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Vom Meteoriten getroffen

Lee taugt als Vorname für Männer wie für Frauen. Daher entzieht sich Lee Gustavo, die Ich-Erzählerfigur in Sandra Hughes’ Debütroman, den geschlechtlichen Zuschreibungen. Lee arbeitet als patente Haushaltshilfe und liebt Frauen. Aber was heisst das schon. Halsbrecherisch schwankt Lee zwischen keckem Mädchen und dummem Jungen – was nicht das einzige ist, das an diesem verworrenen, […]

Lee taugt als Vorname für Männer wie für Frauen. Daher entzieht sich Lee Gustavo, die Ich-Erzählerfigur in Sandra Hughes’ Debütroman, den geschlechtlichen Zuschreibungen. Lee arbeitet als patente Haushaltshilfe und liebt Frauen. Aber was heisst das schon. Halsbrecherisch schwankt Lee zwischen keckem Mädchen und dummem Jungen – was nicht das einzige ist, das an diesem verworrenen, ganz und gar unbürgerlichen Lebenslauf ausser Kontrolle gerät.

Sandra Hughes hat es sich in ihrem Debüt nicht leicht gemacht. Von einem verirrten Meteoriten getroffen, liegt Lee in der Klinik und irrlichtert durch die eigenen Erinnerungen. Diese folgen keiner bürgerlichen Lebensbeschreibung, sondern balancieren den sozialen Rändern entlang und fallen von einer Turbulenz in die nächste. Ein böses Komplott bringt Lee ins Gefängnis, aus dem entlassen die Rückkehr in ein anständiges Leben nur schwer gelingt. Die Lehre bei einem Tattoo-Meister und die Übernahme von dessen Laden lenkt das Leben in etwas ruhigere Bahnen, was Lee frei macht für den zufällig aufgefundenen Abschiedsbrief des Vaters, der seinem Leben vor Jahren ein trauriges Ende gesetzt hatte. Die gesamte Familiengeschichte greift dadurch weit ins Brasilianische aus und erhält so eine beschämende Dimension, die obendrein teuflisch verseucht ist. Lee erhört die Anklage des Vaters und rächt dessen traurigen Selbstmord – auch wenn die Autorin zu dem Zweck die eine oder andere Hilfe herbeierzählen muss.

Mit Lee Gustavo betritt eine schillernde Figur die literarische Bühne, wie sie in der neueren Schweizer Literatur eher selten zu Hause ist. Sehr zum Vergnügen der Leser spiegelt sich Lees abenteuerliche Unerschrockenheit auch stilistisch wider. Sandra Hughes hat für ihr literarisches Schelmenstück einen leichtfüssigen Erzählton gefunden, der Lees widerspenstiges Lebensgefühl mit Witz aus der Eigenperspektive beschreibt und die chaotischen Begebenheiten zum Schluss in eine Ordnung fügt, die keine losen Enden lässt, die der Meteor verfehlen könnte.

besprochen von Beat Mazenauer, Luzern

Sandra Hughes: «Lee Gustavo». Zürich: Limmat, 2006.

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