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Wegweiser für den Kosmos Oppenheim
Zürich: Scheidegger & Spiess, 2021

Wegweiser für den Kosmos Oppenheim

Simon Baur: Meret Oppenheim Geheimnisse.

 

Das Gesamtwerk der schweizerisch-deutschen Künstlerin Meret Oppenheim (1913–1985) wird bis heute von zwei einzelnen Arbeiten überstrahlt: von der berühmten, einst in Paris entstandenen Pelztasse, mit der sie auf die Rolle der Surrealistin festgenagelt worden ist, und vom 1983 errichteten Brunnen in Bern, der seither ein wucherndes Eigenleben führt. Dass da weit mehr ist, ist zwar allgemein bekannt – Oppenheim gilt schliesslich nicht umsonst als bedeutendste hiesige Künstlerin des 20. Jahrhunderts. Gleichwohl ist neben der thematischen Breite des Œuvres immer wieder dessen aufsässiger Charakter in Erinnerung zu rufen, der – ohne in seiner Rebellion je plump zu werden – provokant, witzig und dennoch mit grossen Fragen befasst war. Anlässlich der Verleihung des Kunstpreises der Stadt Basel 1975 betonte die Geehrte beispielsweise, «dass man als Frau die Verpflichtung hat, durch seine Lebensführung zu beweisen, dass man die Tabus, mit welchen Frauen seit Jahrtausenden in einem Zustande der Unterwerfung gehalten wurden, als nicht mehr gültig ansieht. Die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen.» Denkwürdige Sätze, sicherlich nicht nur für diejenigen, die für die Emanzipation streiten.

Diesen Herbst und Winter zeigt das Kunstmuseum Bern Werke der Künstlerin aus der Nachkriegszeit, das Kunstmuseum Solothurn parallel dazu eine Auswahl an Papierarbeiten. Passend zu diesen beiden Ausstellungen hat der Basler Kunsthistoriker Simon Baur nun ein neues Buch vorgelegt: «Meret Oppenheim Geheimnisse» lautet der Titel seines bilderreichen Bandes. Bei diesem handelt es sich um eine «Reise durch Leben und Werk», die sich insofern von den bisherigen Publikationen zur Porträtierten unterscheidet, als hier ausdrücklich dazu aufgefordert wird, «sich von den wunderbaren, geheimnisvollen Objekten, Zeichnungen und Gedichten verführen» zu lassen, um selbst «zu neuen Erkenntnissen zu gelangen». Zu solchen Erkundungen bietet die Zusammenstellung einigen Anlass: Neben Kapiteln zu Biografischem stehen solche, die sich thematischen Aspekten widmen oder Spuren nachgehen, die in diverse Richtungen weisen – ob nun das verwendete Material in Oppenheims Kunstwerken betreffend, die Rolle von Träumen und Traumaufzeichnungen für diese, Geheimnisse der Vegetation und die Wegbewegung vom Naturalistischen, Extravagantes und mehr. Am Ende finden sich Überlegungen, die explizit als «Gedankenfäden zum Weiterspinnen» überschrieben sind. Eingelassen in das Buch sind zudem eine Bildstrecke und ein Essay von Thomas Hirschhorn zu dessen im Jahr 2000 errichtetem Meret-Oppenheim-Kiosk.

Baur, der sich seit Jahrzehnten intensiv mit Oppenheim befasst und schon reichlich zu ihr publiziert hat, kann auf Kenntnisreichtum bauen, und seine Einladung zur Selbstentdeckung nimmt man dankend an. Angenehm zu lesen und dennoch anregend, handelt es sich bei «Meret Oppenheim Geheimnisse» um jene Sorte ­Bücher, die schon aufgrund der Aufmachung gern in die Hand genommen werden (und, das soll zu dieser Jahreszeit nicht verschwiegen werden, auch hervorragend zu verschenken sind). Als Einsteigertip wie bündiger Wegweiser durch das Oppenheim’sche Œuvre sei dieser Band gleichermassen empfohlen.

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