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Wenn der Mensch die Natur absolut setzt

«Klimawandel» und «Ökologie» sind zu Tabuthemen geworden. Wenn jedoch die Kosten des Umweltschutzes nicht mehr in Frage gestellt werden dürfen, wächst die Gefahr willkürlicher Eingriffe.

Mit Umweltschutz lässt sich heute in der politischen Debatte punkten. Das gesellschaftliche Handeln zielt – nicht nur rhetorisch – auf Nachhaltigkeit. Dabei kann der Umweltschutz ganz unterschiedliche Formen annehmen. Gibt es welche, die mit einer liberalen Sicht der Dinge kompatibel sind?

Eine rote Linie wird überschritten, wenn die Natur oder Umwelt als wichtiger erklärt wird als der Mensch; wenn beispielsweise bewusst oder billigend in Kauf genommen wird, dass der Umweltschutz Menschenleben kostet, oder wenn gefordert wird, Wohlstand und Lebensqualität auf Grund des Umweltschutzes zu begrenzen. Es stimmt: in den verschiedenen Bewegungen, die den Umweltdiskurs führen, lassen sich selten explizite Forderungen nach dem Vorrang des Umweltschutzes finden. Doch lassen die Forderung nach «Umweltgerechtigkeit», alarmistische Warnungen vor der Zerstörung der menschlichen Lebensbasis durch die moderne Wohlstandsgesellschaft und ultimative Appelle nach einer radikalen Umkehr implizit eine Die-Natur-zuerst-Haltung erahnen. Solche Aufrufe kommen zwar in vielen Kreisen gut an; sie sind aber nicht wirklich durchdacht.

Die Argumentation, die dahinter steckt, sieht so aus: Die Natur bildet die Grundlage des Lebens, und Schutz der Natur ist letztlich Schutz des Menschen. Die Argumentation ist jedoch schief. Denn absolut gesehen, gibt es keinen Grund, die Natur zu schützen. Sie als solche ist nicht gefährdet, sie wird den Menschen mit Bestimmtheit überleben. Zwar ist sie Voraussetzung für menschliches Leben, gleichzeitig ist die Geschichte aber voller Beispiele, wo grosse Teile der Bevölkerung durch Naturgewalten hingerafft wurden. In der Vergangenheit hat der Mensch die Natur immer gezähmt, um sich vor ihr zu schützen. Nun hat er sich durch die Technik Möglichkeiten geschaffen, so in sie einzugreifen, dass im Extremfall das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht. Das mag man bedauern, doch muss die Natur prinzipiell ebensowenig vor den Menschen geschützt werden wie letztere vor sich selbst. Sie bleibt dem Menschen dienstbar. Es müssen deshalb bloss bestimmte Ausprägungen der Natur geschützt werden, die Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Wohlstand haben. Diese Unterscheidung ist von zentraler Bedeutung.

Die Frage ist also nicht, ob die Natur, sondern welche Natur geschützt werden soll. Wer eine Ideologie vertritt, die den Umweltschutz an den ersten Platz stellt, verfolgt zumeist eine versteckte politische oder geschäftliche Agenda. Oft genug werden Forderungen nach «Umweltgerechtigkeit» von Kreisen aufgestellt, die einen antikapitalistischen Kampf betreiben. Umweltschutzstandards können auch als Waffe eingesetzt werden, um inländische Sektoren der Wirtschaft vor Wettbewerb (aus dem Ausland) zu schützen. Oder es kann das Engagement für weiche Ziele im Umweltschutzbereich als Entschuldigung für ökonomischen Misserfolg dienen. Der Publizist Paul K. Driessen zeigt in seinem Buch «Öko-Imperialismus. Grüne Politik mit tödlichen Folgen» (TvR Medienverlag, 2006) sehr deutlich, wie sich ein absolut gesetzter Umweltschutz auf Kosten wohlbegründeter Bedürfnisse, vorwiegend armer Schichten in den Entwicklungsländern, auswirkt. Wenn aber danach gefragt wird, welche Natur denn geschützt werden soll, dann müssen die versteckten Interessen offengelegt werden, und der Umweltschutz verliert seine ultimative Tönung.

Aus liberaler Sicht hat Umweltschutz durchaus seine Berechtigung. Er ist ein menschliches Anliegen und erfolgt nicht um seiner selbst willen. Doch wer ihn verabsolutiert, handelt zwangsläufig antiliberal. Mit dem Liberalismus kompatibel ist Umweltschutz dann , wenn er den gesellschaftlichen Wohlstand mehrt. Auch hier gilt: es sind die Menschen, die entscheiden müssen, ob und in welchem Fall die Natur ihr Leben bedroht oder positiv zur Lebensqualität beiträgt. Sie sind in diesen Entscheidungsprozess einbezogen, wenn konkrete Umweltschutzmassnahmen in einem demokratischen und transparenten Prozess verhandelt werden. Dieser politische Kanal ist gut erprobt und verlässlich institutionalisiert.

Weniger anerkannt sind Formen des Umweltschutzes, die über Marktmechanismen laufen. Umweltgüter sind zumeist öffentliche Güter. Damit besteht die Gefahr, dass sie übernutzt und verschwendet werden. Wenn es gelingt, Umweltgüter mit einem Preisetikett zu versehen, haben die Individuen auch als ökonomisch handelnde Personen die Möglichkeit, ihre Präferenz für diese Güter auszudrücken. Emissions-Zertifikate und staatsquotenneutrale Öko-Steuern sind solche Mittel, die den Preismechanismus nutzen. Der Ansatz ist bedenkenswert. So könnte mit den Mitteln des Marktes statt mit dem Befehl von oben ein gesellschaftlich optimales Mass an Umweltschutz erreicht werden.

BENNO LUTHIGER, geboren 1961, hat Studien in Physik und Ethnologie abgeschlossen und wurde mit einer betriebswirtschaftlichen Arbeit promoviert. Er ist Mitglied der Grünliberalen Partei.

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