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Vivisektion des Gutmenschentums

Teil III: Warum es nicht gut ist, Anreize durch gute Absichten zu ersetzen

Das Gegenteil von «gut», sagt der Volksmund, ist nicht «schlecht», sondern «gut gemeint». Gute Absichten sind keine Garantie für gute Ergebnisse. Wer aber gute Absichten hegt, lässt sich nicht so schnell von seinem Vorhaben abbringen – und will auch andere beglücken. Wer hingegen auf Anreize setzt, will andere nicht zwingen. Jede Person kann – nach eigenem Gusto oder individuellen Möglichkeiten – selbst entscheiden, ob sie dem Anreiz nachgeben will oder nicht. Der freie Markt bietet eine ungeheure Fülle von Anreizen, auch von täglich sich ändernden und neu entstehenden. Und das schöne ist: selbst wenn der einzelne, den Marktanreizen folgend, ohne «gute» Absicht bloss seinen eigenen Kuchen bäckt, so vergrössert er dadurch doch den «grossen Kuchen für alle».

Im Privatleben zeitigen gute Absichten oft erfreuliche Ergebnisse; selten richten sie grossen Schaden an. Anders in der Politik. Erstens ist es fraglich, ob hinter einer staatlichen Massnahme überhaupt eine gute Absicht steckt – oder nicht vielmehr ein schön verpacktes Machtkalkül und politische Sonderinteressen. Zweitens handelt es sich bei staatlichen «gut gemeinten» Aktionen – anders als bei privaten, die auf Einzelpersonen oder überschaubare Gruppen zielen – stets um Regulierungen gegenüber grossen Kollektiven. Und das kann nicht gut sein, weil die Leute hinsichtlich dessen, was gut für sie sei, ganz unterschiedliche Meinungen, Interessen, Bedürfnisse, Präferenzen und Abneigungen haben, die sich zudem auch noch ständig ändern. «Dem einen sin Uhl ist dem andern sin Nachtigall.»

Drittens: wer im Privatbereich eine gute Absicht verwirklichen will, muss dafür sein eigenes Geld oder seine eigene Leistung einsetzen. In der Politik hingegen lassen sich gute (oder scheinbar gute) Absichten nur mit dem (zwangsweise eingezogenen) Geld anderer Leute in die Tat umsetzen. Viertens erfolgt ein solches Umsetzen im Privatbereich selten unter Zwang. In der Politik aber erfordert die Realisierung stets Zwang oder Gewalt, denn wenn das beabsichtigte Ergebnis noch nicht existiert, dann deutet das darauf hin, dass die Menschen es freiwillig auch nicht anstreben. Fünftens (und keineswegs abschliessend) hat der private Exekutor einer guten Absicht für deren Realisierung die Verantwortung zu tragen, sowohl gegenüber dem Adressaten als auch gegenüber sich selbst. Ein Kollektiv hingegen («der Staat» oder «die Gesellschaft») kann niemals verantwortlich sein.

Der kollektive «Zwang zum Guten» ist etatistischer Sozialismus. Durch Vorschriften und Verbote macht er überwiegend schlechte Menschen nicht dauerhaft besser, dafür aber überwiegend gute Menschen dauerhaft schlechter. Als Beispiel hierfür können die in guter Absicht (oder doch als Machtinstrument?) erlassenen Anti-Diskriminierungs-Gesetze dienen. Sie ziehen ganze Kaskaden lächerlicher, komplizierter, scheinheiliger, verquerer Verhaltensanomalien und Prozesslawinen nach sich – und haben insgesamt die freiheits-, rechts- und gesellschaftszerstörerische Aushebelung des privaten Vertragsrechts und des Eigentumsrechts zur Folge. Darüber hinaus führen sie in einen latenten Spitzel-, Überwachungs- und Denunziantenstaat und zur sukzessiven Eliminierung der Meinungsfreiheit. Der Weg in den Tugendterror Robespierres und in den Gesinnungsterrorstaat ist vorgezeichnet.

Auch hier tritt der elementare Unterschied zwischen der privaten und der staatlichen Sphäre zutage. Der Staat sollte schon aus Gründen der Gleichheit der Bürger vor dem Recht keinesfalls aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht, Alter usw. diskriminieren dürfen, aber auch deshalb nicht, weil die Kosten der Diskriminierung bei den Diskriminierten anfallen. Im Privatbereich hingegen fällt ein Grossteil der Kosten bei den Diskriminierenden an, indem sie auf bestimmte Tauschpartner und Tauschgeschäfte verzichten müssen.

Wie der politische Feldzug der staatsbürokratisch durchgesetzten «guten Absichten» (unter der Formel «Gemeinnützigkeit») gegen die eigennützigen Privatinteressen des kapitalistischen Marktes sogar zum Untergang grosser Imperien führt, hat der Historiker Ulrich von Lübtow am Beispiel des römischen Reichs beschrieben: «Die Tendenz, den werteschaffenden Egoismus des homo oeconomicus [der auf Anreize reagiert, R.B.] auszuschalten, widerstreitet der menschlichen Natur und musste deshalb den Rückfall in primitive Zeiten zur Folge haben, den Absturz einer hohen Kultur, welche die Menschheit in langsamer Überwindung des ursprünglichen Kollektivismus erreicht hatte.»

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, haben wir gesagt. Woraus folgt: weil es Anreize nicht auf das Gute abgsehen haben, sind sie guten Absichten vorzuziehen.

Roland Baader, geboren 1940, ist Nationalökonom und Autor u.a. von «Markt oder Befehl» (2007).

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