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Was ist Humor?

Teil X von XI: Die Groteske

Wir lieben Spiele. Wir lieben es, uns zu verkleiden, wir lieben Rollenspiele, Gedankenspiele, Sprachspiele und Wortspiele, da wir uns beim Spielen im Reich der Phantasie bewegen:

Seit Jahren versuche ich, Hunde mit Katzen zu kreuzen, um eine ferienfähige Katze mit Bei-Fuss-Charakter zu erhalten. Wenn ich Glück habe, wird aus der Kreuzung von Katze und Hund ein Kand. Wenn ich Pech habe, wird es eine Hunze.

Gedanken, die mit dem Unmöglichen spielen, «kitzeln» unser Gehirn. In der Phantasie entfliehen wir der Beklemmung, dem Elend, dem Schmerz oder einfach nur dem grauen Alltag. Die Fähigkeit, dieser Welt in Gedanken zu entfliehen, ist ausserdem die einzige Möglichkeit, sie von aussen zu betrachten – und ihre Nichtigkeit zu erkennen. Egal, wie weit eine Raumsonde fliegt und Bilder aus dem All zurück zur Erde sendet, in unseren Gedanken fliegen wir immer noch ein Stück weiter, können gewissermassen übergeordnete Dimensionen erschliessen. In Gedanken können wir sogar über den Tod hinaus und vor die Geburt zurückreisen.

 

Assoziation

In Gedanken gelingt uns aber auch die Verknüpfung von Dingen, die rein gar nichts miteinander zu tun haben, zusammen aber eine neue Bedeutung erlangen.

Am Sonntag liess man die Häftlinge im Zoo spazieren. Dort schauten sie sich dann jeweils zusammen durch die Gitterstäbe die wilden Tiere an.

Wenn die neue Bildkombination derart überraschend (und stimmig) ist, bilden sich neue Verbindungen im Hirn, was mit Hormonausschüttung belohnt wird. Oder einfacher: wir freuen uns letztlich über jeden neu gewonnenen Blickwinkel. Das können melancholische Gedanken sein…

In der gemischten Sauna werde ich von den Frauen immer auf meinen Intellekt reduziert.

Das Unangenehme an den eigenen Partys ist, dass man nicht gehen kann, wenn man will. Ein Gefängnis stelle ich mir vor wie ein Zebra von innen.

…oder bahnbrechende Erkenntnisse:

Der Mensch ist der Pausenclown der Schöpfung.

Die Menschen werden immer dicker, wodurch der Druck auf die Kontinentalplatten zunimmt. Nicht der Meeresspiegel steigt – wir sind zu dick, und die Platte versinkt im Meer.

Evolutionsbiologen sind Menschen, die darüber nachdenken, ob die Banane nicht krumm, sondern gerade sei und sich einfach nur das ganze Universum um sie herum krümmt.

Verknüpfungen von Themen, die nichts miteinander zu tun haben, sagen dabei oft mehr aus als isolierte Betrachtungen:

Wäre die Feuerwehr gewerkschaftlich organisiert, würde bestraft, wer ausserhalb von Bürozeiten einen Brand meldet. Was bringt uns die Zukunft? Viele werden sterben. Darunter auch einige von uns.

 

Sprachspielerei

Basis (und Grenze) all unserer Gedankenspiele ist und bleibt die eigene Sprache, der eigene Wortschatz. Wer einen grossen Wortschatz sein Eigen nennt, ist beim Wortspielen im Vorteil, kann sich auf einfachste Weise weitere neue Gedanken erschliessen (Rhododendromedar, Schmetterlingenieur). Die Spielerei lässt sich dann auch auf ganze Sätze ausdehnen:

Im Emmental lässt eine Bache mit einer Meise im Maisfeld am Bach die Sau raus.

Redewendungen, also vielen Leuten bekannte Wortkombinationen, eignen sich als besonderes Spielzeug auf dem nächsthöheren Level:

Man soll die Nacht nicht vor dem Morgen tadeln.

Das haut dem Fass die Krone ins Gesicht.

Die angenehmste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Kurve.

Hier kann nun bloss noch ein Teil der Bevölkerung wirklich folgen – gelungene Wortspiele sind, wie hier anschaulich dargestellt, letztlich ein Elitenprogramm. Sie setzen ein gewisses Bildungsniveau voraus. Ganz unbescheiden darf ich hinzufügen, dass mir das bereits zu Gymizeiten klar wurde, spätestens als mein Deutschlehrer einmal zu mir sagte:

Mein lieber Andreas, du hast wohl grosse Lust darauf, ein bekanntes Stück von Wolfgang Borchert zu spielen? Es heisst «Draussen vor der Tür»!


 

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