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Warum will niemand Bundesrat werden?

Die jüngste Bundesratswahl hat den Eindruck erweckt, dass das Amt an Prestige verloren habe. An der Bezahlung liegt es nicht, sondern an der Bürokratisierung, die den Job unattraktiv macht.

Warum will niemand Bundesrat werden?
Stelleninserat für die Position eines Bundesrats, Bild: generiert mit ChatGPT.

Nach der peinlichen Absagewelle unzähliger Mitte-Kandidaten für die Nachfolge von Bundesrätin Viola Amherd ist wieder etwas Ruhe eingekehrt. Mit der Wahl von Martin Pfister ist die Landesregierung wieder komplett. Doch der seltsam verlaufene Nominierungsprozess hat Fragen zur Attraktivität des Amtes aufgeworfen. Für viele, so scheint es, ist das Amt des Bundesrats nicht mehr so begehrenswert wie einst. Werden sich die Schwierigkeiten bei der Kandidatensuche bei der nächsten Vakanz wiederholen?

Bundesräte aus früheren Zeiten würden kaum glauben, was ein Mitglied der Landesregierung heute alles erhält: ein Jahresgehalt von 472 958 Franken brutto, einen Chauffeur und die Möglichkeit, die Flugzeuge der Eidgenossenschaft zu nutzen, wenn es die Pflichten erfordern. Dazu kommt eine grosszügige lebenslange Rente.

Angewiesen auf Nebenjob

Einigen mögen diese Vorzüge heute normal erscheinen. Doch das war nicht immer so. Das Amt des Bundesrats wurde 1848 als Vollzeitstelle konzipiert, war damals aber schlecht bezahlt. In einer Biografie über Numa Droz, der von 1876 bis 1892 Bundesrat war, erfahren wir, dass sein geringes Gehalt ihn in Schwierigkeiten brachte. Droz begann daraufhin eine «Zweitkarriere»: Im Nebenerwerb schrieb er Artikel für Zeitschriften. Mal unter seinem richtigen Namen, mal anonym bediente er die Leserschaft mit seinen Beobachtungen und Analysen des politischen Lebens auf Bundesebene.

Man kann sich kaum vorstellen, was für ein Aufschrei ein solcher Nebenjob heute auslösen würde. Um dies zu vermeiden, wurde im Laufe der Zeit insbesondere die Vergütung von Exekutivmitgliedern stets erhöht. 1928 erhielten die Mitglieder des Kollegiums bereits den Gegenwert von derzeit 206 000 Franken. Der Betrag stieg, bis er sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts stabilisierte.

Mythos Milizparlament

Das mangelnde Interesse für den Job hat also kaum finanzielle Ursachen. Überzeugendere Gründe sind vielleicht im «Pflichtenheft» von Regierungsmitgliedern zu suchen. Der Bundesrat ist zwischen zwei Einheiten gefangen, die überproportional stärker geworden sind: dem Parlament und der Verwaltung. Im Parlament beobachten wir den Aufstieg eines neuen Typs, dem des Berufspolitikers. Während sich 1975 nur 27 Prozent der Parlamentarier als Berufspolitiker bezeichneten, nähert sich diese Zahl 2016 zwei Dritteln. Das restliche Drittel bezeichnet sich als «halbprofessionell». Nur 2 Prozent geben an, Milizpolitiker zu sein, gegenüber 24 Prozent im Jahr 1975.

«Der Bundesrat ist zwischen zwei Einheiten gefangen,
die überproportional stärker geworden sind:
dem Parlament und der Verwaltung. »

Das Berufsparlament und seine ständigen Kommissionen sind über die Jahre hinweg aktiver geworden und überschwemmen den Bundesrat mit Motionen, Interpellationen und neuen zeitaufwendigen Aufgaben. Hinzu kommen eine Zentralisierung der Aufgaben und eine ständig wachsende öffentliche Verwaltung. Laut dem Politikwissenschafter Adrian Vatter führt diese Dynamik dazu, dass sich jedes Mitglied der Exekutive verstärkt auf sein eigenes Departement konzentriert, was zulasten breiter angelegter und langfristig orientierter Diskussionen geht.

Ein Bundesrat verbringt heute viel mehr Zeit damit, in einem uninteressanten Meer von Bürokratie zu schwimmen und sich abzumühen, sein Departement zu leiten, das aufgrund der wachsenden Grösse zur Selbstverwaltung neigt. Diese Dynamik lenkt von strategischen mit dem Amt verbundenen Aufgaben ab, die möglicherweise sinnstiftender und befriedigender sind.

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