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Was Videospiele über den Wert der Bilateralen lehren

Ohne die EU wäre die Schweiz bürokratischer, unternehmensfeindlicher und unfreier.

Was Videospiele über den Wert der Bilateralen lehren
Daniel Niklaus in seinem Hauptgeschäft in Teufen, Appenzell Ausserrhoden, 1993. Bild: zvg.

Vor 31 Jahren habe ich mich selbstständig gemacht. Ich gehöre damit zu den Unternehmern, die aus eigener Erfahrung wissen, wie es vor den Bilateralen war. Von den oft gelobten Freihandelsverträgen von 1972 profitierten nämlich nur wenige Unternehmen, während sie für die meisten mehr Hürden als Freiheit darstellten und den Konsumenten unverschämt hohe Preise bescherten.

Als ich 1993 anfing, war die unternehmerische Freiheit massiv eingeschränkt. Beispiele gefällig?

  1. Um für die erste Schweizer Videospiel-Meisterschaft zu werben, habe ich bei einer deutschen Computerspielzeitschrift eine Beilage nur für die Schweiz gebucht. Als ich die 5000 A4-Blätter für die Beilage nach Deutschland schickte, bezahlte ich Ausfuhrsteuern und musste massenhaft Dokumente mit unzähligen Fragen ausfüllen. Als die Hefte in die Schweiz geliefert wurden, musste ich nochmals Einfuhrsteuern für die Beilage bezahlen und nochmals Papierkram erledigen. Nun könnte man sagen, das sei die übliche Behördenschikane – aber genau diese wurde seit den Bilateralen massiv abgebaut.
  2. Genauso wie zum Beispiel das Parallelimportverbot. Neben der Organisation der ersten Videospiel-Meisterschaft belieferte ich Videotheken in der Schweiz mit Nintendo-Videospielen, die ich selbst oder über Partnerunternehmen günstig aus England und Deutschland importierte. Davon profitierten Kinder und Eltern, die weniger für Videospiele ausgeben mussten. Als ich die ersten Videotheken erfolgreich gewonnen hatte und die Einnahmen die Kosten zu decken anfingen, ging der offizielle Nintendo-Importeur bei meinen Kunden vorbei, machte sie auf das Parallelimportverbot aufmerksam und übernahm dankend meinen Kundenstamm (okay, er hat sich nicht bedankt). Unternehmerische Freiheit sieht für mich anders aus.
  3. In Teufen in Appenzell Ausserrhoden hatte ich mein Hauptgeschäft, wo ich tagsüber Software für lokale KMU entwickelte und abends Videos vermietete sowie Musik-CDs verkaufte. Als eine gute Freundin aus Deutschland drei Wochen Ferien bei uns verbrachte, hütete sie zwischendurch abends den Laden, damit ich nach Hause essen gehen konnte. Das ging knapp eineinhalb Wochen gut, bis die Fremdenpolizei in meinem Geschäft auftauchte und mich fragte, ob ich illegal Ausländer beschäftige. Meine Kollegin musste innerhalb von 24 Stunden das Land in Richtung Köln verlassen, um eine Anzeige zu vermeiden.

Ich war jung und habe die Regeln des Systems nur widerwillig akzeptiert. Mit der Annahme der Bilateralen zeigte sich aber, dass auch die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung eine Veränderung wollte. Die Zölle fielen, das Parallelimportverbot wurde aufgehoben und selbst Christoph Blocher meinte, man könne die Personenfreizügigkeit wagen, als er als Bundesrat in der Verantwortung stand. Gute Gründe für mich, das Erfolgsmodell Bilaterale weiterzuentwickeln.

Ich weiss, was viele jetzt denken: «Aber die fremden Richter!» Nur kann ich dieses Argument nicht nachvollziehen. Auch wenn wir fremde Richter akzeptieren müssen, solange wir Teil der weiterzuentwickelnden Bilateralen sind, ist es doch wie mit einem Mietvertrag oder einem Arbeitsvertrag. Wenn uns die Bedingungen nicht mehr passen, kündigen wir einfach. Kein fremder Richter kann uns zu etwas zwingen, wenn wir die Nase voll haben. Wir bleiben unabhängig. Und ja, eine Kündigung mag uns etwas kosten, aber diese Kosten sind doppelt so hoch, wenn wir einen bestehenden Vertrag nach dem anderen auslaufen lassen. Unabhängigkeit hat ihren Preis.

Zerbrechliche Errungenschaften

Die Weiterentwicklung der Bilateralen ist aber nicht nur für die Wirtschaft von Bedeutung. Mir geht es um etwas Grösseres. Als Schweizer will ich den Schweizer Franken behalten. Ich will die Errungenschaften der direkten Demokratie erhalten. Und ich will Frieden, Wohlstand und Freiheit in unserem Land. Ein Blick in die Ukraine zeigt aber, wie zerbrechlich der Frieden heute wieder geworden ist und dass nichts die Freiheit mehr einschränkt, als wenn wegen idiotischen Grossmachtfantasien den Jungen die Zukunft geraubt wird.

In mindestens 2000 Jahren hat Europa noch nie eine so lange Friedensperiode erlebt wie seit dem Zweiten Weltkrieg. Es waren Menschen wie Winston Churchill – der das sinnlose Blutvergiessen des Ersten Weltkrieges aus nächster Nähe miterlebte – und Simone Veil – die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments, die den Holocaust in einem Konzentrationslager überlebte –, die sich nach 1945 für eine vertiefte Zusammenarbeit der europäischen Staaten einsetzten.

Wir leben in einer Zeit, in der das Undenkbare wieder denkbar wird. Die AfD ist nicht die SVP, von der man annehmen kann, dass sie die Grenze nach rechts kennt. Wenn in Deutschland offizielle Parteivertreter in konspirativen Treffen Pläne zur «Remigration» schmieden, wenn in Frankreich die mögliche nächste Präsidentin intensive Beziehungen zum antidemokratischen Putin-Russland pflegt und wenn selbst in Holland ein Geert Wilders, der seit 20 Jahren mit rechtsextremen Thesen polarisiert, an die Macht kommt, dann darf das nicht nur, sondern muss auch Angst machen. Dagegen soll ein deutliches Zeichen gesetzt werden.

Die freiheitlichen Kräfte Europas, ob in der Union oder als Partner der Union, müssen alles tun, um die Idee eines friedlichen und starken Europas der Freiheiten zu verteidigen. Unser Land kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Wir Schweizerinnen und Schweizer verfügen über eine natürliche Abneigung gegen zu viel Zentralisierung und Obrigkeitsdenken. Mit dieser Einstellung kann eine Weiterentwicklung der Bilateralen die europäische Idee und ihr Friedensziel stärken.

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