Wasserkraft bachab?
Wasserkraft finden eigentlich alle gut. Und die Schweiz ist dafür wie geschaffen. Die willkürliche Subventionierung von Solar- und Windenergie macht die Wasserkraft jedoch zunehmend unrentabel. Das glauben Sie nicht? Schilderung eines konkreten Falls aus aktuellem Anlass.
Es könnte so einfach sein! Mit dem Wasserkraftwerk «Chlus» im Prättigau projektiert die Repower AG eine Anlage, die imstande wäre, einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Umweltorganisationen anerkennen, dass das Kraftwerk mit einer installierten Leistung von 61 Megawatt ökologisch machbar sei, und das Bundesamt für Energie sieht das Projekt «im nationalen Interesse» stehen. Doch obschon die Anlage alleine 11 Prozent zum gesamtschweizerischen Ausbauziel der Wasserkraft beisteuern könnte, ist ein positiver Investitionsentscheid aktuell nicht möglich. Denn mit Produktionskosten von rund 11 Rappen pro Kilowattstunde kann die Anlage marktseitig nicht mit dem geförderten Strom mithalten – und von Fördergeldern kann sie nicht profitieren, weil sie die politisch gewollte Grössengrenze von 10 Megawatt Leistung überschreitet. Mit anderen Worten: das Projekt, das erneuerbaren Strom für rund 45 000 Haushaltungen produzieren könnte, droht ausgerechnet an den Fördermodellen für erneuerbare Energien zu scheitern! Mit den nachfolgenden Ausführungen will ich erklären, wie unser Fördersystem die Wasserkraft in Bedrängnis bringt, und einen Ausblick auf Modelle bieten, die uns aus der aktuellen Subventionsabsurdität herausführen könnten.
Subventionsflut gefährdet Wasserkraft
Obwohl Wasserkraftwerke vergleichsweise günstig produzieren, können sie mit den aktuellen «Marktpreisen» nicht mehr mithalten. Schuld daran sind nicht Marktschwankungen, wie sie in jeder Branche üblich sind und mit denen man umgehen kann. Ursache ist vielmehr der Umstand, dass neue erneuerbare Energien mit falschen Modellen gefördert werden. Konkret: den Schweizer Stromkonsumenten wird mit der «kostendeckenden Einspeisevergütung» (KEV) auf jeder Kilowattstunde eine Abgabe belastet, mit welcher dann insbesondere Solar- und Wind-, aber auch Kleinwasserkraftwerke (bis 10 MW) gefördert werden. Das hat zur Folge, dass sich die real hohen Produktionspreise für diese Technologien nicht mehr im Marktpreis niederschlagen. Der teure Wind- und Solarstrom wird also so stark subventioniert, dass er letztlich billiger zu haben ist als die eigentlich kostengünstige Wasserkraft.
Wohin solche Subventionslösungen führen können, ist in Deutschland zu beobachten, wo man mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein ähnliches Fördermodell benutzt wie in der Schweiz. Heute zahlt der Endkunde in Deutschland für die Förderung erneuerbarer Energien auf jeder Kilowattstunde Strom circa 6,2 Cents – das ist mehr, als er für den Strom selbst entrichten muss, der gut 4 Cents kostet! Deshalb mehren sich auch in Deutschland die Stimmen, die eine ernsthafte Überprüfung der Fördermodelle verlangen. Selbst von der Regierung eingesetzte Experten kommen heute zum Schluss, dass sich das System nicht bewährt habe. Solche Fehler zu kopieren, wäre fatal, müssten sie doch später für teures Geld wieder korrigiert werden.
Schwerwiegende Folgen des Modells sind mit Blick auf die Wasserkraft freilich schon heute offensichtlich: Zunächst besteht die Gefahr, dass bestehende Wasserkraftwerke nicht mehr ausreichend unterhalten oder letztlich sogar stillgelegt werden, weil sie unrentabel geworden sind. Weil die Wirtschaftlichkeit nicht gewährleistet ist, werden sodann Pläne für die Realisierung neuer grosser Wasserkraftwerke verzögert oder sogar schubladisiert. Zwar sieht die Energiestrategie des Bundes bis 2035 eine zusätzliche Produktion aus Wasserkraft von 2 Terawattstunden vor (ohne Berücksichtigung der Produktion aus Pumpspeicherkraftwerken und reinen Umwälzwerken). Wenn die gegenwärtige ökonomisch bedingte Zurückhaltung beim Bau neuer Wasserkraftwerke aber anhält, kann dieses Ziel nicht erreicht werden, und es fehlt ein entscheidender Pfeiler der Energiewende.
Unter dem aktuellen Förderregime würden als subventionierte neue Anlagen nur noch Kraftwerke mit weniger als 10 MW installierter Leistung gebaut werden. Darunter hat es zwar manches sinnvolle Projekt, trotzdem besteht die Gefahr, dass dafür auch Wasserläufe beansprucht werden, die aus ökologischen Gründen besser unangetastet blieben – besser wäre der Bau einiger grösserer Anlagen statt unzähliger kleiner. Zudem entsprechen nicht alle der so geförderten Anlagen den Anforderungen marktwirtschaftlicher Effizienz. Das heisst: es werden bewährte, durchaus wirtschaftliche Wasserkraftwerke und innovative neue Projekte zugunsten wenig effizienter und womöglich auch ökologisch problematischer kleiner Anlagen beiseitegeschoben.
