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Was fehlt der FDP? ‒ Unternehmerisches Denken

Was fehlt der FDP? ‒ Unternehmerisches Denken

Die Schweiz hat einst vom Mut des Freisinns gelebt. Heute ist die FDP dekadent geworden, weil sie ihr Erbe verwaltet, statt es zu verteidigen.

Der einstige deutsche FDP-Chef Guido Westerwelle nannte es «spätrömische Dekadenz»: die selbstzufriedene Lähmung einer Gesellschaft, die ihren Wohlstand geniesst, statt Reformen anzupacken. Treffender lässt sich die Lage der FDP kaum beschreiben: Der Freisinn beruft sich bis heute auf seine Rolle als Geburtshelferin des Bundesstaats von 1848, versäumt es aber, aus dieser Historie eine zeitgemässe liberale Agenda abzuleiten. Wo ein klarer und mutiger Kurs nötig wäre, bleibt oft nur die verklärte Erinnerung an frühere Erfolge des einst stolzen Freisinns. Doch Wahlen gewinnt man nicht mit Nostalgie, sondern mit klarer Kante und einer mutigen Vision.

Das erste Problem, an dem die FDP krankt, ist ihre Selbstgefälligkeit. Der Freisinn sieht sich selbst nach wie vor als staatstragend, vermeidet aber die Konsequenz dieser Rolle. Die Parteiführung hat den einst radikalen Freisinn in den letzten zwei Jahrzehnten zu sehr in die bequeme und profillose Mitte verschoben – dorthin, wo der Wille zur liberalen Profilierung hinter Konsensrhetorik zurücktritt.

Augenfällig wird dieser Richtungsverlust etwa in der Europapolitik, wo die FDP seit Jahren im Verhältnis zur EU zwischen Anbiederung und Abwehr laviert, statt einen eigenen Kurs zu definieren. Dabei war es nach dem EWR-Nein von 1992 der Freisinn, der den bilateralen Weg als liberalen Königsweg prägte – eigenständig, marktorientiert, breit abgestützt. Zwei Jahrzehnte lang waren die Bilateralen die Erfolgsgeschichte der Schweizer Aussenpolitik. Heute hat die FDP diesen Gestaltungswillen verloren und will sich mit einem scheinbar alternativlosen, 1900 Seiten starken Rahmenabkommen an die EU anbinden. Das wirkt nicht staatstragend, sondern orientierungslos.

Hausgemachte Nachwuchsprobleme

Das zweite Problem ist strukturell. Die Personaldecke ist dünn, die Nachwuchsförderung unzureichend. Viele Kantonalparteien begleiten den Jungfreisinn eher nebenbei, anstatt gezielt dafür zu sorgen, dass junge Mitglieder wichtige Chargen in der Partei übernehmen. Entsprechend tief ist die Quote der Übertritte vom Jungfreisinn in die Mutterpartei.

Ein Unternehmer würde sofort erkennen: Der stetig schrumpfende Mitgliederbestand ist ein zentraler Key Performance Indicator. In der FDP hingegen verlässt man sich lieber aufs Bauchgefühl als auf Zahlen. Der Freisinn pflegt mittlerweile eine Verwaltungskultur und vergisst dabei den unternehmerischen Anspruch, den er nach aussen propagiert. Besonders deutlich wird das bei der Nachfolgeplanung: In Unternehmen ist sie eine lebensnotwendige Pflicht, in der FDP dagegen meist ein Zufallsprodukt.

Unternehmerischer Mut statt politischer Bequemlichkeit

Neben der Nachwuchsförderung braucht es operative Ziele. So wie ein Unternehmen mit klaren Kennzahlen gesteuert wird, braucht auch eine Partei verbindliche Ziele und überprüfbare Ergebnisse. Es genügt nicht, sich das Etikett «liberal» zu geben. Liberalismus muss in Prioritäten, konkrete Projekte und Zahlen übersetzt werden. Früher hiess das: Schienenkilometer verlegen, Rentenanstalten gründen und Universitäten ausbauen – konkrete Taten, die von liberalen Machern vorangetrieben wurden.

Wer heute das Parteiprogramm zur Hand nimmt, muss konsterniert feststellen, dass vom freisinnigen Sturm und Drang wenig übriggeblieben ist. Es dominieren Schlagworte: Bürokratieabbau, Digitalisierung, Wettbewerbsfähigkeit. Begriffe, die zwar richtig sind, aber inhaltsleer bleiben, weil sie nicht mit überprüfbaren Zielen oder politischer Führungskraft verbunden sind.

Weshalb nicht mutig vorangehen und die schwächelnde AHV mit einem Staatsfonds nach norwegischem Vorbild entlasten? Norwegens Staatlicher Pensionsfonds ist auf über 1,6 Billionen Franken angewachsen und erzielte seit 1998 eine durchschnittliche Jahresrendite von 6,3 Prozent. Möglich macht das eine breit diversifizierte Anlagestrategie mit Aktien und ETF. In der Schweiz hingegen sind sowohl die AHV als auch die Pensionskassen durch enge gesetzliche Maximalquoten bei Aktien, Fremdwährungen und Immobilien in ihrer Anlagepolitik stark eingeschränkt.

Dem Freisinn fehlt jener unternehmerische Mut, der einst den Fortschritt der Schweiz prägte. Alfred Escher schuf im 19. Jahrhundert die Grundlagen sowohl für den modernen Bankenplatz als auch für das Eisenbahnnetz, das die Schweiz bis heute verbindet. Hätte er sich von Mahnrufen und Widerständen entmutigen lassen, wäre der wirtschaftliche Aufbruch unseres Landes kaum möglich gewesen. An dieser Haltung muss sich die FDP messen lassen: Sie braucht den Mut, klare Ziele zu setzen, und die Disziplin, die Partei wie ein Unternehmen zu führen: mit Vision, konkreten Zielen und überprüfbaren KPI. Wer staatstragend sein will, darf nicht bloss verwalten – er muss gestalten.

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