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Vom Akkordeon bis zur Zither
Vojin Saša Vukadinović, fotografiert von Daniel Jung.

Vom Akkordeon bis zur Zither

Das Haus der Volksmusik kümmert sich um die kulturelle Pflege der eidgenössischen Volksmusik. Ein Besuch in Altdorf.

Das Haus der Volksmusik im Kanton Uri arbeite «für die Volksmusik und mit der Volksmusikszene», heisst es in einem Flyer zu seinem Selbstverständnis. Es handelt sich um eine recht junge Einrichtung, die erst 2006 ihre Arbeit aufgenommen hat und heute mit der Abteilung Musik der Hochschule Luzern eine Partnerschaft unterhält. Dass Volksmusik in Luzern seit kurzem auch studiert werden kann, was an Universitäten in Österreich oder in Bayern seit langem möglich ist, zeigt, dass das Genre in den Nachbarländern eine weniger formelle Tradition hinter sich weiss als in der Schweiz. Hinzu kommen einige hartnäckige öffentliche Missverständnisse, die dem Status der hiesigen Volksmusik abträglich sind. Das SRF etwa führt die Sparte nach wie vor unter «Unterhaltung», nicht aber unter «Kultur», obwohl es sich um qualitativ hochstehende Musik handelt.

Der Name «Haus der Volksmusik» ist etwas irreführend, denn die Einrichtung steht nicht für sich allein auf dem Altdorfer Lehnplatz, sondern ist im 1806 erbauten städtischen Zeughaus untergebracht. Dort befinden sich lediglich die Büros sowie ein paar Vitrinen mit einigen Ausstellungsstücken, denn bei der Institution handelt es sich vor allem um eine Dokumentationsstelle. Das Dokumentierte selbst wiederum wird im Staatsarchiv Uri aufbewahrt. Dazu zählen neben Instrumenten vor allem Tonträger, die von Schellackplatten bis zu CDs reichen, die in der Volksmusikszene nach wie vor als wichtigstes Medium fungieren. Exponate, die in die Sammlung des Hauses gelangen, stammen zum Teil aus Wohnungsauflösungen, aus Schenkungen oder auch aus Estrichfunden. Zu den wertvollsten Objekten zählen beispielsweise handschriftliche Noten von Kasi Geisser (1899–1943), dem wohl wichtigsten volkstümlichen Schweizer Klarinettisten. Im Haus für Volksmusik selbst ist jedoch eine Abhörstation untergebracht, die Besuchern den Zugriff auf die Schweizerische Nationalphonothek erlaubt, das Tonarchiv des Landes.

Die Vielfalt der eidgenössischen Volksmusik

«Wir besetzen eine Nische», sagt Urs Kühne, der PR-Verantwortliche des Hauses und selber Saxophonist, «Volksmusik in unserem Sinne ist traditionelle Schweizer Volksmusik und was sich daraus entwickelt hat.» Was nicht dazugehöre, sei volkstümlicher Schlager wie Beatrice Egli oder das, was man als «Volkspop» bezeichnen könnte, der «Eidgenoss» beispielsweise: «Wir kümmern uns um die traditionelle Volksmusik in ihren stilistischen und traditionellen Ausprägungen.» Es sind Namen bekannter Komponisten und Musiker wie Jost Ribary (1910–1971), Rees Gwerder (1911–1988) und Fred Stocker (geb. 1928), die hier als Referenzen fallen, um die musikhistorischen Pfade nachzuzeichnen, die zur Volksmusik der Gegenwart führen.

In dieser sind das Akkordeon und das Schwyzerörgeli, das aktuell einen regelrechten Boom erlebt, die mitunter wichtigsten Instrumente, hinzu kommen Klarinette, Klavier und Kontrabass. Es gibt auch Überraschungen, die sich regional niederschlagen: Im Tessin kommen Gitarre und Mandoline zum Einsatz, in der innerschweizerischen Volksmusik das recht atypisch wirkende Saxophon, im Appenzellerland und in Graubünden aber nicht. Das Schlagzeug hingegen ist in diesem Genre überhaupt nicht vertreten.

Ausserdem ist zu beobachten, dass sich das Interesse an den Instrumenten ungleich verteilt. Klarinettenlehrer etwa haben es zunehmend schwerer, den Nachwuchs zu begeistern. Auch die traditionellen Jodelchöre scheinen nicht mehr ganz so gefragt wie einst, was eine Generationenfrage sein könnte. Und in der aktuellen Szene fällt auf, dass das Alphorn und die Zither, die üblicherweise als sehr volkstümliche Instrumente gelten, eine randständige Rolle spielen. Dabei steht in Trachselwald, einem kleinen Dorf im Kanton Bern, das Schweizer Zither-Kulturzentrum, eine Einrichtung, die sich einzig diesem einen Instrument widmet.

Ein weiterer hartnäckiger Irrtum ist die Annahme, dass Volksmusik primär etwas für ältere Semester sei. Das ist jedoch falsch, denn sie ist überaus lebendig. Dass sich dieses Gerücht nach wie vor hält, mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass es unter den Jüngeren immer weniger Bedürfnisse gibt, sich in traditionelle Vereinsstrukturen einzubringen. Weil die Szene so überschaubar ist, kennt man einander ohnehin und benötigt solche Organisationsformen weder für sich selbst noch nach aussen.

Das Zeughaus in Altdorf im Kanton Uri, welches das «Haus der Volksmusik» beherbergt. Bild: Haus der Volksmusik.

Zunehmende Anerkennung für die Volksmusik

Das Haus der Volksmusik selbst wird von einem Verein getragen, der 250 Mitglieder zählt. Finanziert wird es von Beiträgen aus den Kantonen und Gemeinden sowie von Kulturstiftungen und Firmen unterstützt. Das erlaubt es der Institution, neben der dokumentarischen Tätigkeit Kurse und Veranstaltungen anzubieten, Kinder- und Jugendlager sowie das Volksmusikfestival in Altdorf zu organisieren, das 2022 zum fünften Mal stattfand. Dessen Line-up kann als repräsentativ für die eidgenössische Volksmusik gelten: So traten vom 20. bis zum 22. Mai unter anderen die Kapelle Alder aus Urnäsch auf, die in fünfter Generation Appenzeller Musik spielt, die innerschweizerische Schwyzerörgeli-Formation SÖCK, die Swiss Ländler Gamblers, deren Mitglieder aus Bern, Freiburg und Graubünden stammen, die Gruppe BüchelBox, in der das Blechblasins­trument eine prominente Rolle einnimmt, die Blaskapelle Schattdorfer Nachtbüäbä oder auch das Trio Simone Felber um die gleichnamige Sängerin. Hat die Schweizer Volksmusik also gute Aussichten auf eine glänzende Zukunft? «Ganz klar», sagt Kühne, «gerade junge Musikanten sind sehr gut, und das findet vermehrt Anerkennung.»

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