Diese paradoxe Sachlage wird für lange Zeit zementiert, weil den Besitzern von geförderten Anlagen gemäss den heutigen Modellen über Jahre hinaus Preisgarantien gewährt werden. Das behindert die Flexibilität – auch im technologischen Bereich. Und bereits heute ist erkennbar, dass damit gegenseitige Abhängigkeiten geschaffen werden, die zur Folge haben, dass Alternativen zu den aktuellen Modellen gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Letztlich schränkt damit die Politik ihren eigenen Handlungsspielraum für die Zukunft erheblich ein, was nicht unbedingt als Zeichen für eine vorausschauende Grundhaltung zu deuten ist.
Wohlverstanden: die geäusserte Kritik richtet sich nicht gegen die Absicht, erneuerbaren Energien einen grösseren Stellenwert zuzumessen. Falsch ist nicht die auf politischer Ebene formulierte Absicht, falsch sind die dafür gewählten Modelle! Es kann nicht sein, dass unsere Energiezukunft auf einem immer dichter werdenden Subventionsdschungel basiert, dass Ineffizienz gefördert und Wirtschaftlichkeit bestraft werden – und die Schweiz mit der Wasserkraft einen ebenso bewährten wie erneuerbaren, effizienten und wirtschaftlichen Trumpf aufs Spiel setzt.
Alternative Quotenlösung
Weit besser und zielführender, als sich in immer neuen Subventionen zu verstricken, wäre, sich wieder auf die Grundsätze der Marktwirtschaft zurückzubesinnen. Der Staat hat durchaus Möglichkeiten, Ziele vorzugeben, ohne dass zu deren Erreichung Abgaben erhoben werden müssen und die Marktwirtschaft ausgehebelt wird. Drei solcher Ansätze möchte ich skizzieren.
Am einfachsten wäre es, wenn die EU den Absenkpfad beim CO2 verstärken, also die CO2-Belastung rascher reduzieren würde. Dann würden die CO2-Preise steigen. Das zentrale Ziel der Energiewende, die Verringerung der CO2-Belastung, würde damit erreicht. Gleichzeitig könnten die neuen erneuerbaren Energien ebenso wie die Wasserkraft am Markt bestehen und würden deshalb auch weiter ausgebaut.
Dass für diesen Schritt bald politische Mehrheiten gefunden werden, ist nicht anzunehmen. Die beste Alternative wäre deshalb das sogenannte Quotenmodell. Es sieht vor, dass der Staat den Energieversorgern verbindliche Vorgaben dazu macht, bis zu welchem Zeitpunkt sie welchen Anteil (Quoten) an erneuerbaren Energien in ihrem Kundenportefeuille haben müssen. Weil die Energieversorger bestrebt wären, diese Vorgaben auf möglichst effiziente Art und Weise zu erfüllen, würden Fehlinvestitionen vermieden, und es würden nur die jeweils wirtschaftlichsten Anlagen – also beispielsweise auch wieder grössere Wasserkraftanlagen – gebaut. Die volkswirtschaftlichen Kosten wären somit tiefer. Dieses Modell erfüllt die zwei wichtigsten Grundbedingungen: Es ermöglicht der Politik, ihre Ziele zu formulieren und durchzusetzen, und folgt gleichzeitig marktwirtschaftlichen Prinzipien.
Die bisherige politische Diskussion hat allerdings gezeigt, dass auch das Quotenmodell noch nicht mehrheitsfähig und mit einer schnellen Ablösung des KEV-Modells vermutlich nicht zu rechnen ist. Folglich müsste eine Lösung gewählt werden, welche für die Zukunft alle Optionen offenhält. Das kann erreicht werden, indem man ein Modell aufsetzt, das zwar laufende KEV-Anlagen nicht benachteiligt, zugleich aber jederzeit einen Systemwechsel, gegebenenfalls auch schrittweise, ermöglicht.
Der Übergang könnte auf folgende Weise geschafft werden: Die aktuellen Anlagebetreiber müssten für ihren produzierten Strom ein entsprechendes Zertifikat erhalten. Dieses Zertifikat würde dann vom Staat – oder von einer durch ihn bezeichneten Stelle – übernommen, und zwar zum gleichen Preis, welchen der Anlagebetreiber sonst via KEV erhalten hätte. Der Staat oder die fragliche Stelle böte die erstandenen Zertifikate am Markt an und würde damit Einnahmen generieren, wobei die allenfalls entstehende Differenz zu den Kaufkosten des Zertifikats im Folgejahr über eine Abgabe oder einen Abzug auf dem Übertragungsnetz verrechnet würde. Als Käufer träten vor allem die Energieversorgungsunternehmen auf, die auf diese Weise ihre Quote erfüllen können.
Dieses System würde dazu führen, dass der zu KEV-Bedingungen produzierte Strom in die von Politik und Gesellschaft definierte Quote einfliesst. Die Zertifikate liefen über den Markt, ohne dass die bisherigen Anlagebetreiber benachteiligt würden. Die KEV-Abgabe würde rasch abnehmen, da ein Grossteil der Kosten über den Markt gedeckt und die entstehenden Differenzen über eine Abgabe/einen Abzug auf dem Übertragungsnetz gedeckt würden.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass es Lösungen gibt, die die politisch erwünschte Förderung neuer Energien bewerkstelligen, ohne schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile zu generieren. Leider hat es bisher weitgehend an der politischen Bereitschaft gefehlt, alternative Modelle vorurteilslos zu studieren. Das ist erstaunlich, denn Marktwirtschaft, soziale Verträglichkeit, Wertschätzung der Schweizer Wasserkraft, ökologische Effizienz und der Verzicht auf staatliche Subventionen müssten eigentlich mehrheitsfähige Anliegen sein.