eine Einrichtung vor, die auch eigene Interessen verfolgt, und sehen den politischen Prozess eher als ein Ringen von Interessengruppen. Staatliche Behörden beispielsweise haben wenig Anreiz, ihre Budgets unter Kontrolle zu halten. Vielmehr ist ihnen an einer Ausweitung ihrer Budgets und ihres Machtbereiches gelegen.

Das führt in diesem Denkmodell im Laufe der Zeit zu einer Ausweitung der Staatstätigkeit und einer Aufblähung des öffentlichen Sektors. Demokratische Kontrollmechanismen dienen dabei nur bedingt als Korrektiv, da die Empfänger staatlicher Gefälligkeiten politisch oft besser organisiert sind als jene, welche die Kosten tragen. In diesem Modell ist es daher ratsam, dem Staatswachstum Grenzen zu setzen. Das kann durch konstitutionelle Mechanismen geschehen, durch selbstverordnete Beschränkungen wie etwa Schuldenbremsen – oder eben durch Steuerwettbewerb.

Hoffen auf den Bremsklotz Schweiz

Gegner des Steuerwettbewerbs nehmen an, dass die Eigner von mobilem Kapital diesen Wettbewerb ausnutzen, um demokratische Regierungen gegeneinander auszuspielen. Es kommt, so glauben sie, zu einem ruinösen Unterbietungswettlauf («race to the bottom»). Demokratische Regierungen werden der Fähigkeit beraubt, in angemessenem Umfang öffentliche Güter und Dienstleistungen bereitzustellen und in die öffentliche Daseinsvorsorge zu investieren.

Befürworter des Steuerwettbewerbs dagegen glauben, dass Steuerwettbewerb zwischen Staaten nicht wesentlich anders ist als Preiswettbewerb zwischen privaten Unternehmen. Natürlich führt Wettbewerb tendenziell zu sinkenden Preisen. Wettbewerb ist allerdings mehrdimensional, und der Preis ist nur ein Parameter von vielen. In der Gastronomie etwa führt Wettbewerb keineswegs dazu, dass sich alle Anbieter auf dem Niveau einer Imbissbude einpendeln. Hochpreisige Restaurants können sehr wohl wettbewerbsfähig sein – sie müssen aber für den hohen Preis auch etwas bieten. Ebenso kann ein Staat, der erstklassige öffentliche Güter und Dienstleistungen bereitstellt, Bürgern und Unternehmen auch eine gewisse Steuerlast abverlangen, ohne dass das die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Steuerwettbewerb ist nur eine von vielen Dimensionen des Standortwettbewerbs.

Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass der Standortwettbewerb nicht verschwindet, wenn der Steuerwettbewerb ausgeschaltet wird. Er verlagert sich lediglich in andere Bereiche. Staaten konkurrieren nach wie vor miteinander um mobiles Kapital. Können sie dieses nicht mehr durch attraktive Steuersätze anlocken, dann versuchen sie es eben auf andere Weise, etwa durch Subventionen oder andere Gefälligkeiten. Das ist sicherlich nicht das, was Gegner des Steuerwettbewerbs im Sinn ­haben.

Die Schweiz steht im Steuer- und Standortwettbewerb gut da, und das nützt nicht nur den Schweizern selbst: Vielmehr hat die Schweiz mit ihrem relativ moderaten Steuerniveau sicherlich ein wenig dazu beigetragen, den Steuerhunger der Regierungen in benachbarten Hoch­steuerländern etwas im Zaum zu halten. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Schweiz beim Thema Steuerharmonisierung als Bremsklotz agieren wird.

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