Vom Mehrwert gemeinnütziger Stiftungen
Ein aktueller Überblick
Der Schweizer Stiftungssektor gehört zu den grössten und bedeutendsten in ganz Europa.1 Mit einer Stiftungsdichte von knapp 16 Stiftungen pro 10 000 Einwohner übertrifft die Schweiz die allermeisten Nachbarländer bei weitem: In Deutschland kommen auf 10 000 Einwohner knapp drei Stiftungen, in England zwei, in Frankreich nicht mal eine und in Schweden immerhin noch 14. Auch das Wachstum ist nach wie vor ungebremst. Im Schnitt wird in der Schweiz pro Tag eine gemeinnützige Stiftung gegründet. Ende 2016 zählte der Schweizer Stiftungssektor 13 172 gemeinnützige Stiftungen, bei 349 Neugründungen. Es wird geschätzt, dass rund zwei Drittel der gemeinnützigen Stiftungen in der Schweiz sogenannte Förderstiftungen sind, also Stiftungen, die aus ihrem Vermögen oder laufenden Zuwendungen leben und nicht auf Fundraising angewiesen sind.
Die meisten Stiftungen existieren im Kanton Zürich (2262), gefolgt von den Kantonen Waadt, Bern und Genf. Als Schlusslichter rangieren die Kantone Uri (46) und Appenzell Innerrhoden (32). Wie in den Vorjahren führten Genf (48) und Zürich (41) auch 2016 die Liste der Kantone mit den meisten Neugründungen an, was auf die hohe Dynamik in diesen Stiftungsstandorten hinweist. Hinsichtlich der Stiftungsdichte hat Basel-Stadt mit 46 Stiftungen auf 10 000 Einwohner die Nase vorne.
Ein wesentliches Charakteristikum der Stiftung ist ihr Zweck. Aus diesem leiten sich Tätigkeitsfeld, Wirkungsradius und Destinatärenkreis ab. Eine Auswertung der Stiftungszwecke zeigt auf, dass 82 Prozent aller Schweizer Stiftungen in den Bereichen Kultur und Freizeit, Sozialwesen sowie Bildung und Forschung tätig sind. Erst mit einigem Abstand folgt das Gesundheitswesen. Damit fördern Stiftungen im Wesentlichen vor allem jene Bereiche, die auch bei den Staatsausgaben an vorderster Stelle stehen. Stiftungszwecke sind grundsätzlich unveränderbar. Neue Trends bei Aktivitätsfeldern sind deshalb nicht sofort ersichtlich, da diese meist nur durch Neugründungen erfasst werden. Interessanterweise zeigt sich bei denjenigen Stiftungen, die in den letzten 10 Jahren gegründet wurden, ein etwas anderes Bild: Der grösste Zuwachs erfolgt hier bei den Stiftungen mit Fokus auf Bildung und Forschung, Umweltschutz und internationaler Entwicklungszusammenarbeit. Damit sind Stiftungen an wichtigen gesellschaftlichen Entwicklungen wie der Wissensgesellschaft oder Nachhaltigkeit massgeblich beteiligt.
Das gesamte Schweizer Stiftungsvermögen wird auf mindestens 70 Milliarden Franken geschätzt. Das jährliche Fördervolumen liegt bei 1,5 bis 2 Milliarden Franken. Diese eindrücklichen Zahlen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Schweizer Sektor – wie auch der gesamteuropäische – von Klein- und Kleinststiftungen geprägt ist. Wie der Schweizer Stiftungsreport 2016 aufgezeigt hat, weisen 85 Prozent ein Stiftungsvermögen von weniger als drei Millionen Franken aus. Vor dem Hintergrund des aktuellen Anlagenotstandes ist dies für Stiftungen, die ausschliesslich von den Erträgen leben, eine schwierige Ausgangslage.
Dies mag auch der Hauptgrund für die doch hohe Zahl von Liquidationen im Stiftungssektor sein: Seit 2009 wurden in der Schweiz über 1000 Stiftungen aufgelöst. Der Stiftungssektor wird zudem von zehntausenden ehrenamtlich engagierten Menschen getragen. Eine Auswertung der im Handelsregister eingetragenen gemeinnützigen Stiftungen ergibt, dass sich Ende 2016 62 200 Personen als Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte engagiert haben. Die meisten davon ehrenamtlich. Gerade mal 12,7 Prozent aller gemeinnützigen Stiftungen in der Schweiz verfügen über eine eigene Geschäftsführung. Dies macht deutlich, dass der Engpass für Stiftungen in Zukunft wohl weniger bei den finanziellen Erträgen liegen wird als vielmehr in der Suche nach geeigneten Personen für den Stiftungsrat.
Sich in der Schweiz gemeinnützig zu engagieren, ist und bleibt also attraktiv. Immer mehr Stifter und Stiftungen treten den Beweis an, dass sie einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen. Das eigene Geben, sei es von Zeit, Kapital oder Wissen, als Kern des bürgerlichen Engagements zu begreifen, ist dabei Ausdruck einer lebendigen und starken Zivilgesellschaft. Davon profitiert am Ende nicht nur die Gesellschaft, sondern auch der Gebende selbst.
1 Nachfolgende Zahlen und Daten stammen aus dem Schweizer Stiftungsreport 2017. Dieser wird jährlich von SwissFoundations, dem Center for Philanthropy Studies CEPS der Universität Basel und dem Zentrum für Stiftungsrecht an der Universität Zürich herausgegeben. Web: www.stiftungsreport.ch
Beate Eckhardt
ist Geschäftsführerin von SwissFoundations, dem Verband der Schweizer Förderstiftungen.