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Wagen wir den Wiedereinstieg!

Wo bleiben die Innovationen, Herr Bäumle?

Mit vielem, was Martin Bäumle im grossen SM-Interview gesagt hat, kann man einig gehen. Allein, in bezug auf die Energie- und Atomdebatte greift seine Argumentation doch etwas zu kurz.* Was mir gefehlt hat, sind zwei entscheidende Stichworte: Versorgungssicherheit und Innovation.

Noch vor sechs Monaten hiess es – soeben war das Leck der Tiefseebohrinsel «Deepwater Horizon» gestopft worden –, nun müsse der Ausbau der Atomkraft wieder an die Hand genommen werden. Dem CO2-Problem könne man nur mit Kernkraft beikommen. Es mache keinen Sinn, während Jahrzehnten auf Investitionen in diesem Bereich zu verzichten. Dann geschah Fukushima. Ein verheerender Reaktorunfall nach einem verheerenden Erdbeben und einem verheerenden Tsunami, nach allen vorliegenden Meldungen aber letztlich durch ein falsch plaziertes und schlecht geschütztes Notstromaggregat hervorgerufen. Kleine, triviale Ursache, grosse Wirkung. Der politische Teil des Tsunamis betrifft vor allem Europa und unser Land. Wenngleich man viel Verständnis hat für die auch in bezug auf Kernkraft kaum leugbare Tendenz zur Schönrednerei, etwa wenn es um die vielbeschworenen Restrisiken oder um das Containment geht: was gegenwärtig vom politischen Sektor an illusionärem Wunschdenken produziert wird, ist beinahe unerträglich. Aus Sicht der Wirtschaft muss
einfach eines klargestellt sein: ohne Versorgungssicherheit im Energiebereich wird es den von hohen Arbeitskosten, hohen Landpreisen und hoher Regulierungsdichte gekennzeichneten Produktionsstandort Schweiz nicht mehr geben. Versorgungs-
sicherheit im Energiebereich ist gleichbedeutend mit langfristigen, sehr langfristigen Investitionen. Eine auf kurzfristige Effekte für den nächsten Wahltermin ausgerichtete Sonderdebatte ist nicht mehr als ein Haschen nach Wind. Turbinen werden davon noch nicht in Gang gesetzt.

Was mich persönlich sehr stört, ist der Mangel an Innovationsfreude, wenn es um Atomfragen geht. Weshalb blieb die aus meiner Sicht blendende Idee von nuklearen Kleinstkraftwerken, wie sie von der britischen Zeitschrift «The Economist» vor einigen Wochen vorgestellt wurde, in der Berner Debatte unberücksichtigt? Jahrein, jahraus durchqueren nukleargetriebene U-Boote klaglos die Ozeane. Es gibt keinen Grund, die in jenem militärischen Bereich gewonnenen Erfahrungen nicht für die zivile Nutzung umzusetzen. Für die Bedenken gegenüber Grossrisiken, die von Grösstkraftwerken ausgehen, darf man ja durchaus Verständnis haben, ja sie selber auch teilen. Wenn die Sache aber überschaubarer würde? So überschaubar, dass ein Nuklearunfall sozusagen mit einer grossen Käseglocke erledigt werden könnte?

Mein Aufruf: wehren wir uns dagegen, die Atomdebatte für erledigt zu erklären! Wagen wir den Wiedereinstieg! In die Debatte, versteht sich …

* GLP-Präsident Martin Bäumle argumentierte, dass AKW nicht versicherbar seien (Ausgabe 987). Originalton: «Wer haftet für das Risiko eines Super-GAUs? Der Staat und damit der Steuerzahler von heute. Wer übernimmt das Risiko der Endlagerung auf Zehntausende von Jahren hinaus? Die Gesellschaft von morgen. Der Markt ist hier verzerrt. Müssten die AKW diese Risiken versichern, wäre Atomstrom heute massiv teurer, wahrscheinlich sogar teurer als Strom aus erneuerbaren Energien.»

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