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Wenn der Islam zur Schweiz gehört, gehört dann auch die Todesstrafe dazu?
Bundesrat Beat Jans, Bild: Schweizerische Bundeskanzlei / Sina Guntern

Wenn der Islam zur Schweiz gehört, gehört dann auch die Todesstrafe dazu?

Die Behauptung von Bundesrat Beat Jans ist entweder geschichtsblind – oder geradezu absurd.

Bundesrat Beat Jans setzte mit seiner Teilnahme am Fastenbrechen der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz ein beachtenswertes Zeichen. «Mit Freude habe ich gestern Abend am Fastenbrechen teilgenommen», schrieb er auf X, gefolgt von einem herzlichen «Ramadan Mubarak». Diese Geste verdient Anerkennung. Sie zeigt einen Staatsmann, der Respekt für die religiösen Bräuche eines Teils der Bevölkerung demonstriert.

Doch dann fügte Jans einen Satz hinzu, der diese Geste unnötig belastet: «Der Islam als Religion und Sie als Menschen gehören zur Schweiz.» Dass Muslime als Schweizer Staatsbürger zur Schweiz gehören, steht ausser Frage – ihre Zugehörigkeit zur Schweiz wird durch die Verfassung geregelt. Die Aussage jedoch, der Islam gehöre zur Schweiz, ist problematisch.

Was bedeutet «Zugehörigkeit» überhaupt? Geht es um historische Verwurzelung, demografische Präsenz, institutionelle Integration, kulturelle Prägung oder kollektives Selbstverständnis?

Politisches «Virtue Signaling»

Ironischerweise sind es oft dieselben Stimmen, die einerseits die Vielfalt des Islams betonen und seine Essenzialisierung ablehnen, die andererseits aber pauschal seine Zugehörigkeit deklarieren. Wer betont, «den Islam» als monolithisches Gebilde gebe es nicht, sollte konsequenterweise auch keine pauschale Aussage über dessen Zugehörigkeit machen. Diese Widersprüchlichkeit offenbart die politische Dimension der Debatte und ein taktisches Doppelspiel. Wird der Islam kritisiert, verteidigt man ihn durch den Verweis auf seine Vielfalt gegen Kritik. Soll er hingegen aufgewertet werden, genügt plötzlich eine pauschale Zugehörigkeitsformel. Es handelt sich um politisches «Virtue Signaling», um Profilierung durch demonstrative Toleranz.

«Wer betont, ‹den Islam› als monolithisches Gebilde gebe es nicht, sollte konsequenterweise auch keine pauschale Aussage über dessen
Zugehörigkeit machen.»

Gegen die Formel «Der Islam gehört zur Schweiz» spricht die historische Perspektive: Die Schweiz wurde nicht vom Islam geprägt, sondern vom Christentum und später von der Aufklärung. Diese formten zentrale Werte wie Säkularität und individuelle Freiheit. Der Islam bringt in manchen Ausprägungen Vorstellungen mit – etwa eine stärkere Verknüpfung von Glaube und Recht –, die mit dieser Tradition kollidieren. Wenn der Islam zur Schweiz gehört, gehört dann auch das Verbot des Abfallens vom Glauben zur Schweiz? Die Todesstrafe für den Abfall vom Glauben? Die Ungleichheit von Mann und Frau im Erbrecht?

Oder meint man einen Islam der Rosinenpickerei, der nur in westlichen Uni-Seminaren existiert, wo durch Dekonstruktion sogar ein LGBTQ+-freundlicher Islam entsteht, der allerdings ausserhalb der Uni-Räume nicht existiert? Der in Feuilletons und auf Gender-Studies-Tagungen konstruierte «europäische» Islam hat mit der Lebensrealität in mehrheitlich muslimischen Ländern oder in europäischen Parallelgesellschaften oft wenig gemeinsam. Es ist ein gezähmter, theoretisierter Islam, der für politische Zwecke instrumentalisiert wird. Man will einen «Islam light» – ohne Scharia, ohne Geschlechtertrennung, ohne Homophobie – und behauptet dann, dieser gehöre zur Schweiz. Aber dieser «Islam light» ist eine westliche Projektion und wird von der Mehrheit der islamischen Autoritäten weltweit abgelehnt.

Seltsames Verständnis von Glaubensfreiheit

Jans› Formulierung war kein Ausrutscher. Sein Departement rechtfertigte sie im «Tages-Anzeiger» als «Einsatz für die Glaubensfreiheit» – ein gravierendes Missverständnis. Religionsfreiheit garantiert die individuelle Glaubensausübung, nicht kulturelle Zugehörigkeit. Wäre die blosse Existenz auf Schweizer Boden bereits ein hinreichendes Kriterium für Zugehörigkeit, würden zwangsläufig alle hier praktizierten Bräuche, Religionen und Weltanschauungen zum Schweizer Selbstverständnis gehören – was die Idee einer eigenen kulturellen Identität ad absurdum führt.

«Wäre die blosse Existenz auf Schweizer Boden bereits ein hinreichendes Kriterium für Zugehörigkeit,
würden zwangsläufig alle hier praktizierten Bräuche, Religionen und Weltanschauungen zum
Schweizer Selbstverständnis gehören – was die Idee einer eigenen
kulturellen Identität adabsurdum führt.»

Beat Jans’ Zeichen des Respekts gegenüber muslimischen Mitbürgern war sachdienlich, die ideologischen Slogans sicher nicht. Er hätte es bei dem freundlichen Gruss belassen sollen.

In diesem Sinne: Ramadan Kareem, liebe Schweizer Mitbürger!

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