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Was heisst denn hier Freiheit?

Eine Antwort aus dem Stegreif von Frank Bodin
Mit einem Anstoss von Gilbert Keith Chesterton:
Zitiert aus «Tremendous Trifles» (1909)
«Die Kunst ist Begrenzung … Der schönste Teil eines Bildes ist der Rahmen.»

Was heisst denn hier Freiheit?

«Über Freiheit zu reden und dies im Rahmen des Zitates von Chesterton, das kommt mir entgegen. Ich halte mich gerne an Rahmen.

Jeder, der mit Kreativität zu tun hat, weiss, wie wichtig es ist, sich selbst einen Rahmen zu geben oder einen zu bekommen. Ich bin in der Werbung tätig. Joseph Beuys hat einmal gesagt: «Ob Werbung Kunst ist, hängt nur davon ab, wofür sie wirbt.» Für mich ist Werbung keine Kunst. Der grosse Unterschied zwischen Werbung und Kunst ist, dass in der Werbung ein Auftraggeber ein briefing gibt. In der Kunst ist es der Künstler selbst, der sich den Rahmen setzt, der sein eigener Auftraggeber ist. Das macht die künstlerische Arbeit so schwierig.

Ich kenne beide Seiten. Ich habe als Künstler begonnen, Musik studiert, einen Roman und Gedichtbände geschrieben, auch Ausstellungen gemacht. Bis ich eigentlich durch Zufall in die Werbung gekommen bin. Die Werbung war für mich eine willkommene Abwechslung, weil ich dort eine Begrenzung erfahren habe. Ich musste mir nicht mehr selbst sagen, wann ich aufstehen und an welchem Thema ich arbeiten muss. Mir gefiel, dass ich jetzt einen Auftrag, einen Rahmen und gleichzeitig die Chance hatte, mit künstlerischen Mitteln eine Öffentlichkeit zu erreichen. Die muss man sich in der Kunst ja sehr oft erst erarbeiten. In der Werbung hingegen konnte ich Plakate gestalten, Anzeigen schreiben oder via Fernsehen in die Wohnstuben hineinstrahlen. Das fand ich einen schönen Kontrapunkt zur Kunst.

Mein Schlüsselwort in der Werbung heisst «kreativer Ungehorsam». Wir haben Auftraggeber, die mit einer genauen Vorstellung zu uns kommen, wie ihre Marke aussehen und im Markt präsent sein soll. Was ich jedoch immer wieder mache, ist, hinter diese Vorgaben zu gehen. Bis hin zur Frage: Braucht es überhaupt Werbung? Daraus ergibt sich ab und zu ein konsequentes out-of-the-box thinking. Ein Beispiel. Das Bundesamt für Gesundheit macht unter anderem die Stop-Aids-Kampagne. Wir kamen zum Schluss: «Stop Aids» ist eigentlich genauso unsinnig, wie wenn man «Stop Grippe» sagen würde; denn es gibt nun einmal diese Viren und die Gesellschaft muss lernen, wie sie mit ihnen umgeht. Wir haben daher das Heiligtum, den über Jahre proklamierten claim, in Frage gestellt und einen neuen kreiert: «Love Life – Stop Aids». Wir haben also etwas anderes in den Vordergrund gestellt: die Liebe zum Leben. Das ist ein völlig neuer Ansatz, der sich aus dieser Strategie des kreativen Ungehorsams ergeben hat. Das ist nicht Kür, sondern Pflicht.

Den Weg vom Künstler zum Werber habe ich nie als Freiheitsverlust empfunden. Ich habe ja aus freien Stücken das gewählt, was ich heute mache. Obwohl – ein bisschen war er doch erzwungen. Ich war an der Hamburger Staatsoper, als mich meine damalige Lebensgefährtin anrief und mir sagte, sie sei schwanger. Mit Zwillingen. Darauf musste ich mich natürlich einstellen. Und das bedeutete auch, Geld zu verdienen, jedenfalls mehr als bisher in der Opernregie. Ich wollte damals nur für ein oder zwei Jahre in der Werbung bleiben und danach als klassischer Pianist wieder zurück in die Musik gehen. Doch dann hat mich die Werbung gepackt und ich bin bis heute dabei.

Als 17jähriges Mitglied des Jugendweltorchesters hatte ich das Gefühl, mir stünde die ganze Welt mit all ihren Möglichkeiten offen. Dieses Denken, diese Möglichkeiten nehmen mit zunehmendem Alter ab. Spätestens die Kinder geben einem vor, wie das Leben läuft. Mit ihnen ist der existentielle Druck da. Und damit ein weiterer Rahmen, den ich nicht missen möchte.»

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