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Was ist Humor?

Teil VIII von XI: Die Groteske

Einer meiner Lieblingswitze beginnt so: «Essen zwei Kannibalen einen Clown.» Das ist der beste Witzanfang, den ich je gehört habe. Dieser Witzanfang ist so grotesk, dass die Pointe dagegen völlig abflacht. Da sagt dann der eine Kannibale zum anderen: «Der schmeckt aber komisch.» Ja, eigentlich sollte man diesen Witz ohne Pointe erzählen. Schon beim ersten Teil wird ausserdem klar: Die Groteske ist die schauerliche Schwester der Absurdität. Und – wie Clowns – auch nicht immer leicht verdaulich, was auch dieses Beispiel einer grotesken Szene im Fernsehstudio beweist:

Moderator: Gestern hat sich ein depressiver Selbstmordattentäter in der Negevwüste ganz alleine in die Luft gesprengt. Deshalb haben wir heute einen angehenden Selbstmordattentäter hier im Studio. Guten Abend.

Selbstmordattentäter: Guten Abend.

Moderator: Was ist beim gestrigen Attentat schiefgelaufen?

Selbstmordattentäter: Wir wurden reingelegt. Der Mann hinterliess einen Abschiedsbrief, in dem er ausführte, dass er schwer psychisch krank sei und sich für einen guten Zweck in die Luft sprengen wolle. (Seufzt) Es kommt immer häufiger vor, dass sich Sterbewillige bei uns den Stoff holen, um Suizid zu begehen.

Moderator: Sterbetourismus?

Selbstmordattentäter: Ja, leider. Die, die es sich leisten können, reisen zum Sterben in die Schweiz. Die, die nichts haben, kommen zu uns.

Moderator: Aber das ist doch ein Missbrauch Ihrer Terrororganisation.

Selbstmordattentäter: Was sollen wir tun? Wir haben natürlich Gewissensprüfungen für Selbstmordattentäter eingeführt. Aber ob jemand ein guter Selbstmordattentäter ist, zeigt sich meist erst bei seinem Anschlag.

Moderator: Letzte Woche kamen gleich zwei Selbstmordattentäter bei einem Unfall auf dem Weg zu ihrem Anschlag ums Leben…

Selbstmordattentäter: Ja, auch das ist ein Problem. Neu verlangen wir von unseren jüngeren Selbstmordattentätern den Nachweis einer bestandenen Führerscheinprüfung.

Moderator: Wie kommt es, dass sich so viele Menschen in die Luft sprengen? Hat das mit Religion zu tun?

Selbstmordattentäter: Quatsch. Ich bin Darwinist.

Moderator: Darwinist?

Selbstmordattentäter: Der Mensch stammt intellektuell vom Urknall ab!

 

Man sieht: grotesk wird es oft, wenn wir Satiriker uns über religiöse Auswüchse lustig machen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Satire selber grotesk wäre, sondern vielmehr damit, dass die religiösen Auswüchse, die wir thematisieren, grotesk sind. Und da der Satiriker dem Betrachter einen Spiegel hinhält, kann dieser nur etwas Groteskes darin sehen, wenn etwas Groteskes gespiegelt wird.

Wenn der Pfarrer bei der heiligen Eucharistie das Gesicht verzieht, den Messwein zurück in den Kelch spuckt und sagt: «Das Blut Christi korkt», dann ist das eine groteske satirische Verulkung der katholischen Messe. Das Groteske daran ist aber nicht das, was der Satiriker aus der Eucharistie gemacht hat, nämlich der Szene einen korkenden Messwein angedichtet zu haben. Das einzige Groteske daran ist, dass die katholische Kirche immer noch die absurde Idee aufrechterhält, bei diesem Gleichnis Jesu handle es sich nicht um eine Metapher, sondern um ein absonderliches Wunder, durch das Wein in Blut verwandelt wird. Ein solches Wunder wäre nicht bloss nicht wünschenswert – sondern schlicht ekelerregend.

Es braucht den Satiriker, um der Welt diesen Spiegel hinzuhalten, damit die Leute sich selbst mal von einer anderen Seite sehen. Die Leute werfen dem Satiriker dann nicht selten vor, er hätte ein hässliches Bild gemalt – denn sie merken gar nicht, dass sie sich grad selbst betrachten.

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